Kollegiatstift St. Georg Tübingen 

Ortsbezüge:
Baujahr/Gründung: 1476 [1476]
Zerstörung/Aufhebung: 1534 [1534]
Beschreibung: Als Papst Sixtus IV. 1476 einer Verlegung großer Teile des Sindelfinger Martinsstiftes sowie der Pfründe des dortigen Propstes an St. Georg in Tübingen zustimmte, wurde die Tübinger Pfarrkirche zugleich Stiftskirche. Die acht nach Tübingen übersiedelnden Chorherren wurden mit je einem eigenen Pfründhaus ausgestattet. Mit der Verlegung des Martinsstiftes, über das die württembergischen Grafen die Schirmvogtei ausübten, schuf Graf Eberhard im Bart die wirtschaftlichen und personellen Voraussetzungen für die Gründung der Universität in Tübingen (1477). Die Stiftsstatuten sahen vor, dass die neu ins Kapitel eintretenden Chorherren sich an der Universität einschreiben lassen und Vorlesungen halten sollten. Da dies eine Einschränkung ihres Chordienstes bedeutete, wurde diese Aufgabe den Kaplänen an der St. Georgskirche übertragen, die hierzu in den Rang von Stiftsvikaren aufstiegen. Vermutlich waren aber lediglich Johannes Vergenhans und Johannes Heckbach bereit, Lehrveranstaltungen zu halten, zwei weitere Chorherren haben sich zumindest immatrikuliert. Der Stiftspropst Johannes Tegen trat als Kanzler in den Dienst der Universität. Um das aktuelle Personalproblem dennoch zu lösen, wurden ab 1482 die Kanonikate von der Stiftskirche abgezogen, ihre Pfründen vereinigt und künftig als Fond zur Professorenbesoldung genutzt. Um ein Erlöschen des Martinsstiftes an St. Georg zu umgehen, rückten die Stiftsvikare in den Rang von Chorherren auf, zugleich wurden weitere Kaplaneien an der Stiftskirche konzentriert sowie einige Stellen neu geschaffen. 1482 gehörten nunmehr 16 Kanoniker dem Stiftskapitel an. Zwar waren die vermögensrechtlichen Verbindungen zwischen Stift und Universität seit 1482 gekappt, aber die personellen blieben bestehen. Johannes Vergenhans (Nauclerus), Berater Eberhards im Bart, erster Universitätsrektor und Verfasser einer Weltchronik folgte Johannes Tegen als Propst und Kanzler. Die Personalunion führte 1492 zum Konflikt. Letztendlich gelang es Eberhard im Bart, sich das alleinige Präsentationsrecht zu sichern: das Doppelamt war mithin von der württembergischen Herrschaft abhängig geworden. Die Einführung der Reformation in Württemberg (1534) bedeutete das Ende der knapp 60-jährigen Geschichte des Tübinger Stiftskapitels. Sechs Chorherren lehnten die Reformation ab, darunter der Stiftspropst Ambrosius Widmann, vier waren bereit, sich auf Neues einzulassen. Die Haltung der übrigen ist nicht bekannt. 1536 wurden die Pfründen mit der Entfernung der Altäre aus der Stiftskirche zu leeren Rechtstiteln, ihre Inhaber wurden mit Pensionen abgefunden. Die "Stiftskirche" dient bis heute als Pfarrkirche der Stadt, bis 1534/37 war ihr Chor "Festsaal" der Universität. Der spätgotische Hallenbau entstand in den Jahren zwischen 1470 und 1490/91 und ist - laut Inschrift - der dritte Kirchenbau an dieser Stelle. Finanziert wurde er vom württembergischen Grafenhaus (Chor seit 1537 Grablege) und der Stadt Tübingen. Zum kostbarsten Schmuck der Stiftskirche gehören die von Peter Hemmel von Andlau und seiner Werkstatt geschaffenen Glasfenster.
Autor: SABINE HOLTZ
Objekttyp: Kloster
Ordensregel:
  • Chorherren, weltliche 1476-1534
Sonstiges: Bistum: Konstanz, ab 1821 Rottenburg-Stuttgart
Weiter im Partnersystem: http://www.kloester-bw.de/?nr=554

Adresse Tübingen

Literatur:
  • W. Zimmermann / N. Priesching (Hg.): Württembergisches Klosterbuch. Klöster, Stifte und Ordensgemeinschaften von den Anfängen bis in die Gegenwart. Stuttgart 2003. 474f. (S. HOLTZ).Die Kunst- und Altertumsdenkmale im Königreich Württemberg. Inventar Schwarzwaldkreis. Bearb. v. E. von Paulus. Stuttgart 1897. OA Tübingen, 381-393.H. JANTZEN: Stiftskirche in Tübingen (Beiträge zur Tübinger Geschichte 5). Stuttgart 1993.
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