Deißlingen - Altgemeinde~Teilort 

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Typauswahl: Ortsteil – Historisches Ortslexikon
Typ: Teilort
Ersterwähnung: 0802

Ortslage und Siedlung
(bis 1970):
Die Gemarkung umfasst 2417 Hektar Fläche, auf der sich neben dem eigentlichen Ort weitere Siedlungsplätze befinden, die aber nicht alte Weiler darstellen, sondern jüngere Aussiedlerplätze (Hinterhölzerhöfe). Auf der Gemarkung lässt sich Siedlungskontinuität seit dem Neolithikum nachweisen. Die Römerstraße von Hüfingen nach Rottweil führt quer durch die Deißlinger Flur. Archäologisch gut erforscht ist das alemannische Gräberfeld Hockenbühl, das eine Belegung vom 5. bis zum 7. Jahrhundert aufweist. Die dazugehörige Siedlung ist noch nicht ermittelt. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass das merowingerzeitliche Deißlingen eher im Bereich der früheren Aubertkapelle um den sogenannten Kirchberg zu suchen ist als in Neckarnähe. Spätestens seit dem Hochmittelalter ist allerdings mit einer Konzentration des Dorfkerns auf den Bereich um die Pfarrkirche St. Laurentius und den Kelhof (heutiges Rathaus) zu rechnen. Schon im Mittelalter sind drei Mühlen in Deißlingen belegt. Die besondere Topografie des jungen Neckars in diesem Bereich mit ihren Inseln und charakteristischen Windungen war vermutlich ausschlaggebend für die Ansiedlung von Gewerbe und herrschaftlichem Zentrum. Zu 1385 ist bereits die reichenauische Taverne belegt. Im späten Mittelalter muss mit rund 50 bäuerlichen Einheiten gerechnet werden. Die 28 Huben spielten auch in der Frühen Neuzeit eine zentrale Rolle als Wirtschaftseinheiten der Großbauern. Im 30jährigen Krieg sollen 29 Häuser, das Pfarrhaus, der Kelhof und die Mühlen ein Opfer der Zerstörung gewesen sein. Einzelne stattliche, ins 17. und 18. Jahrhundert zu datierende Häuser künden bis heute von der wirtschaftlichen Bedeutung dieser großbäuerlichen Anwesen. Auf der linken Talseite schließt sich an den oval angelegten Ortskern Deißlingens nach Südwesten ein gitterförmiges Straßenmuster an. Auf der rechten Talseite ebenfalls geschlossene Bebauung. Gewerbegebiet entlang der Bahnlinie. Neues Gewerbegebiet »Breite« am Südrand, ein weiteres neues Gewerbe- und Industriegebiet im Gewann »Mittelhardt« an der Kreuzung der В 27 mit der Autobahn. Schematisierte Siedlungserweiterung nach Südwesten und Nordwesten.
Historische Namensformen:
  • Tuselinga 0802
  • Tveselingen 1245
  • Tusilinga
Geschichte: Die »villa Tusilinga« diente Graf Berthold im Jahr 802 als Ausstellungsort einer Urkunde. Aus der Hand der Bertholde oder Alaholfinger gelangte der Ort Mitte des 10. Jahrhunderts an die Abtei Reichenau. Sie blieb bis 1803 Oberlehensherr. Das Kloster verfügte über die Rechtstitel der Vogtei und des Maieramts, ferner über den Kelhof und die diesem zugeordneten 28 Huben. Während diese Huben 1344 an das Kloster Rottenmünster verkauft wurden, blieben Vogtei und Maieramt an nachrangige Herrschaftsträger verliehen. Es scheint so, als sei die Vogtei ursprünglich von den Zähringern ausgeübt worden, denn im 14. Jahrhundert lag sie in der Hand ihrer Rechtsnachfolger, der Grafen von Fürstenberg, die ferner über einen großen Wald und anderen Grundbesitz im Ort verfügten. Bis ins 14. Jahrhundert lassen sich auch die Herren von Lupfen als Grundherren über acht Höfe und eine Mühle fassen. Vom Ende des 13. Jahrhunderts bis 1802 verfügte das Zisterzienserkloster Salem über vier Höfe am Ort. Die bedeutendste Grundherrschaft besaß zweifellos das Salem unterstellte Frauenkloster Rottenmünster, das von 1344 bis 1802 über die 28 ursprünglich reichenauischen Huben verfügte. Die Vogtei, bis um 1360 ungeteilt in der Hand der Fürstenberger, wurde aus unbekannten Gründen dreigeteilt und fand sich um 1400 in der Hand der Herren von Sinkingen, der Familie Münzer von Sinkingen und der Herren von Ow, die ihre Rechte in Deißlingen 1429 wieder aufgaben. Die Herrschaft der Grafen von Zollern, die von 1405 bis 1407 aus dem fürstenbergischen Erbe Rechte in Deißlingen ausübten, blieb Episode. Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts gelang es der Reichsstadt Rottweil beziehungsweise der dortigen Heiligkreuzbruderschaft nach und nach die drei Teile der Vogtei an sich zu bringen, so dass seit 1407/29 die nahegelegene Reichsstadt wichtigster Herrschaftsräger in Deißlingen war. Das Dorf bildete bis 1802 zusammen mit den Orten Mühlhausen, Dauchingen und Weilersbach das so genannte Bruderschaftsamt. Die Bruderschaft verfügte nicht über den reichenauischen Kelhof mit seinen insgesamt 837 Jauchert Land. Dieser, seit 1283 belegt, war vielmehr zunächst der großbäuerlichen Familie Keller verliehen, ging um 1400 an die aus Haigerloch zugezogene Familie Bill über und wechselte nach 1457 in die Hände verschiedener Rottweiler Patriziergeschlechter, bis 1503 mit den Moeck eine Familie aufzog, die, mit dem Rittergut Balgheim belehnt, in Deißlingen so etwas wie den Ortsadel repräsentierte. Der Kelhof wurde unter den Moeck zu einem schlossartigen Gebäude ausgebaut. Nach dem Aussterben der Moeck von Balgheim gelangte der Deißlinger Kelhof 1676 erbweise an die Barone von und zu der Schleiß, die den Kelhof 1791 an Rottweil veräußerten. Ein wichtiger Rechtstitel des Klosters Reichenau war das Maieramt, wobei die Abgrenzung seiner Befugnisse gegenüber der Vogtei nicht völlig klar ist. Das Maieramt lag vielleicht schon im 13. Jahrhundert bei der in den Adel aufgestiegenen Familie Maier von Trossingen, die bis 1451 auch in Deißlingen begütert war und hier die Burgen Hürnbach (Allod) und Neckarstein (reichenauisches Lehen) besaß. Das Deißlinger Maieramt verliehen die Maier von Trossingen seit dem späten 14. Jahrhundert weiter, z.B. an die Herren von Sinkingen, die bereits einen Teil der Vogtei innehatten. Das Maieramt umfasste, wie ein von 1385 überliefertes Weistum darlegt, die Niedergerichtsbarkeit im Dorf. An Walpurgentag fand das so genannte Hainding statt, ein Jahrgericht, das der Maier oder sein Stellvertreter leitete. Dieses Weistum belegt das Nachwirken der älteren reichenauischen Fronhofverfassung. Gleichzeitig scheint hier erstmals die jüngere Form der Gemeindeverfassung mit den Ämtern des Schultheißen und der Richter auf. In der Zeit um 1400 lässt sich somit in Deißlingen der Übergang von der Villikationsverfassung zur jüngeren Dorfgemeinde beobachten. 1424 wird erstmals ein Vogt genannt, 1452 die Formel »Vogt, Richter und ganze Gemeind«. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts sind fast alle Dorfvögte namentlich belegt. Die Gemeinde hatte, wie in anderen rottweilischen Orten, eine starke politische Funktion gegenüber der Obrigkeit. 1424 erstmals urkundlich belegt, schwelte ein ständiger Konflikt zwischen den 28 Hubern und den jeweiligen Inhabern des Kelhofs um die Fronpflicht. In den Konflikten der rottweilischen Landschaft mit der Herrschaft im 17. und 18. Jahrhundert reihte sich Deißlingen in den heftigen Widerstand der Untertanen ein. Die einflussreiche Rolle der Gemeinde ruhte auf einigen herausragenden Vogtspersönlichkeiten. 1803 kam Deißlingen an Württemberg, Landoberamt Rottweil, 1806/08 Oberamt Rottweil.
Wirtschaft und Bevölkerung: Aufgrund der geschätzten 50 bäuerlichen Einheiten wird man gegen 1500 mit 250 bis 300 Einwohnern rechnen müssen. Die 100 steuerpflichtigen Haushalte im Jahr 1714 lassen auf wenigstens 500 Einwohner schließen. Auffällig ist die enorme Belegfülle für bäuerliche Familiennamen schon im Mittelalter: circa 60 Familiennamen lassen sich nachweisen, von denen die meisten jedoch in der Zeit um 1500 verschwunden sind. Lediglich der Name Emminger ist durchgängig seit 1299 bis heute zu fassen. Schon im Mittelalter deuten sich soziale Abstufungen in den Quellen an. Annähernd quantifizieren lässt sich die soziale Stratigrafie erst in der Frühen Neuzeit, wo es heftige Konflikte zwischen den Vollbauern einerseits und den Taglöhnern andererseits gab. Abgesehen von den schon erwähnten Mühlen, einer Sägemühle (seit Ende 15. Jahrhundert) und einer wachsenden Anzahl von Gastwirtschaften gab es am Ort aufgrund der reichsstädtischen Monopolpolitik kein Handwerk und Gewerbe. Nicht zuletzt hieran entzündeten sich die Konflikte des 17. und 18. Jahrhunderts in der rottweilischen Landschaft.

Ersterwähnung: 1300 [14. Jahrhundert]
Kirche und Schule: Den geistlichen Mittelpunkt bildet die seit dem 14. Jahrhundert nachgewiesene Pfarrkirche St. Laurentius. Das Patrozinium lässt auf eine Wahl des Kirchenpatrons im 10. Jahrhundert schließen. Die Kirche erhielt im Spätmittelalter eine eindrucksvolle spätgotische Gestalt, die bis zum Abbruch 1880 deutlich erkennbar war. Die Pfarrer sind seit 1275 zunächst lückenhaft, seit dem 16. Jahrhundert fast durchgängig belegt. Besondere Formen der Volksfrömmigkeit sind nicht fassbar, wenn man von dem sogenannten Fronkirchlein Unserer Lieben Frau absieht, das, seit dem 16. Jahrhundert belegt, um 1820 aber als Anziehungsort einfacher Volksfrömmigkeit niedergelegt wurde. Dasselbe Schicksal ereilte damals auch die Aubertkapelle, sie wurde zu einer Scheune umgestaltet. Mit der Entstehungsgeschichte der Aubertkapelle verbindet sich eine über den Ort hinaus bekannte Sage und Legende, die von den Brüdern Grimm in ihre Sammlung aufgenommene Aubert-Sage. Ein Graf Aubert von Calw habe, als er, von einer Heiliglandfahrt zurückkehrend, seine Frau mit einem anderen Mann antraf, dieselbe verlassen, sich inkognito als armer Bettler nach Deißlingen begeben und sich hier als Viehhirt verdingt. Erst auf dem Totenbett habe er seine Identität offenbart und angeordnet, über seinem Grab auf dem Kirchberg aus seinem Vermögen eine Kirche zu errichten und dort vorbeikommende Pilger zu verköstigen. Der historische Horizont, in den die Sage gehört, ist ungeklärt. An der Historizität der entsprechenden Stiftung ist nicht zu zweifeln, denn die Aubertkapelle hat im späten Mittelalter tatsächlich existiert und ist um 1270 um eine Franziskanerinnenklause erweitert worden. Das Klösterlein, das nur wenige Tertiarinnen beherbergte, dümpelte bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts kaum lebensfähig vor sich hin und blieb dann verwaist. Seit 1610 ließ die Reichsstadt Rottweil die Kapelle erneuern, und 1630 versuchten die Villinger Franziskaner, denen das Klösterlein inkorporiert war, dieses vergeblich wieder in Schwung zu bringen. 1798 wurden Gebäude und Klostergüter an Rottweil verkauft. Die heutige Grund- und Hauptschule in Deißlingen trägt den Namen Aubert-Schule. Über das örtliche Schulwesen ist wenig zu erfahren. Nur gelegentlich lässt sich Kirchenrechnungen seit 1626 der Name eines Schulmeisters entnehmen. 1883 Kirche St. Laurentius errichtet, katholische Pfarrei. Die evangelische Pfarrei umfaßt Deißlingen, den Ortsteil Lauffen sowie von der Gemeinde Zimmern ob Rottweil den Ortsteil Wildenstein; der Ortsteil Bundesbahnhof Trossingen gehört zur evangelischen Pfarrei Trossingen (Landkreis Tuttlingen). Die evangelische Pauluskirche 1957/58 erbaut.
Patrozinium: St. Laurentius
Ersterwähnung: 1300 [14. Jahrhundert]

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