Raidwangen - Altgemeinde~Teilort 

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Typauswahl: Ortsteil – Historisches Ortslexikon
Typ: Teilort
Ersterwähnung: 1236 [Kopialüberlieferung 15. Jahrhundert]

Ortslage und Siedlung
(bis 1970):
Auf der Raidwanger Gemarkung südwestlich des Ortes sind jungsteinzeitliche Funde belegt. Der Ort selbst ist allerdings eine späte Rodungssiedlung. Ebenfalls südwestlich von Raidwangen lokalisiert die Forschung anhand einer Flurbezeichnung eine abgegangene Siedlung namens Heudorf (Lagerbuch von 1526 »uff Hewdorff«). Urkundliche Hinweise auf die frühere Existenz einer solchen Wüstung fehlen. Die Gemarkungsgröße betrug 1735 knapp 900 Morgen, der Gemeindebesitz war mit 57 Morgen relativ gering, zum überwiegenden Teil bestand er aus Weideflächen. Unterschiedlich werden die Zelgen genannt: »Neckarhalde« und »Weylerbach« (»Weilerberg«), dazu die Zelge »Köller« (»Kohler«), die 1587 auch mit »Salenacker« bezeichnet wird. Den alten Ortskern umgeben neue Wohnsiedlungen im Westen (Ortsrand 1947, »Weinberg-Garten«, Bulzenbrühl 1971), Nordwesten (»Heiligen Äcker/Löhlesäcker« 1961), Süden (»Auchert« 1966) und Südosten (»Bettwiesen« 1964, »Eckertäcker« 1974). Ein Gewerbegebiet ist ebenfalls im Westen ausgewiesen.
Historische Namensformen:
  • Raidenwang 1236 [Kopialüberlieferung 15. Jahrhundert]
  • Raidewanc
Geschichte: »In unserm aigen, daz da haiszet Raidenwang« übergeben die Grafen von Urach 1236 einen Hof in Raidwangen an das Zisterzienserkloster Bebenhausen. Die Urkunde, kopial aus dem 15. Jahrhundert überliefert, stellt damit die Erstnennung für Raidwangen dar. Noch im 13. Jahrhundert erhielten die Württemberger Grafen über das Uracher Erbe die hohe Gerichtsbarkeit und grundherrliche Rechte. Ob diese Übertragung zwischen 1254 und 1265 erfolgte oder erst Ende des 13. Jahrhunderts, ist strittig. Hinweise auf einen Ortsadel fehlen, dementsprechend zersplittert stellen sich die übrigen Besitzverhältnisse dar: Als Inhaber grundherrlicher Rechte treten die Züttelmann von Neckarhausen (1397), die niederadeligen Herren von Habsberg (1422), die Schilling (1426–38), die Herren von Tachenhausen (1431–55) und Kaspar von Schlat (1431) auf. Grundbesitz und Abgaben im Ort hielten auch die Mager von Dettingen. Von Hans dem Truchsess von Magolsheim erwirbt die Familie 1362 dessen Güter in Raidwangen inklusive aller Rechte und Gerechtigkeiten; die Erwerbungen bleiben bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts im Familienbesitz, bis der Edelknecht Folmar Mager von Dettingen 1446 verschiedene Gülten, Äcker und Wiesen an die Frauenkirche in Tachenhausen verkaufte. Wenig später erwarb Tachenhausen 1455 weitere Güter und Gülten in Raidwangen. Als geistliche Grundherren traten hinzu das Esslinger Spital, dem in »Raidewanc« in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein Haus und ein Hof zinste. Noch 1472 erwähnt ein Vergleich zwischen der Grafschaft Württemberg und der Reichsstadt Esslingen Spitalsgüter in »Raidenwang«. Auch die Frauenklöster Offenhausen (1349) und Pfullingen (1397) erhielten Einkünfte aus dem Ort, sowie die Dominikanerinnen in Kirchheim, die 1422 und 1476 Besitz erworben hatten. Umfangreicher ist der Grundbesitz, den die Heilig-Kreuz-Pfründe der Pfarrkirche Nürtingen im Ort hielt, 1587 verzeichnet das Lagerbuch der Geistlichen Verwaltung Nürtingen Abgaben aus einem erblichen Lehen und insgesamt 32 Jauchert Ackerland. Ähnlich umfangreich sind Besitz und Rechte der Elftausend-Jungfrauen-Pfründe in Nürtingen sowie die Abgaben an die Pfarrei Neckarhausen. Der große Zehnt ging anteilig an die Pfarrei Neckarhausen, an die Frühmesse Frickenhausen und an die Elftausend-Jungfrauen-Pfründe in Nürtingen. Auch die Pfarrei Frickenhausen erhielt Abgaben aus den Zelgen Raidwangens. Kleinere Einkünfte bezogen die Sankt-Nikolaus-Pfründe in Nürtingen sowie die Frühmesse Frickenhausen. Die Pfarrei Wolfschlugen bezog 1587 einen ablöslichen Hellerzins aus einer kleinen Wiese in Raidwangen. Für das gleiche Jahr ist ein Zins für das ehemalige Bruderhaus am Betzenberg dokumentiert. Der Herrschaft Württemberg stehen 1485 eine jährliche Steuer, eine Speisung sowie weitere Naturalabgaben zu; 1526 bei der Erneuerung des alten Lagerbuches werden diese Naturalabgaben, die in den Kasten nach Nürtingen gebracht werden müssen, präzisiert. Die Ausbildung kommunaler Strukturen verlief in den üblichen Bahnen. Nur punktuell sind den Quellen Hinweise zur Gemeindeverfassung zu entnehmen, vor allem namentliche Nennungen von Schultheißen (1526) oder Schultheiß und Geschworenen (1565) beziehungsweise Schultheiß und drei Heimbürgen (1587). Ein Rathaus ist spätestens 1735 vorhanden, im gleichen Jahr werden insgesamt 28 Bürger gezählt. Jurisdiktionell gehörte Raidwangen zum Gericht in Nürtingen. Zuständiges Amt war stets Nürtingen.
Wirtschaft und Bevölkerung: Aus den Visitationsakten lässt sich für das 17. Jahrhundert die Bevölkerungsentwicklung ablesen: Knapp achtzig Einwohner lebten zu Beginn des 17. Jahrhunderts im Ort; durch die Folgen des 30-jährigen Krieges fiel Raidwangen fast wüst, denn 1654 leben nur noch 13 Personen im Dorf. 1687 sind es bereits wieder über 100 Einwohner, allerdings steigt die Zahl in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts kaum weiter an und pendelt zwischen 120 und 135 Einwohnern. Erst im letzten Drittel des Jahrhunderts lässt sich ein erneuter Bevölkerungsanstieg konstatieren, 1802 schließlich leben 222 Menschen im Ort. 1735 bot der Ort folgendes Bild: Neben vier steuerpflichtigen Hofstätten gab es zehn Häuser mit Scheune und dazu zehn weitere Häuser. Raidwangen war stark von der Landwirtschaft geprägt, deswegen ist es nicht verwunderlich, dass Weiderechte und Viehtrieb klassische Streitpunkte bildeten, die ihren jurisdiktionellen Niederschlag gefunden haben. Mit dem Nachbarort Neckarhausen gab es in den Jahren zwischen 1394 und 1428 einen intensiven Streit um strittige Weiderechte. Schultheiß und Richter von Neuffen entscheiden schließlich in der Sache. Im Februar 1515 vergleichen die Nürtinger Untergänger die Gemeinden Raidwangen und Großbettlingen in strittigen Fragen von Viehtrieb und Waidgang. Wie das benachbarte Neckarhausen musste Raidwangen sein Getreide in Nürtingen mahlen lassen, 1562 wurde dies noch einmal eigens bekräftigt.

Ersterwähnung: 1909
Kirche und Schule: Raidwangen gehörte zunächst zur Pfarrei Nürtingen, dann zur neu gegründeten Pfarrei Neckarhausen, die auf Betreiben der Herzogin Elisabeth von Württemberg und des Pfarrers Andreas Rimpus 1507 neu eingerichtet wurde. Angaben über die Schulverhältnisse sind spärlich, weil Raidwangen in den Visitationsprotokollen unter Neckarhausen subsumiert wird. 1676 wird darauf hingewiesen, dass von den insgesamt 41 Schulkindern je ein Junge und ein Mädchen aus Raidwangen kommen. Eine eigene Schule, die von einem Hilfslehrer betreut wird, erscheint ab 1736; 27 Kinder besuchen 1745 die Winterschule, die Zahl der Schulkinder steigt bis 1785 auf 40 an, und zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtet die Gemeinde ein neues Schulhaus. 1909/10 erbaute die Gemeinde eine Filialkirche, zur Pfarrei Großbettlingen gehörig. Katholisch zu Frickenhausen.

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