Augustinerkloster Tübingen 

Ortsbezüge:
Baujahr/Gründung: 1262 [1262]
Zerstörung/Aufhebung: 1534 [1534]
Beschreibung: Im Zusammenhang mit der Neuordnung wilhelmitischer Eremitagen durch Papst Alexander IV. kam es 1262 in Tübingen zur Gründung eines Augustiner-Eremitenklosters innerhalb der Stadtmauern am Neckarhang. 1264 ist der Bau in vollem Gange, 1276 konnte die Kirche eingeweiht werden. 1306 stellte der Konvent den Provinzial der rheinisch-schwäbischen Provinz, der noch 1311 als visitator ordinis genannt wird. Die wirtschaftlichen Grundlagen des Klosters bildeten neben Ablässen, einem Begräbnisrecht und Steuerfreiheiten vor allem Schenkungen von Gülten, Zinsen und Gütern, die eine enge personelle und wirtschaftliche Verbindung zwischen dem Kloster und städtischer Ehrbarkeit sowie von Angehörigen des niederen Adels der Umgebung bezeugen. So konnte etwa 1410 das ans Klosterareal angrenzende Neckarbad erworben werden. Ein 1505 angelegtes Lagerbuch weist Zinsen aus mehr als 30 Tübinger Häusern aus. Einige Jahrzehnte der geistigen und geistlichen Blüte brachte die 1477 in Tübingen erfolgte Universitätsgründung. Zwar wollte der württembergische Graf Eberhard im Bart zunächst den Augustinerkonvent nach Beselsberg bei Horrheim verlegen und an seiner Stelle gelehrte Dominikaner nach Tübingen berufen, doch rückte er bald von diesem Plan wieder ab, zumal es 1483 im Rahmen der Observanzbewegung auch im Tübinger Augustinerkloster zu einer Reform des klösterlichen Lebens kam. Trotz der skandalösen Affäre um Konrad Holzinger nahm die Zahl der Mönche in erheblichem Umfang zu, 1486 ist neben dem Prior erstmals ein Subprior genannt. 1491 wird eine Sebastiansbruderschaft urkundlich erwähnt. Die Nähe zur Universität zog auch aus anderen Augustinerkonventen Mönche zum Studium und zur Lehre nach Tübingen. 1497 immatrikulierte sich Johannes Staupitz, der im Augustinerkloster eine theologische Lektur wahrnahm, 1498 Prior wurde und im Jahr 1500 in Tübingen zum Dr. theol. promovierte. Bis 1530 lassen sich in der Universitätsmatrikel etwa 50 Augustiner nachweisen. Ein 1464 begonnener Neubau der Klosteranlage führte das Kloster in den ersten Jahrzehnten des 16. Jh. zunehmend in eine wirtschaftlich angespannte, ja schwierige Lage. Trotz mehrfacher Unterstützung durch das württembergische Regentenhaus, verschiedene Tübinger Familien, der Universität, die 1490 im Südflügel (heute Speisesaal) ein Lektorium, einen Hörsaal, der theologischen Fakultät einrichtete, zog sich der Bau Jahrzehnte hin und wurde erst 1513 beendet, und dies, obwohl wahrscheinlich noch nicht einmal alle Baupläne realisiert worden waren. Ab 1520 mehren sich die Zeichen des Verfalls, einer Krise. Mönche klagten, das Kloster habe durch den Bau sein Vermögen verloren, und verließen das Kloster. Andere wandten sich der Reformation zu. Bald konnten die eingegangenen geistlichen Verpflichtungen nicht mehr erfüllt werden, 1532 war der Gottesdienst "abgegangen", die Stiftungen und Jahrtage wurden nicht mehr vollstreckt. Mit der Einführung der Reformation in Württemberg 1534 endet die Geschichte des Klosters. In den Gebäuden fand 1547, nachdem man die letzten drei Augustiner-Eremiten in das Tübinger Spital umgesiedelt hatte, das 1536 von Herzog Ulrich errichtete Stipendium für evangelische Theologiestudenten eine Heimat (heute Evangelisches Stift).
Autor: WILFRIED SETZLER
Objekttyp: Kloster
Ordensregel:
  • Augustiner-Eremiten 1262-1534
Sonstiges: Bistum: Konstanz, ab 1821 Rottenburg-Stuttgart
Weiter im Partnersystem: http://www.kloester-bw.de/?nr=553

Adresse Klosterberg 2-4, Tübingen

Literatur:
  • W. Zimmermann / N. Priesching (Hg.): Württembergisches Klosterbuch. Klöster, Stifte und Ordensgemeinschaften von den Anfängen bis in die Gegenwart. Stuttgart 2003. 472f. (W. SETZLER).Die Kunst- und Altertumsdenkmale im Königreich Württemberg. Inventar Schwarzwaldkreis. Bearb. v. E. von Paulus. Stuttgart 1897. OA Tübingen, 393.M. BRECHT: Das Augustiner-Eremiten-Kloster zu Tübingen. In: Mittelalterliches Erbe - Evangelische Verantwortung. Hrsg. v. Evangelischen Stift. Tübingen 1962, 45-91.A. KUNZELMANN: Geschichte der deutschen Augustiner-Eremiten. Zweiter Teil. Die rheinisch-schwäbische Provinz bis zum Ende des Mittelalters. Würzburg 1970, 131-149.
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