Jesuitenkolleg Ellwangen 

Ortsbezüge:
Baujahr/Gründung: 1557 [um 1557]
Zerstörung/Aufhebung: 1773 [1773]
Beschreibung: Die religiöse und kulturelle Entwicklung der Stadt und Fürstpropstei Ellwangen wurde durch das Wirken der Jesuiten entscheidend geprägt. Auf Einladung des Fürstpropsts und Augsburger Bischofs, Kardinal Otto Truchsess von Waldburg (+ 1573) war seit 1557 wiederholt der bekannte Jesuitenpater Petrus Canisius in Ellwangen, um im Sinne einer allgemeinen Erneuerung der Kirche nach der Reformation zu wirken. Die zum Kolleg Dillingen gehörende Missionsstation war anfangs nur zeitweilig, ab 1611 ständig mit zwei Patres besetzt. Sie waren am Hofe als Beichtväter des Propstes tätig; in der Stadt und im Propsteigebiet hatten sie Aufgaben der außerordentlichen Seelsorge zu erfüllen. In die Zeit der Missionsstation fiel auch die Einrichtung der Wallfahrt auf dem Schönenberg (1638/39). Als die Jesuiten 1658 ein Gymnasium eröffneten, wurde die bisherige Missionsstation in eine selbständige Residenz umgewandelt. Ein Höhepunkt des jesuitischen Wirkens war die Missionsarbeit des P. Philipp Jeningen (1680-1704), der noch heute als heiligmäßig verehrt wird. Er konnte den damaligen Fürstpropst Johann Christoph Adelmann dazu bewegen, zwischen 1682 und 1695 auf dem Schönenberg anstelle der kleinen Kapelle eine Wallfahrtskirche zu errichten. Der Plan des Baumeisters Michael Thumb war die erste Ausprägung des so genannten "Vorarlberger Münsterschemas". Größter Wohltäter der Jesuiten in Ellwangen war der Stiftsdekan Ignatius Desiderius von Peutingen (1641-1718), der letzte Spross des bekannten Augsburger Patriziergeschlechts. Er setzte die Ordensniederlassung zu seinem Universalerben ein. Die gewaltige Summe von rund 90.000 Gulden ermöglichte den Neubau von Kirche, Kolleg und Gymnasium (1720-1729) und die Erhebung der Residenz zu einem Kolleg (1729). Für die Stadt mit ihren vielen Beamten war die schulische Tätigkeit der Jesuiten besonders wichtig. 1729 wurde dem Gymnasium durch Einführung des Philosophiestudiums ein Oberbau aufgesetzt, der das Gymnasium zum Lyzeum machte. Als 1752 auch noch Lehrstühle für Moraltheologie und Kirchenrecht geschaffen wurden, besaß die Stadt eine philosophisch-theologische Akademie, an der ein Teil des Theologiestudiums absolviert werden konnte. Da im 18. Jh. während eines Schuljahres in der Regel fünf bis sechs Dramen aufgeführt wurden, war das Gymnasium auch eine Stätte eifrigster Theaterpflege. In der fürstpröpstlichen Residenzstadt diente das Schultheater über den pädagogischen Zweck hinaus bei feierlichen Anlässen auch als Hoftheater. Dem Personalstand nach zählte die Ellwanger Niederlassung zu einer der kleinsten in der oberdeutschen Provinz. Unter den knapp 20 Mitgliedern befanden sich 12 bis 14 Patres, vier Laienbrüder und ein bis zwei Scholastiker. Fünf bis sechs Patres waren als Lehrer tätig, die übrigen arbeiteten in der Seelsorge. Nach der Aufhebung des Jesuitenordens (1773) verwandelte Fürstpropst Anton Ignaz Fugger Kollegium und Gymnasium in eine fürstpröpstliche Anstalt, in das so genannte "Collegium Ignatianum". Die Exjesuiten konnten ihr gemeinsames Leben fortsetzen und ihre Aufgaben in gewohnter, alter Weise durchführen. Die der Unbefleckten Empfängnis Mariens geweihte Jesuitenkirche wurde 1724-1729 zusammen mit Kolleg und Gymnasium durch die beiden Ordensmitglieder Jakob Amrhein und Josef Guldimann im rechten Winkel zur Stiftskirche errichtet. In ihrer Architektur führt sie den Typus der süddeutschen-schweizerischen Jesuitenkirchen fort. Der Innenraum wird durch die Fresken von Christoph Th. Scheffler geprägt (1726/28), die Szenen aus dem Marienleben wiedergeben. Nach dem Übergang Ellwangens an Württemberg wurde die Kirche zur evangelischen Garnisons-, dann zur Hofkirche umgewandelt (1802/03), die sieben barocken Altäre beseitigt. Seit 1817 ist sie evangelische Stadtpfarrkirche. Das Kolleg, 1813-1815 Kaserne, von 1818 bis 1963 humanistisches Gymnasium, wird heute zusammen mit den Räumen der Jesuitenschule als Gerichtsgebäude genutzt.
Autor: HANS PFEIFER
Objekttyp: Kloster
Ordensregel:
  • Jesuiten um 1557-1773
Sonstiges: Bistum: Augsburg, ab 1821 Rottenburg-Stuttgart
Weiter im Partnersystem: http://www.kloester-bw.de/?nr=745

Adresse Marktplatz 05, Ellwangen a. d. Jagst

Literatur:
  • W. Zimmermann / N. Priesching (Hg.): Württembergisches Klosterbuch. Klöster, Stifte und Ordensgemeinschaften von den Anfängen bis in die Gegenwart. Stuttgart 2003. 227-229 (H. PFEIFFER).Die Kunst- und Altertumsdenkmale im Königreich Württemberg. Inventar Jagstkreis. Bearb. v. E. Gradmann. Hg. v. E. von Paulus u. E. Gradmann. Esslingen a. N. 1907. OA Ellwangen, 133-135, 707.H. PFEIFER: Das Theater am Jesuitengymnasium in Ellwangen. In: V. BURR (Hg.). Ellwangen 764-1964. Ellwangen 1964, 534-582.B. SCHNEIDER: Die Jesuiten in Ellwangen. In: Ebd., 245-315.
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