Franziskanerkloster Überlingen 

Ortsbezüge:
Baujahr/Gründung: 1259 [vor 1259]
Zerstörung/Aufhebung: 1808 [1808]
Beschreibung: Als 1259 die Schwestern auf der Wiese eine Schenkung erhielten, wurden sie vom Guardian zu Überlingen vertreten. Es ist die erste urkundliche Erwähnung des Franziskanerklosters Überlingen, aber schon um 1240 könnten Franziskaner nach Überlingen gekommen sein. Ab 1277 wurden sie immer wieder mit Schenkungen bedacht. Als Elisabeth von Königsegg den Mendikanten eine Hofstatt überließ, konnte mit dem Bau eines Konventgebäudes und einer Kirche an der nördlichen Stadtmauer neben dem später Franziskanertor genannten Stadttor begonnen werden. Die Kirche wurde der unbefleckten Empfängnis Mariens geweiht. Die Zahl der Patres betrug meist zwischen zehn und fünfzehn. Der Vorsteher eines Franziskanerklosters, der Guardian, wurde jeweils auf drei Jahre vom Provinzial im Benehmen mit seinem Rat bestimmt. Überlingen gehörte zur Oberdeutschen Provinz und innerhalb ihrer wieder zur Kustodie am Bodensee. Nicht selten, insbes. im 16. und frühen 17. Jh. residierten Provinziale oder Kustoden im Überlinger Kloster und versammelte sich hier das Provinzkapitel. In den Streitigkeiten um die Ordensreform im Spätmittelalter verblieb der Überlinger Konvent bei den Konventualen oder Minoriten mit schwarzem Habit. Die Franziskaner erwarben im Laufe des 14. Jhs. verschiedene pfarrliche Rechte, sie durften Beichte hören, predigen und Beerdigungen vornehmen. Die Predigten des Überlinger Lesmeister jeden Sonntag nach dem Mittagessen, in der Fastenzeit täglich, fanden großen Zulauf. Begehrt war auch das Begräbnis in der Kirche oder auf dem Friedhof der Franziskaner. Die Gebühren dafür stellten eine wesentliche Einnahmequelle des Klosters dar. Die Dienstknechte des Schneiderhandwerks ließen sich 1395 eine gemeinsame Grablege in der Kirche zusichern. Später wählte auch die Schneiderzunft hier ihr Begräbnis. Die Sebastiansbruderschaft der Armbrustschützen und die Bäckerbruderschaft hatten eigene Altäre in der Kirche. Die begüterten Bürger, die sich in Kirche oder Klosterfriedhof begraben ließen, stifteten meist "ewige" Jahrtagsmessen, für die sie Feudalabgaben dem Kloster schenkten. So sammelte sich im Lauf der Zeit ein Fundus an agrarischen Einkommen von zehn Höfen, Zehnten, Frucht-, Wein- und Geldgülten an, obwohl Franziskus seinem Orden eigentlich jedes Eigentum untersagt hatte. Man löste das Problem dadurch, dass die Mendikanten nur die Nutznießung hatten und städtische Pfleger die Verwaltung übernahmen. Konflikte darüber blieben nicht aus. Einen größeren Teil des Lebensunterhalts brachten die Bettelreisen im Umland ein, das sog. Terminieren. Für diese Terminreisen seiner Brüder richtete das Kloster feste Herbergen in Ebringen, Meersburg, Mengen, Pfullendorf, Riedlingen, Saulgau, Schönenberg, Sigmaringen und Stockach ein. Das Kloster war fest in das städtische Leben integriert. Im Refektorium und im 18. Jh. im Kongregationssaal fanden die Wahlen von Bürgermeister, Stadtamann, den Richtern und eines Teils der Räte statt. Zu vielen Anlässen hatte der Konvent zu Trunk und Gastmählern einzuladen. Im 16. Jh. geriet das Kloster in eine Krise. 1525 erregte der Lesmeister Anstoß mit lutherischen Predigten. Der Rat, der eine konsequent antireformatorische Politik vertrat, wies den Lesmeister aus der Stadt und setzte zunächst einen Weltgeistlichen als Prediger in der Klosterkirche ein. Als der Lesmeister 1555 zu oft unterwegs war und die Predigt dann nicht halten konnte, berief der Rat bis 1565 wiederum zwei Weltgeistliche als Prediger. Die Einkünfte gingen rapide zurück, da das Terminieren und die Herbergen aufgegeben werden mussten und der Rat nach Anlegung eines neuen städtischen Friedhofes 1532 vor der Stadt die Beerdigungen bei den Franziskanern untersagte. 1582 bewilligte der Rat zwar wieder Begräbnisse in und bei der Kirche, setzte dafür aber hohe Taxen fest. Die Disziplin litt im Konvent. 1611 kritisierte der Rat "das ain ieder thuott, was im geliebt". Im frühen 17. Jh. bemühten sich die Ordensorgane um eine Reform. Im 30-jährigen Krieg hatten die Franziskaner noch die Seelsorge in den Pfarreien Andelshofen und Lippertsreute übernommen und sogar noch 1640 eine Renovierung der Kirche in Angriff genommen. Aber 1643 wurde der Guardian wegen seiner Wirtschaftsführung abgesetzt, 1647 mussten die Pfarreien aufgegeben werden und am Ende des Krieges befanden sich nur noch vier Patres im Kloster. Bei der Bevölkerung der Stadt waren mittlerweile die Kapuziner beliebter. 1653 kündigte der Rat dem Provinzial an, das Franziskanerkloster aufzuheben und es den Jesuiten für die Einrichtung eines Gymnasiums zu übergeben. Daraufhin boten die Franziskaner an, ihrerseits das Gymnasium zu übernehmen und verpflichteten sich 1658 vertraglich dazu. Ab 1675 wurde ein volles philosophisches Studium angeboten. Höhere Klassen und Studium wurden später wieder eingestellt, aber ab 1742-1796 und 1802-1808 konnten wieder alle Gymnasialklassen und das philosophische Studium absolviert werden. Die Kosten dieser Bildungseinrichtung trug die Stadt. Zunächst erfolgte der Unterricht im städtischen Schulhaus beim Münster, 1712 errichteten die Franziskaner auf ihrem Klostergelände ein neues Schulhaus. Die wirtschaftliche Lage verbesserte sich seit dem 17. Jh. wieder u. a. durch die Leistungen der Stadt für die Schule. Im 17. Jh. nahmen die Brüder auch das Terminieren mit drei jährlichen Sammlungen in einem großen Bezirk bis zur Donau wieder auf, bis Österreich 1782 das Sammeln in seinem Gebiet verbot. Neue Bruderschaften stärkten die Bindung der Bürgerschaft, seit 1604 eine Gürtelbruderschaft, 1680 eine Antoniusbruderschaft und 1736 eine Kreuzbruderschaft. Der Zustand der Gebäude erforderte 1700-1709 einen Neubau der Konventsgebäude. 1752 begann die Barockisierung der Klosterkirche, die gegen 1766 abgeschlossen wurde 1802 fiel das Franziskanerkloster ebenso wie die anderen Klöster in Überlingen an den Deutschen Orden. Der Aufhebungskommissar taxierte das Vermögen des Klosters auf ca. 65.000 Gulden und das jährliche Einkommen auf 2.665 Gulden. Es befanden sich vier Laienbrüder und zwölf Patres im Kloster, von denen sieben als Professoren lehrten. Ende 1805 fiel das Kloster Baden zu, das es 1808 aufhob. 1817 erwarb die Stadt im Tausch gegen eigene Gebäude die Klostergebäude vom Staat und nutzte den Bau als Schulhaus. 1857 kaufte der Überlinger Spital die 1846 wieder an den Staat abgetretenen Gebäude und brachte hier nach dem Abbruch der Spitalbauten am See die Alten, Armen und Kranken unter. Heute betreibt die Spitalstiftung in den neu renovierten Bauten ein Alten- und Pflegeheim.
Autor: ELMAR L. KUHN
Objekttyp: Kloster
Ordensregel:
  • Franziskaner vor 1259-1808
Sonstiges: Bistum: Konstanz, ab 1821 Freiburg,
fiel an: Deutschen Orden (1803), Baden (1808)
Weiter im Partnersystem: http://www.kloester-bw.de/?nr=944

Adresse Überlingen

Literatur:
  • B. STENGELE: Linzgovia Sacra. Überlingen 1887, 62-71.Alemania Franciscana Antiqua. Ehemalige franziskanische Männer- und Frauenklöster im Bereich der Oberdeutschen oder Straßburger Franziskaner-Provinz mit Ausnahme von Bayern, hg. v. J. Gatz. Ulm 1 (1956) – 19 (1974/76) 14 (1970) 261-273 (S. KECK / G. KOBERG).H. SCHMID: Die Säkularisation der Ordenshäuser in Überlingen in den Jahren 1803-1820. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 94 (1976), 79-82.W. ENDERLE: Konfessionsbildung und Ratsregiment in der katholischen Reichsstadt Überlingen (1500-1618). Stuttgart 1990, 289-293.
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