Johanniterkommende Dätzingen 

Ortsbezüge:
Baujahr/Gründung: 1263 [1263]
Zerstörung/Aufhebung: 1805 [1805/06]
Beschreibung: Grundlage der örtlichen Johanniterkommende war die Schenkung des gräflich fürstenbergischen Ministerialen, Ritter Ulrich von Dätzingen von 1263. Einen Teil des Zehnten erwarb der Johanniterorden im Jahre 1277 von Konrad von Waldeck. Der Kauf von Gütern des Friedrich von Dätzingen und des hirsauischen Anteils im Jahr 1281 sowie der Erwerb der Vogtei 1282 vom Grafen Konrad von Vaihingen rundeten die Arrondierung von Besitz und Rechten des Ritterordens in Dätzingen ab. Die Hochgerichtsbarkeit gelangte erst 1738 von Württemberg an den Johanniterorden. Die Geschichte der ursprünglich selbständigen Johanniterniederlassung in Dätzingen ist seit dem 15. Jh. eng mit der Kommende Rohrdorf verknüpft. Die beiden Ordenshäuser wurden zunächst wohl in Personalunion geleitet, wobei Dätzingen auf Grund seiner schwachen wirtschaftlichen Basis während der Amtszeit des Komturs Georg Bombast von Hohenheim (1450-1496) als Membrum (Filialhaus) der Rohrdorfer Kommende angegliedert wurde. Zwei Visitationsberichte des deutschen Johanniter-Großpriorats von 1495 und 1541 belegen die rückgehenden Einkünfte des Dätzinger Hauses. Nicht zuletzt wegen der konfessionellen Streitigkeiten in Rohrdorf, verlegten um 1600 die Komture ihre Residenz nach Dätzingen. Die Reformation ging auch an Dätzingen nicht spurlos vorüber. Evangelische Pfarrer sind für die Jahre 1553 bis 1579 belegt, bis Komtur Karl Reuss von Reussenstein mit der Einsetzung eines Priesters den evangelischen Gottesdienst unterband. Bittschriften der protestantischen Einwohner, von Württemberg unterstützt, blieben ohne Erfolg (1586/88). Nach dem Ende des 30-jährigen Kriegs setzte eine verstärkte Rekatholisierung ein, wobei die Johanniter durch die Kapuziner aus Weil der Stadt, die auch bis 1784 die Ortspfarrei versahen, unterstützt wurden. Letzter Regent der Kommende Rohrdorf-Dätzingen und zugleich eine bedeutende Persönlichkeit für Dätzingens Dorfentwicklung war Freiherr Johann Baptist Anton von Flachslanden. Er ließ das Ordensschloss gründlich renovieren, legte Gärten und Springbrunnen an und setzte sich intensiv für die Verbesserung der Armenfürsorge und des Schulwesens ein. 1787 verschaffte Komtur von Flachslanden der Gemeinde das Marktrecht. Ab 1781 war er zusätzlich maßgeblich am Aufbau des bayrischen Großpriorats des Johanniterordens beteiligt. Das Ende der Johanniterkommende in Dätzingen wurde durch den Preßburger Frieden 1805 besiegelt, sämtliche Besitzungen fielen an Württemberg. Komtur von Flachslanden hatte immerhin noch bis 1809 Wohnrecht in Dätzingen, ehe 1810 König Friedrich das Schlossgut dem späteren Grafen von Dillen schenkte. Die spätgotische Schlosskirche wurde 1810 abgebrochen. Das heute noch erhaltene Johanniterschloss ist vermutlich aus dem mittelalterlichen Bruderhaus bei der Kirche hervorgegangen und wurde 1607 zu einer geschlossenen Vierflügelanlage ausgebaut. Den sehenswerten Rittersaal ließ Komtur von Flachslanden um 1780 im Rokokostil ausgestalten. Neben dem Porträt des Komturs sind an den Wänden zehn Ölbilder mit Ansichten von Malta und Seeschlachtszenen aus der Geschichte des Ritterordens angebracht. Das Treppenhaus im Westflügel und der klassizistische Säulenvorbau aus dem Jahre 1812 gehen auf Pläne von Nikolaus Friedrich von Thouret zurück. Das Schloss wurde 1961 von der Gemeinde Dätzingen erworben und in der Folgezeit renoviert. Heute ist es Kulturzentrum und Museum und beherbergt Kunst- und Antiquitätenhändler. Von den ehemaligen Wirtschaftsgebäuden der Kommende ist neben dem sog. Waschhaus die Zehntscheuer erhalten. Der Dorfbrunnen vor der Schlossmauer ist mit Wappen und Inschrift des letzten Dätzinger Komturs Johann von Flachslanden versehen.
Autor: MICHAEL BING
Objekttyp: Kloster
Ordensregel:
  • Johanniter 1263-1805
Sonstiges: Bistum: Speyer, ab 1821 Rottenburg-Stuttgart,
fiel an: Württemberg (1805)
Weiter im Partnersystem: http://www.kloester-bw.de/?nr=881

Adresse Schloßstraße 01, 71120 Grafenau

Literatur:
  • M. Erzberger: Die Säkularisation in Württemberg von 1802 bis 1810. Ihr Verlauf und ihre Nachwirkungen. Stuttgart 1902, ND Aalen 1974. 280f.W. Zimmermann / N. Priesching (Hg.): Württembergisches Klosterbuch. Klöster, Stifte und Ordensgemeinschaften von den Anfängen bis in die Gegenwart. Stuttgart 2003. 209f (M. Bing).G. BOSSERT: Dätzingen evangelisch. In: Blätter für württembergische Kirchengeschichte, 1 (1886) - 10 (1895), NF 1 (1897) ff. 10 (1895) 39f.H. E. WALTER: Das Schloß Dätzingen (Walter-Schloßführer 117). Grafenau 1975.Heimatbuch der Gemeinde Grafenau. Grafenau 1988.W. G. RÖDEL: Die Johanniterkommende Rohrdorf-Dätzingen. In: Der Johanniterorden in Baden-Württemberg 79 (1989) 5-12.
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