Kollegiatstift St. Margarethen Waldkirch 

Ortsbezüge:
Baujahr/Gründung: 912 [912/18]
Zerstörung/Aufhebung: 1806 [1806]
Beschreibung: St. Margarethen wurde zwischen 912 und 918 von Herzog Burkhard I. von Alemannien und seiner Gattin Reginlinde als Benediktinerinnenkloster gegründet. Seit 994 stand St. Margarethen unter kaiserlichem Schutz, während die Schirmvogtei die Edelfreien von Waldkirch ausübten, die sich später nach der Burg Schwarzenberg benannten. 1347 ging die Vogtei mit der Herrschaft an die Linie Schwarzenberg-Kastelburg über, dann an wechselnde Pfandherren bis die Herrschaft 1567 vom Haus Habsburg ausgelöst und seit 1571 dem Obervogt von Kenzingen und Kürnberg unterstellt wurde. Nach dem Tod der letzten Äbtissin und wegen fehlender Insassinnen wurde St. Margarethen 1431 in ein Chorherrenstift umgewandelt. Dieses gehörte seit Mitte des 15. Jh. zum vorderösterreichischen Prälatenstand. Mehrfach wurde vergeblich versucht, das Stift an das Freiburger Münster zu verlegen und der Universität zu inkorporieren. Dennoch waren fast alle Pröpste und einige Chorherren Lehrstuhlinhaber der Universität. 1567 diente St. Margarethen Erzherzog Ferdinand II. auf seiner Huldigungsreise als Unterkunft, wobei er den Chorherren Johann Chrysostomos Neugern zu seinem Hofkaplan ernannte. Als sich die Säkularisation anbahnte, drängte das Stift den Propst Franz Joseph Birsner zur Resignation und versuchte vergeblich, mit der Wahl Karl von Hausers, des Neffen des vorderösterreichischen Regierungspräsidenten Greiffenegg, die drohende Aufhebung zu verhindern. 1805 fiel das Stift an Baden und wurde 1806 säkularisiert. Die Dignitäten bestanden aus sechs Chorherren einschließlich des Propstes und drei Kaplänen für die drei 1178 erstmals erwähnten inkorporierten Pfarrkirchen St. Martin, St. Peter und St. Walburg. St. Martin war anfänglich möglicherweise Eigenkirche eines Herrenhofes und besaß Filialen in Gundelfingen, Denzlingen, Nieder- und Oberwinden. Zwischen 1178 und 1282 war St. Martin auch Mutterkirche des Waldkircher St. Nikolaus Spitals. Als St. Margarethen in ein Chorherrenstift umgewandelt wurde, waren alle drei Pfarrkirchen inkorporiert worden. Der erste Stiftspropst Ladislaus Blassenberg war zuvor Pfarrer von St. Martin (1404-1431). Die Bibliothek des Stifts ging in der Säkularisation unter. Baggati als Bibliothekar der Universität Freiburg übernahm 1807 drei Bücherkisten, wovon zwei Werke (221 und 355 ) mit der Provenienz aus St. Margarethen erhalten sind. Ein aus dem Besitz des ersten Propstes stammendes Psalter (um 1200) mit Miniaturen höfisch-byzantinischer Herkunft (Brev. 125) befindet sich heute in der Württembergischen Landesbibliothek. Der barocke Stiftsbezirk zeichnet sich heute noch deutlich im Stadtbild ab. St. Margarethen war wohl einst ein romanischer Kirchenbau mit Seitenschiffen für acht Nebenaltäre. An der Westseite befand sich um 1500 ein separater Glockenturm, in dem zeitweise das Stiftsarchiv untergebracht war. 1536 wurde neben der Kirche ein Beinhaus errichtet. Der alte Kirchenbau wurde unter Propst Franz Joseph Egermayer abgetragen und 1732 nach dem Vorarlberger Münsterschema durch Peter Thumb neu erbaut. Die Patronin St. Margarethe an der Fassade stammt, wie die meisten Vollplastiken, aus der Werkstatt des Johann Christian Wentzinger, die Ausmalung der Kirche mit dem Margarethenzyklus von Franz Bernhard Altenburger aus Werberg/Tirol. Weitere Altarpatrozinien waren St. Petrus, St. Martin, St. Walburga und St. Elisabeth. Ein nennenswerter Kirchenschatz ist nicht erhalten. Die älteste Glocke stammt aus dem Jahr 1517, wurde vom Propst und Reichsvizekanzler Balthasar Merklin gestiftet und von Jörg Gundheim aus Straßburg gegossen. Die erste Äbtissin des Benediktinerinnenklosters, Gisela, soll in einem Schrein hinter dem Jungfrauenaltar beigesetzt sein, die Grafen von Tübingen sind vor dem Tabernakel, Propst Matthäus Zimmermann ist beim Altar und Probst Adrian Manz 1582 beim heiligen Grab bestattet. Im Chor befanden sich Grabplatten der meisten Chorherren, wie z. B. die des Conrad Arnold, Ladislaus Blassenberg, Johann von Krozingen, Andreas Stürtzel und andere. Die um 1748 eingerichtete Gruft birgt unter der Orgelempore 15 Bestattungen von Chorherren ohne namentliche Zuweisungen. Eine Galerie der Stiftspröpste befindet sich im heutigen Waldkircher Stadtmuseum im ehemaligen Propsteigebäude.
Autor: DIETER SPECK
Objekttyp: Kloster
Ordensregel:
  • Benediktinerinnen 912/18-1431
  • Chorherren, weltliche 1431-1806
Sonstiges: Bistum: Konstanz, ab 1821 Freiburg
Weiter im Partnersystem: http://www.kloester-bw.de/?nr=791

Adresse Kirchplatz 09, Waldkirch

Literatur:
  • Der Landkreis Emmendingen. Hg. v. der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Emmendingen (Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg). 2 Bde. Stuttgart 1999/2001. II/2, 832-834.Die Kunstdenkmäler der Amtsbezirke Breisach, Emmendingen, Ettenheim, Freiburg (Land), Neustadt, Staufen und Waldkirch (Kreis Freiburg Land). Bearb. v. F. X. Kraus (Die Kunstdenkmäler des Großherzogthums Baden Bd. VI/1). Tübingen 1904. 512-514.L. WERKMANN: Beiträge zur Geschichte des Frauenstifts Waldkirch. In: Freiburger Diözesan-Archiv 3 (1868) 124-163.J. BADER: Das Thal Simonswald unter dem S. Margarethestifte zu Waldkirch. In: Freiburger Diözesan-Archiv 7 (1873) 1-80.K. H. Freiherr ROTH VON SCHRECKENSTEIN: Beiträge zur Geschichte des Stifts und der Stadt Waldkirch. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins und seiner Umgebung, 1 (1850) - 39 (1885). NF 1 (1886) ff. 36 (1883) 212-240, 286-321, 433-460.A. MÜNZER: Waldkircher Pröpste. In: Schau-ins-Land 33 (1906) 57-76.M. WETZEL: Waldkirch im Elztal. Stift, Stadt und Amtsbezirk. 2 Bde. Waldkirch 1912-1923.H. RAMBACH: Die Stiftskirche St. Margaretha in Waldkirch. Waldkirch 1959.DERS.: Waldkirch und das Elztal: Geschichte in Daten, Bildern und Dokumenten, 2 Bände, Waldkirch 1989-1991.E. MITTLER: Die Universitätsbibliothek Freiburg i. Br. 1795-1823. Personal, Verwaltung, Übernahme der säkularisierten Bibliotheken (Beiträge zur Freiburger Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 35). Freiburg 1971, insbes. 107-108.
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)