Müllabfuhr in Pforzheim 

Datierung :
  • 1938
Objekttyp: Video
Inhalt:
  • Ein Drehtrommel-Müllwagen fährt durch die engen Straßen der Altstadt von Pforzheim. Die Au, die alte Flößer-Vorstadt, ist einer der ältesten Stadtteile Pforzheims und wurde 1945 völlig zerstört. Der Wagen trägt die Aufschrift "Müllabfuhr Pforzheim, Jakob Schumann, Nr. 1". Wie auch vielerorts heute noch fahren zwei Männer hinten auf dem Wagen mit. Auch die runde Form des Müllbehältnisses hat sich - zumindest in Stuttgart - bis heute gehalten. Die Müllabfuhr, wie in dem Video gezeigt, ist ein Bestandteil kommunaler Hygienemaßnahmen wie Straßenreinigung und Abwasserkanäle. Neben der Reinigung der Städte tragen diese Maßnahmen entscheidend zur verbesserten Sauberkeit und damit auch zur Krankheitsbekämpfung bei. Ende des 19. Jahrhunderts sind die hygienischen Bedingungen in großen Städten oftmals katastrophal: Die Exkremente von Tieren - Pferdekutschen sind das übliche Verkehrsmittel - und Menschen sind allgegenwärtig und befördern die Verbreitung von Krankheiten. Nachdem es in römischer Zeit bereits ausgefeilte Systeme zur Reinigung und Entsorgung von Wasser gegeben hatte, ging im mittelalterlichen Europa viel von diesem Wissen verloren. Die Industrialisierung und das rasante Wachstum der Städte machte es notwendig, die hygienischen Bedingungen in den Städten zu verbessern. Die Entsorgung von Müll war auf dem Land oft einfacher: Fäkalien konnten in Sickergruben oder als Dünger entsorgt werden, ebenso wie Asche und Ruß. In Städten dagegen mussten andere Lösungen gefunden werden. Dies galt besonders dann, wenn der Müll anorganische Abfälle enthielt, die keinen Wert mehr für die Landwirtschaft besaßen. Diese Aufgabe ließ sich nicht den einzelnen Bürgerinnen und Bürgern übertragen, sondern musste kommunal gelöst werden. So entstanden im 19. Jahrhundert Ämter, die sich der Entsorgung von Müll und der Stadtreinigung widmeten. Heute würde man von urbanem Umweltschutz sprechen. Die Aufgaben lassen sich aufteilen in Müllsammlung und -transport, Straßenreinigung und Fäkalienabfuhr. In Pforzheim nahm am 23.12.1872 die Städtische Abfuhrgesellschaft ihre Arbeit auf. Bis dahin blieb die Müllabfuhr noch meist der Bevölkerung überlassen oder wurde von Privatunternehmern organisiert, die behördlich überwacht wurden. Die Aufschrift auf dem Wagen in dem Video spricht dafür, dass ein privater Unternehmer, im Auftrag der Stadt, für die Müllabholung zuständig war. Die Organisation der Müllabfuhr ist seit ihrer Entstehung im Grundsatz weitgehend unverändert geblieben: Bürgerinnen und Bürger stellen ihren Abfall - oder das, was als solcher betrachtet wird - zur Abholung bereit, dieser wird abgeholt, an einem Platz gesammelt und dort sortiert oder entsorgt, z.B. durch Verbrennung. Durch die wachsende Bevölkerung wurde es notwendig, dies hygienischer, kostengünstiger und effizienter durchzuführen. Die Entwicklung von Automobilen half hier ganz entscheidend weiter. Dennoch dauerte es bis weit nach dem Ersten Weltkrieg, bis das Automobil die Kutschen bei der Müllentsorgung ersetzte. Parallel zu den Automobilen wurden bis in die 1930er Jahre noch Müllwagen mit Pferdezug verwendet. Die Daimler-Benz AG wurde Anfang des 20. Jahrhunderts zum führenden Hersteller von Kommunalfahrzeugen. Schon vor dem Ersten Weltkrieg wurden in den Benz-Werken Gaggenau - bis 1926 die Süddeutsche Automobilfabrik - Fahrzeuge mit Spezialaufbauten für die Städtereinigung gebaut. Nach dem Kriegsende suchten Produzenten nach neuen Märkten für die in der Kriegsproduktion erworbenen technischen Erkenntnisse und fanden diese unter anderem im kommunalen Bereich. Bereits gebaute LKW wurden für die Müllentsorgung umgebaut. Die Aufbauten stammten von KUKA. Die seit 1898 von Josef Keller und Jakob Knappich betriebenen "Acetylenwerke für kostengünstige Haus- und Straßenbeleuchtung" - gegründet ursprünglich als Patronenhülsenwerk - bauten Aufbauten für Sprengwagen, Kehr- und Waschmaschinen, Schneepflüge und Tankwagen. Bei dem Wagen im Video handelt es sich um einen solchen Mercedes-Benz-Kuka-Müllwagen, ausgestattet mit einer Entstaubungsanlage hinten, die die Arbeiter vor dem besonders im Winter aschehaltigen Müll schützen soll. Die Verfahren, den Müll aus den verschiedenen Gefäßen in das Fahrzeug zu schütten, wurden ebenfalls elaborierter. Mit Einführung des sogenannten Ringsystems 1925 konnten verschieden geformte Gefäße an das Sammelfahrzeug angebracht und eingefüllt werden, was die Arbeit erheblich erleichterte. Das Gefährt wurde beworben mit dem Slogan Der einzige Müllwagen mit mechanischer Be- und Entladung, der nicht gekippt zu werden braucht. Zusammen mit Fabrikaten von Krupp und FAUN war der Kukawagen seit etwa 1930 eines der Standardfabrikate der modernen Müllabfuhr. Der Werbeslogan wenige Jahre später wurde an die politischen Gegebenheiten angepasst: Daimler-Benz warb 1938 damit, dass die Müllabfuhr als wichtiger Kämpfer im Kampfe gegen den Staub und die Ausdünstung im Dienste der Volksgesundheit helfe. Nora Wohlfarth, LABW
Quelle/Sammlung: Landesfilmsammlung Baden-Württemberg: Müllabfuhr in der Au
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