Ortslage und Siedlung (bis 1970): | Der Ortsname Aistaig ist, wenn man die älteste Form »Aichestaig« zugrunde legt, wohl als Zusammensetzung aus Eiche und Steige zu deuten. Einen Hinweis auf die Siedlungsepoche gibt dieser Name nicht. Die Ersterwähnung Aistaigs im 8. Jahrhundert lässt aber auf eine frühe Gründung schließen. Als älteste Spuren menschlicher Besiedlung dürften zwei hallstattzeitliche Gräber im »Herrenwald« gelten, die heute allerdings nicht mehr sichtbar sind. Vom Einfluss der Römer zeugen Funde von kaiserzeitlichen Münzen auf dem Friedhof und an der Lautenbachhalde. Südlich der Kirche und am Stausee im Denkenbachtal ließen sich mehrere alemannische Reihengräber mit typischen Waffenbeigaben identifizieren, auf einen fränkischen Adelssitz schließlich könnte der an der westlichen Markungsgrenze gelegene »Herrenhof« und »Herrenwald« hindeuten. Der Ortskern liegt seit alters auf der linken Neckarseite am Surrenbach – noch in den 1730er Jahren standen im Dorf lediglich 23 Häuser mit Scheune, vier freistehende Häuser und eine separate Scheune, die meisten alt, klein und strohgedeckt. Die Aistaiger Gemarkung umfasst etwa 450 Hektar und erstreckt sich auf beiden Seiten des Neckars vom Talgrund bis zum Trauf, im Süden begrenzt vom Lautenbach, im Norden vom Denkenhauser Tal. Die Feldflur war dreigeteilt – in Tal- und Halbhöhenlagen Richtung Oberndorf verlief die Zelg »gegen Brandhalden hinauß«, gegen Sulz hieß sie »uff dem Hebsackh« und auf der rechten Neckarseite »hindern Heusern«. Siedlungserweiterung mit Gewerbegebiet in einem Unken Seitental des Neckars. Weiteres Gewerbegebiet am Neckar. |
Historische Namensformen: | - in Aichesteiger marca 0772 [772 (Корialüberlieferung 12. Jahrhundert)]
- Egesteige 1099
- Aichestaig
- Steiga
- Aiystaig
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Geschichte: | Aistaig verdankt seine sehr frühe erste Erwähnung einem Eintrag im Lorscher Codex. Bereits 772 vermachte ein nicht näher bezeichneter Ritter »Langerus« dem Kloster Lorsch seinen gesamten Besitz in »Aichestaiger marca«. Die entlegenen Güter am oberen Neckar entzogen sich jedoch offenbar einer nachhaltigen Nutzung durch das fränkische Reichskloster, und so ging »Steiga« zusammen mit anderen Orten der Rottweiler Gegend im Jahr 902 im Tausch ans Kloster St. Gallen über. Später fiel Aistaig an die Schenken von St. Gallen, die Herzöge von Teck. Diese wiederum mussten Dorf und Burg Aistaig zu Beginn des 14. Jahrhunderts verpfänden und schließlich 1317 (?) an Graf Eberhard von Württemberg verkaufen. In den Folgejahren war Aistaig zeitweise im Pfandbesitz der Grafen von Fürstenberg – die württembergische Oberherrschaft und Gerichtsbarkeit blieb davon allerdings unberührt. Neben Württemberg hatte das Kloster Wittichen (1409) einigen Besitz in Aistaig, unter anderem drei Wiesen im Lautenbachtal. Daneben hatten im 15. Jahrhundert die Heiligenpflege Weiden und mehrere Bürger der Nachbarorte Grundbesitz und Vermögen in Aistaig. Im Jahr 1610 war neben Württemberg noch das Kloster Wittichen (7 Morgen Wiesen) und die Siechenpflege Oberndorf (1/2 Morgen Wiesen) begütert. 1558 ging der Aistaiger Zehnte fast vollständig an die eigene Pfarrei, lediglich der so genannte Denkenhauser Bezirk stand Oberndorf zu. Einige Wiesen im Lautenbachtal waren zehntfrei, dafür bezog der Aistaiger Pfarrer aber noch den Zehnten einiger Äcker und Wiesen auf Sulzer Markung. Zur selbstständigen Bewirtschaftung standen dem Pfarrer 9 Jauchert Gärten, Wiesen und Äcker und 6 Jauchert Wald zur Verfügung. Für den Krautzehnt hatten die Aistaiger eine Sonderregelung getroffen: Weil an Gemüse »wenig zu Aiystaig wächßt«, hatte man dem Pfarrer bereits 1558 »ein theil Krauttland« abgetreten. Das musste auch Herzog Eberhard Ludwig respektieren, als er im Jahr 1717 den Kleinzehnt einfordern wollte: Er konnte ihn lediglich für jene Flächen durchsetzen, die seit Mitte des 16. Jahrhunderts neu gerodet worden waren. Ob es einen Aistaiger Ortsadel gegeben hat, ist fraglich. Zwar tritt bei der Gründung des Klosters Alpirsbach im Jahr 1099 ein »Guntramnus de Egesteige« auf. Dieser Name muss aber wohl als »von Ecksteig« gelesen werden und könnte dann eher auf die Herren von Neckarhausen als auf ein Aistaiger Adelsgeschlecht verweisen. Noch weniger lassen sich die Brüder »Eberhardt und Burkhart von Aichstaig«, die im Jahr 1113 eine Schenkung der Zähringer ans Kloster St. Peter bezeugen, in Aistaig verorten. Die Burg, die heutige Ruine Bogeneck auf dem gleichnamigen Bergsporn rechts des Neckars, gibt ebenfalls keine Hinweise auf ihre Erbauer. Vermutlich wurde sie aber erst im 13. Jahrhundert angelegt, also unter den Herzögen von Teck. Sie stand nicht in direkter Verbindung mit dem Dorf, sondern hatte einen eigenen Maierhof: »Tengenhusen« im Denkenhauser Tal. Noch unter den Herzögen von Teck muss die Burg allerdings ihre Bedeutung eingebüßt haben, denn bereits 1524 wird nur noch eine »alte Burg« in der Nähe von Aistaig erwähnt. Einer vagen Überlieferung zufolge soll sie bei einem großen Erdbeben im Jahr 1348 zerstört worden sein. Die im 18. Jahrhundert noch recht stattlichen Reste mit bis zu 10 Meter hohen Mauern wurden vor allem für die Erweiterung der Aistaiger Kirche in den Jahren 1764–68 weiter abgetragen. Auch Raubgrabungen setzten der Ruine zu. Das Dorf gehörte zum altwürttembergischen Amt Rosenfeld bzw. Oberamt Rosenfeld, 1808 Oberamt Sulz, 1938 Landkreis Rottweil. Von 1939 bis 1950 gehörte Aistaig zu Oberndorf am Neckar. |
Wirtschaft und Bevölkerung: | 1470 gab es nur acht ortsansässige Steuerzahler in Aistaig. Ihr Vermögen belief sich auf insgesamt 275 Gulden; allein der Maierei-Pächter und der an dieser Stelle erstmals erwähnte Schultheiß besaßen zusammen über die Hälfte des Vermögens. Dieses Ungleichgewicht zeichnet sich auch in der Türkensteuerliste von 1544/45 ab. Die 13 Steuerzahler in Aistaig konnten mit einem durchschnittlichen Vermögen von 213 Gulden zwar als die wohlhabendsten im Amt Rosenfeld gelten – mehr als ein Drittel des Gesamtvermögens hielt jedoch ein einziger Steuerzahler in der höchsten Klasse. Ein tiefer Einschnitt war der 30jährige Krieg. Die Einwohnerzahl sank um etwa ein Drittel, die Waldfläche halbierte sich, und ein Viertel des Ackerlandes fiel öd. Gleichzeitig waren Gemeinde und Bürger mit 3900 Gulden verschuldet. Zum Wiederaufbau trug – wie vielerorts am oberen Neckar – auch in Aistaig der Zuzug von Schweizern bei. Die enge Tallage und das unwegsame Gelände hemmten bis ins 19. Jahrhundert die wirtschaftliche Entwicklung Aistaigs. Auf den zum großen Teil gerodeten Steilhängen des Neckartals war der Ackerbau mühsam. Manche Felder waren so unzugänglich, dass sie nur mit der Hacke bearbeitet werden konnten – sie waren dafür allerdings auch von der Steuer ausgenommen. Neben dem Ackerbau boten der Fischfang im Neckar und der Holzeinschlag gewisse Erwerbsmöglichkeiten. Von überörtlicher Bedeutung war die Aistaiger Mühle am Surrenbach. Im Jahr 1690 ging sie für die stattliche Summe von 2250 Gulden aus herzoglichem Besitz an den damaligen Bestandsmüller über. Zum Mühlengut gehörten außer der viergängigen Hauptmühle und einigen Wiesen eine weitere kleine Mühle am oberen Surrenbach und der Platz einer ehemaligen Sägemühle, die bereits im Gefolge des 30jährigen Krieges aufgegeben worden war. Die zehn »Müller-Esel«, die damals zusammen mit der Mühle den Besitzer wechselten, waren ein Zugeständnis an die steilen, kaum befahrbaren Steigen. Noch bis weit ins 18. Jahrhundert hatte der Aistaiger Müller keinen Wagen, sondern bediente seine Kundschaft in Weiden, Hochmössingen und Boll mit Lasttieren. Kurz zuvor, 1682, hatten die Württemberger bereits ihren Maierhof verkauft (40 Jauchert Ackerland, 18 Jauchert Wiesen und 33 Jauchert Wald). Die sechs Aistaiger Erblehenhöfe – zwischen 11 und 99 Jauchert groß – verfügten 1556 über insgesamt 93 Mannsmahd Wiesen, 118 Jauchert Äcker und 97 Jauchert Wald. Auch Neuland, das nicht zu den Erblehen gehörte, war mit einer Abgabe an den Landesherrn belegt. Auf dem Neckar wurde Brennholz geflößt, die insgesamt fünf Fischwasser auf Aistaiger Markung waren verpachtet. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts betrug die Wirtschaftsfläche insgesamt 1038 Morgen (158 Morgen Äcker, 169 Morgen Wiesen und Gärten, 254 Morgen Wald und 458 Morgen Allmende). Nach der Allmende befand sich der größte Teil, 356 Morgen, in Lehensbesitz; nur 147 Morgen waren Eigen. Außer dem Müller gab es einen Schildwirt mit einem Vermögen von 80 Gulden, einen Gassenwirt (20 Gulden), einen Schmied (40 Gulden), einen Schuhmacher (75 Gulden), einen Schneider (45 Gulden), einen Bäcker (50 Gulden), einen Metzger (20 Gulden) und fünf Weber (je 40 Gulden) – insgesamt 32 Bürger und einen Beisitzer. Bedingt durch die naturräumliche Ungunst kam es bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu vereinzelten Abwanderungen, vor allem in die Gegend von Danzig. |