Wolfschlugen - Altgemeinde~Teilort 

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Typauswahl: Ortsteil – Historisches Ortslexikon
Typ: Teilort
Ersterwähnung: 1318

Ortslage und Siedlung
(bis 1970):
Siedlungen der Jungsteinzeit wurden auf den Höhen nördlich und südlich der Gemeinde nachgewiesen. Die bedeutendste Fundstelle der Bandkeramik liegt in der Flur Winkelfeld. Das völlige Fehlen von Funden aus der Bronzezeit spricht gegen eine Siedlungskontinuität auf der heutigen Markung. Ein Grabhügel im Nordwesten des Dorfes wird der Hallstattzeit zugeordnet. Wichtigstes Relikt der Römerzeit ist das sogenannte Waldhauser Schloss an der Markungsgrenze zu Unterensingen. Dieser im 2. Jahrhundert erbaute Gutshof gehört zu den größten im Dekumatland. Wolfschlugen (»wolveslu[o]gun«) wird erstmals 1318 in Zusammenhang mit einer Schenkung an die Pfarrkirche Aich genannt. Der Ortsname geht auf eine Flurbezeichnung zurück (wolf und mittelhochdeutsch luoge entspricht Lager, Versteck, Höhle). Der Ort entwickelte sich aus zwei Siedlungskernen, dem Oberdorf im Westen und dem Unterdorf um Kirche und Rathaus. Die jüngere Bebauung östlich des Ländergrabens wurde im 18. Jahrhundert »jenet Dorfs« oder »drüben im Dorf« genannt. Die drei Kerne waren in große Obst- und Gartenländer eingebettet und blieben bis zum Bauboom nach 1960 deutlich sichtbar. 1526 war die Feldflur in sechs Zelgen eingeteilt, später hielt man sich an die übliche Dreiteilung. Der Ort besitzt in seinem alten Teil noch ein Rathaus von 1608 mit Korbbogenportal und Sitznischengewänden, dazu Fachwerkhäuser des 17./18. Jahrhunderts. Neue Wohnsiedlungen, meist Zweifamilienhäuser, entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg von 1950 bis 1972 im Norden, Nordosten, Osten, Südosten und Süden, ferner gewerbliche Niederlassungen im Südosten des Ortes.
Historische Namensformen:
  • Wolfeslugen 1318
  • Wolveslu[o]gun
Geschichte: Vor der Expansion Württembergs hatten sich auf den südlichen Fildern die Herrschaftsinteressen der Grafen von Urach, der Herzöge von Teck und der Grafen von Hohenberg gekreuzt. Angehörige der teckischen Ministerialität und die Grafen von Hohenberg waren im 14. Jahrhundert in Wolfschlugen begütert. Seine Entwicklung zur Dorfgemeinde verdankt der Ort dem Bestreben der Grafen von Württemberg, ihre Herrschaft im nördlichen Vorfeld von Nürtingen und Grötzingen zu konsolidieren. 1369 scheiterte der Versuch Graf Eberhards II., einen Teil der hohenbergischen Herrschaft Neuhausen zu erwerben. Am Südrand der Filder konkurrierten die Württemberger mit Esslingen und Habsburg. Die Reichsstadt erwarb 1386 Pfandrechte über die Burg Neuhausen, doch nachdem Herzog Leopold III. von Österreich die hohenbergischen Herrschaften gekauft hatte, stand die Herrschaft spätestens 1392 unter habsburgischer Lehenshoheit. Mit der Herrschaft Neuhausen war Wolfschlugen eng verbunden. Die Herren von Neuhausen besaßen die Hälfte des großen Zehnten als ursprünglich hohenbergisches Lehen. An der anderen Hälfte war die auch sonst im Ort begüterte Pfarrei Neuhausen beteiligt, zu deren Sprengel Wolfschlugen gehörte. Ein weiterer Teil gelangte 1461 aus bürgerlichem Esslinger Besitz an die Frühmesspfründe Löchgau, die wie die Herren von Neuhausen auch Anteil am Kleinzehnt hatte. Neben Esslinger Bürgern hatten auch Altar- und Pfarrpfründen in Nachbarorten und Klöstern (Dominikanerinnenkloster Kirchheim, Klarakloster Esslingen, Kloster Denkendorf) Besitz in Wolfschlugen. Für die späte Entstehung der Gemeinde spricht, dass sie nicht zur Landsteuer veranlagt wurde. Entscheidend war wohl, dass die Burg Neuenriet, ein württembergisches Lehen, bedeutenden Besitz im Ort hatte. Die kirchliche Trennung von Neuhausen im Jahr 1437 schloss den württembergischen Herrschaftsaufbau ab. 1526 besaß Württemberg drei Erblehen in Wolfschlugen und bezog einen kleinen Teil des großen Zehnten und Gülten aus einzelnen Gütern. An der Spitze der Gemeinde standen die 1437 erstmals nachweisbaren Schultheißen und sechs, im 18. Jahrhundert acht Richter. Im 15. Jahrhundert gehörte Wolfschlugen zu dem eng mit Nürtingen verbundenen Amt Grötzingen und war in die beiden Mühlen des Städtchens gebannt. Zu den Untertanenpflichten gehörten Fuhrdienste, die von den Trägern der Erblehenhöfe übernommen wurden. Im 16. Jahrhundert war die Grenze zwischen Fron und Lohnarbeit fließend, denn die Gemeinde zahlte Taglöhne an die Bauern, die solche Aufgaben erledigen mussten. Bei den Jagden der Landesherren im Kirchheimer Forst wurden die Bauern als Weghauer, Treiber und Hundzieher eingesetzt. Für diese Jagden hielt das Dorf zwei Hunde. Die Bauern mussten in Fronarbeit das Nürtinger Schloss mit Bau- und Brennholz versorgen. Im Rahmen ihrer Fronpflichten stellte die Gemeinde im Kriegsfall auch einen Reiswagen zum Transport der Mannschaft, der Waffen und des Proviants. 1525 wurden drei Teilnehmer am Bauernkrieg inhaftiert. Ein vierter, der ins Ausland geflohen war, leistete 1528 erneut die Erbhuldigung. Wichtigster Besitz der Gemeinde waren 220 Morgen Wald (1735). Das Rathaus wurde 1607/8 erbaut. Ein Inschriftenstein am Gebäude nennt die beiden Baumeister und zeigt erstmals die Wolfsangel, das heutige Ortswappen. Vom 15. Jahrhundert an bis 1972 war Nürtingen zuständiger Verwaltungssitz.
Wirtschaft und Bevölkerung: In der Mitte des 16. Jahrhunderts war Wolfschlugen kein armes Dorf. Das durchschnittliche Schatzungsvermögen der 78 Einwohner, die 1544/45 zur Türkensteuer veranlagt wurden, betrug 205,2 Gulden und lag knapp über dem Durchschnitt des Amtes Nürtingen (198,7 Gulden) und weit über dem Landesdurchschnitt (170,5 Gulden). 58,4 Prozent der Veranlagten gehörten zur Mittelschicht mit Schatzungsvermögen zwischen 100 und 499 Gulden. Im Ackerbau dominierte Dinkel vor Roggen, Gerste und Hafer. Sonderkulturen waren Hanf und vor allem Flachs. Nach dem Vorbild der Filderdörfer wurde Kraut seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts auch feldmäßig angebaut. Die Weiderechte der Bauern reichten weit über die Markung hinaus. Versuche der Herren von Neuhausen, die Weide im Waldhauser Wald, einem habsburgischen Lehen, zu begrenzen, scheiterten 1538, als das württembergische Hofgericht die alten Rechte der Gemeinde bestätigte. Das Anwachsen des Grünlands auf Kosten des Ackerbaus lässt auf zunehmende Viehhaltung schließen, ein Hinweis auf eine engere Anbindung an städtische Märkte. Im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts führten Missernten zu Teuerungen, und in Pestjahren stieg die Sterblichkeit schnell an. 1601 lebten 250 Erwachsene und 100 Kinder im Schulalter im Dorf, mit den Kleinkindern also wohl 400 Menschen. Während der Kriegsjahre nach 1634 sank die Einwohnerzahl auf 242 und erreichte erst am Beginn des 18. Jahrhunderts wieder den Stand von 1601. 1735 gab es 124 Gebäude; die Wirtschaftsfläche betrug 1948 Morgen. Davon entfielen 1290 Morgen auf Äcker und Mähefelder und 287 Morgen auf Wiesen. Erst im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts war eine gewisse Prosperität wieder erreicht. Die Einwohner lebten vom Anbau und Verarbeitung von Hanf und vor allem von Flachs. Leinengarn aus Wolfschlugen galt als besonders hochwertig. Es wurde nicht nur im Ort selbst verarbeitet, sondern in großem Umfang auch an die Webergemeinden auf der Schwäbischen Alb geliefert. Weil sich mit der Weberei und vor allem mit der Handspinnerei gute Verdienste erzielen ließen, gab man nach 1760 die früher bedeutende Schafhaltung auf. Von großer Wichtigkeit blieb dagegen die Pferdehaltung, für die man neben dem von altersher angebauten Hafer viel Grünfutter und Weideland benötigte. Der Verkauf von Fohlen brachte Geld ins Dorf, und in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts holten Pferde aus Wolfschlugen regelmäßig Preise bei den Pferderennen auf dem Cannstatter Volksfest. Seit 1750 legte man auch größeren Wert auf den Obstbau. Baumwiesen entstanden vor allem im Westen des Dorfes. 1777 war auf der Markung ein Gleichstand zwischen Grün- und Ackerland erreicht. Nach 1770 setzte ein neuer Krisenzyklus ein. Im Extremwinter 1788/89 erfroren fast alle Obstbäume auf der Markung, und in den folgenden Jahren fiel der Flachs, das Hauptnahrungsprodukt des jetzt knapp 800 Einwohner zählenden Dorfes, fast ganz aus. Mit der Bevölkerung wuchs auch der Holzbedarf. Die Holznot machte alle Maßnahmen zur Rekultivierung des übernutzten Gemeindewalds zunichte.

Ersterwähnung: 1437
Kirche und Schule: 1437 wurde die 1416 erstmals nachweisbare Kapelle von der Mutterkirche in Neuhausen getrennt und zur Pfarrkirche unter landesherrlichem Patronat erhoben. Geweiht war sie der Mutter Gottes, den Aposteln Petrus und Paulus und den Heiligen Bernhard, Katharina, Barbara und Agnes. Weil die Trennung gegen den Willen der Herren von Neuhausen vollzogen wurde, konnte der beträchtliche Besitz, den sie und die Mutterkirche in Wolfschlugen hatten, nicht zur Dotierung der neuen Pfarrei herangezogen werden. Ihre Einkünfte kamen aus Nachbarorten, vor allem aus Schlaitdorf, wo sie einen bedeutenden Anteil am Groß-, Heu- und Weinzehnt erhielt. Die Pfarrei gehörte zum Landkapitel Esslingen/Nellingen und nach der Reformation zum Dekanat Kirchheim. 1695 wurde sie dem neu errichteten Dekanat Nürtingen zugewiesen. Die bereits 1468 als baufällig bezeichnete Kirche wurde 1498 neu erbaut. Die Nordwand der Kirche und der Turm erheben sich noch auf den Fundamenten der alten Kapelle. Schmuckstück der Kirche war ein Sakramentshäuschen an der Nordwand des Chores, dessen Reste 1931 bei einer Innenrenovierung freigelegt wurden. Eine große Glocke wurde 1686 in Rottenburg gegossen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde eine Empore in das Kirchenschiff eingebaut, auf der während der Gottesdienste die Männer ihre Plätze hatten. 1754 erhielt das oberste Stockwerk des Turms seine heutige Form; 1766 wurde die erste Orgel angeschafft und auf der Empore aufgestellt. Der Stuttgarter Maler Johann Friedrich Glocker führte 1749 die Malereien an der Brüstung der Empore aus. Sowohl die weltliche wie die kirchliche Obrigkeit betrachteten die Nähe des katholischen Neuhausen als besonderes Problem. Die florierenden Wirtschaften des Nachbarorts waren weithin bekannt, denn sie mussten nicht die rigorosen Öffnungs- und Schankzeiten einhalten, die in Württemberg galten. Pfarrer und Schultheißen führten einen ständigen Kampf gegen das »Neuhaußen-Lauffen«, das heißt gegen den Hang ihrer Untertanen, die Abende und sogar die Sonntage in dem nahe gelegenen katholischen Ort zu verbringen. Ständige Schulmeister sind seit 1601 nachweisbar, Provisoren seit 1763. Im 18. Jahrhundert gingen auch Kinder aus Hardt nach Wolfschlugen zur Schule. Die nach 1660 eingeführte Sommerschule war nur mäßig besucht. Ganzjähriger Unterricht für fast alle Kinder konnte erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts durchgesetzt werden. Der Unterricht fand zunächst im Haus des Lehrers statt. 1724/25 wurde ein Schullokal im Rathaus eingerichtet; als auch dieses nicht mehr ausreichte, erbaute die Gemeinde 1776 ein Schulhaus. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war Wolfschlugen als »Hexenbanner-Ort« bekannt. Wolfschluger Geisterbeschwörer waren als »Segsprecher« bei Tierkrankheiten auf der Alb bis in die Ulmer Gegend tätig. Katholische Kirche St. Josef, zur Pfarrei Neuhausen auf den Fildern gehörig.
Patrozinium: Heilige Maria, Petrus, Paulus, Bernhard, Katharina, Barbara und Agnes
Ersterwähnung: 1437

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