Paulinerkloster Langnau 

Ortsbezüge:
Baujahr/Gründung: 1405 [1405]
Zerstörung/Aufhebung: 1787 [1786/87]
Beschreibung: 1122 stifteten Arnold und Junzila von Hiltensweiler die Zelle Hiltensweiler und übergaben sie samt Besitz in neun Orten dem Benediktinerkloster Allerheiligen in Schaffhausen, das sie mit weiteren Gütern ausstattete. 1200 wurde die Niederlassung ins Argental nach Langnau verlegt. Die Vogtei ging von den Welfen an die Staufer über, die sie an die Herren von Summerau verliehen. Um 1270 kaufte der Bischof von Konstanz die Vogtei, die sich der Graf von Montfort-Tettnang 1309 aneignete. Der Propst verfügte über die niedere Gerichtsbarkeit im Pfarrbezirk Hiltensweiler und über seine Eigenleute. Obwohl der Besitz nach der Gründung beträchtlich vermehrt werden konnte, geriet das Kloster im späten 14. Jh. in wirtschaftliche Schwierigkeiten, weshalb Allerheiligen 1389 auf seine Rechte zugunsten des Vogts verzichtete. 1405 übergab Graf Heinrich von Montfort-Tettnang das Kloster Langnau mit der Unser Lieben Frau geweihten Klosterkirche, allem Zubehör, nun etwa 80 Gütern in 40 Ortschaften, und der Pfarrkirche zu Hiltensweiler, "da Sant Arnold gnädig ist", dem Paulinerorden, dem er bereits 1359 die nahe Zelle Argenhardt überlassen hatte. Langnau war das bedeutendste und am besten ausgestattete Kloster der deutsch-rheinischen oder schwäbischen Provinz des Paulinerordens, etwas mehr als die Hälfte der Langnauer Prioren waren gleichzeitig auch Provinziale, die Provinzkapitel tagten meist in Langnau. 1525 diente das Kloster als Versorgungsbasis für die aufständischen Bauern des Seehaufens und wurde geplündert. Die niedergerichtlichen Rechte schränkten die Grafen von Montfort-Tettnang als Vögte im Laufe der Zeit immer mehr ein. Der Bibliothekskatalog von 1786 verzeichnet knapp 2.000 Werke mit einigen, meist neuzeitlichen Manuskripten. Eine Auswahl übernahm nach der Aufhebung des Klosters die Universitätsbibliothek Freiburg, wo sich heute eine mittelalterliche Handschrift und 22 Inkunabeln aus Langnau befinden. Nachdem vorher die Fratres an anderen Hochschulen, vor allem in Ostmitteleuropa studieren mussten, wurde 1718 ein eigenes Hausstudium in Langnau für die schwäbische Provinz eingerichtet. Mit besonderen wissenschaftlichen Leistungen trat kein Langnauer Mönch hervor. Die Ordensgeschichte des 18. Jh. lobt den eleganten literarischen Stil des langjährigen Priors Franz Wizigmann, der 1736 ein gedrucktes Gebetbuch für die Bruderschaften, ein leider nicht erhaltenes philosophisches Compendium und ein Gedicht zur Klostergeschichte verfasst hat, "das eine gute Kenntnis der lateinischen Dichter verrät" (Kottke). In der Klosterkirche befanden sich die Grablegen der Grafen von Montfort-Tettnang und der Herren von Reitnau. In der inkorporierten Pfarrkirche Hiltensweiler wurde der Klosterstifter Arnold als Seliger verehrt. 1736 wurde in einer feierlichen Translation der Katakombenheilige Valentinus nach Langnau überführt. Seit 1723 verweisen Kopien der Gnadenbilder von Tschenstochau und Maria Thal in der Klosterkirche auf die verstärkten Bindungen zu den Zentren des Ordens in Ostmitteleuropa. In die 1727 errichtete, noch heute bestehende Schutzengel-Bruderschaft ließen sich Tausende aus der Umgebung aufnehmen, weniger populär wurde die 1736 gegründete Paulus-Bruderschaft. Als Hauptfeste wurden gefeiert das Gedenken an den Seligen Arnold am 1. Mai, das Titularfest der Schutzengel-Bruderschaft am Sonntag nach der Oktav der Apostelfürsten Petrus und Paulus im Juli und der große Jahrtag der gräflichen Familie von Montfort am 3. Juni. 1780 übernahm Österreich die Grafschaft Tettnang und damit die Vogtei über das Kloster. 1784 untersagte die vorderösterreichische Regierung den Klöstern Langnau und Rohrhalden die weitere Verbindung mit den anderen im "Reich" gelegenen Klöstern der Provinz und zur Ordenszentrale, 1786 hob Joseph II. alle Klöster des Paulinerordens in den österreichischen Ländern auf. Nachdem bereits die Versteigerung des Klosterguts begonnen hatte, wurde die Aufhebung Langnaus widerrufen, da es in einer Reichsgrafschaft lag, die von Joseph II. nur in Personalunion als Landesherr regiert wurde. Aber 1787 erfolgte die endgültige Aufhebung. Das gesamte Vermögen des Klosters wurde auf knapp 100.000 Gulden geschätzt mit u. a. 26 Schupflehenhöfen, Zinseinkünften von mehr als 300 Erblehen und 20 Weihern. Der Prior leitete einen Konvent von elf Priestern, einem Frater und einem Laienbruder. Kirche und Südflügel der Klosteranlage wurden 1794 abgebrochen, West- und Ostflügel an Private verkauft, ebenso die von den Mönchen in Eigenwirtschaft betriebenen Höfe. Der größere Teil des Klosterbesitzes blieb aber als vorderösterreichischer, dann bayerischer, württembergischer und durch staatsvertragliche Regelung wieder bayerischer "Langnauischer Religionsfond" als besonders verwaltete Vermögenseinheit bis zur Inflation 1923 erhalten. Die einschiffige Kirche mit kreuzförmigem Grundriss wurde Anfang des 13. Jh. nach der Verlegung der Benediktinerpropstei ins Tal erbaut, erhalten hat sich ein Vierungspfeiler mit den angrenzenden Wänden des Querhauses und Chors. 1647 wurden Kirche und die mit ihr verbundene Dreiflügel-Anlage des Klosters niedergebrannt und anschließend wieder errichtet. Erhalten haben sich nach dem Abbruch von 1794 bis heute nur der Ostflügel mit dem Provinzialat und der Westflügel. Einige Kunstwerke, wie vor allem die Grablegung Christi von Camillo Procaccini vom Anfang des 17. Jh. aus der Grabkapelle der Reitnau, wurden in die bis dahin inkorporierte Pfarrkirche Hiltensweiler verbracht.
Autor: ELMAR L. KUHN
Objekttyp: Kloster
Ordensregel:
  • Benediktiner 1122-1405
  • Pauliner-Eremiten 1405-1786/87
Sonstiges: Bistum: Konstanz, ab 1821 Rottenburg-Stuttgart,
fiel an: Österreich (1786)
Weiter im Partnersystem: http://www.kloester-bw.de/?nr=658

Adresse Tettnang

Literatur:
  • W. Zimmermann / N. Priesching (Hg.): Württembergisches Klosterbuch. Klöster, Stifte und Ordensgemeinschaften von den Anfängen bis in die Gegenwart. Stuttgart 2003. 318-320 (E. KUHN).Germania Benedictina, Bd. V: Die Benediktinerklöster in Baden-Württemberg. Bearb. v. F. Quarthal. Augsburg 1975. V, 156-160 (H. JÄNICHEN).Beschreibung des Oberamts Tettnang. Hg. v. Königlichen Statistischen Landesamt. 2. Bearbeitung. Stuttgart 1915. 156-160.Die Kunstdenkmäler des Kreises Tettnang. Bearb. v. W. Matthey u. A. Schahl (Die Kunstdenkmäler in Württemberg. Hg. v. Württ. Landesamt für Denkmalpflege). Stuttgart/Berlin 1937. 141f.J. SCHNEIDER: Geschichtliches über das ehem. Kloster Langnau. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung, 1 (1869) ff. 13 (1884) 133-148; 14 (1885) 5-18; 15 (1886) 124-197.A. SCHAHL: Zur Baugeschichte des Klosters Langnau. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung, 1 (1869) ff. 64 (1937), 57-66.A. BORST: Mönche am Bodensee (610-1525). Sigmaringen 1978, 322-325.ST. SWIDZINSKI (HG.): Beiträge zur Spiritualität des Paulinermönchtums, Friedrichshafen 1999.K. ELM u. a. (Hg.): Beiträge zur Geschichte des Paulinerordens. Berlin 2000.E. L. KUHN: Der Paulinerorden in Deutschland. Tettnang 2005.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)