Bad Buchau 

Datierung :
  • 1931
Objekttyp: Video
Inhalt:
  • Eine Gruppe von etwa 30 Männern und Frauen geht auf einem von Birken gesäumten Feldweg spazieren. Viele von ihnen tragen Feldstecher. Es handelt sich um Mitglieder des Bundes für Vogelschutz (BfV) bei ihrer Pfingsttagung am Federsee Bad Buchau. Vorne läuft Hermann Hähnle, Sohn von Lina Hähnle und späterer Präsident des BfV. Lina Hähnle gründete 1899 in Stuttgart den BfV, den heutigen Naturschutzbund NABU. Der Schutz von Singvögeln ist eine der ältesten Maßnahmen des Tierschutzes in Deutschland und entwickelte sich, wie der Tierschutz allgemein, zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Er war beliebter als der Schutz anderer Tierarten und zahlreiche Engagierte organisierten sich in regionalen Vereinen. Der BfV entwickelte sich zum erfolgreichsten und mitgliederstärksten Verband im Bereich des Vogelschutzes. Er lässt sich als patriotisch und nationalistisch beschreiben, ohne völkische oder antidemokratische Positionen eingenommen zu haben. Im Verband wurden verschiedene gesellschaftliche Schichten integriert und Teilhabe ermöglicht, zugleich war der Verein staatstragend und obrigkeitsgläubig. Während des Nationalsozialismus hatte der Verband eine das NS-System stabilisierende Rolle. Nach 1933 passte er sich den politisch-ideologischen Zielen des NS-Regimes an. Er schaltete sich selber gleich und wurde umbenannt in Reichsbund für Vogelschutz. Der Reichsbund umfasste ab 1938 alle weiteren Vogelschutzorganisationen, wovon der ehemalige BfV profitierte. Gegen beide Maßnahmen gab es keinen erkennbaren Widerstand. Viele Fragen zur Rolle des Verbands und der Haltung seiner führenden Mitglieder sind allerdings noch offen. Hermann Hähnle, zu dieser Zeit stellvertretender Vorsitzender, war kein NSDAP-Mitglied, zu ihm existieren allerdings kaum Quellen. Nach dem Krieg wurde er Vorsitzender des wieder in BfV umbenannten Verbands. Hermann Hähnle, geboren am 5. Juni 1879 in Giengen an der Brenz, verlebte eine von Wissenschaft und Bildung geprägte Kindheit und Jugend in einem weltoffenen Umfeld. Beide Eltern waren politisch sehr aktiv. Hermann Hähnle wurde Ingenieur und spezialisierte sich in seinem Studium in der Schweiz, Italien und England auf Wärmewirtschaft. Er interessierte sich für Natur und Naturschutz und engagierte sich in zahlreichen Vereinen, ohne dabei, wie viele seiner Familienmitglieder, politisch aktiv zu werden. Seine Technikbegeisterung und sein Interesse für den Naturschutz kamen in bahnbrechenden Filmaufnahmen zusammen, von ihm als Naturkunden bezeichnet. Als Pionier des Tierfilms gelangen ihm 1902 als Erstem Filmaufnahmen von lebenden Tieren in freier Wildbahn. Seine heute verlorenen frühen Aufnahmen von Rotkehlchen, Wendehals und Schneefink wurden zu einer wichtigen Quelle wissenschaftlicher Forschung und waren nur durch selbstgebaute Kameras möglich. Zur Dokumentation aussterbender Tierarten stattete er Expeditionen des BfV nach Rumänien, Polen, Italien und Grönland aus und ließ dort einzigartige Aufnahmen anfertigen. Auch die heimische Natur dokumentierte er, zum Beispiel das Schutzgebiet am Federsee, den er vom Kirchturm in Bad Buchau aus filmte. Die Einrichtung dieses Schutzgebiets, heute eines der größten Schutzgebiete Süddeutschlands, ging auf eine Initiative seiner Mutter zurück. Dort fand 1927 die erste Pfingsttagung des BfV statt, die zahlreiche Naturfreunde, besonders Lehrerinnen und Lehrer, nach Bad Buchau brachte. Hermann Hähnle zog sich aus der aktiven Filmarbeit zunehmend zurück. Sein letzter Film stammt von 1939 und zeigt Mitglieder seiner Familie, doch bis ins hohe Alter befasste er sich mit Naturschutz und gab weiterhin Filme in Auftrag. Teile seines filmischen Nachlasses - verteilt auf mehrere Institutionen - verwahrt die Landesfilmsammlung Baden-Württemberg. Neben Motiven aus der Tierwelt beschäftigte sich Hähnle außerdem mit der Situation von Frauen, die in Folge des Ersten Weltkriegs in typischen Männerberufen arbeiteten. Nach seinem Studium arbeitete Hermann Hähnle in der Filzfabrik seines Vaters und setzte dort - seiner Zeit weit voraus - auf naturverträgliche Produktion. Seine eigene Firma trug entscheidend zur elektrischen Versorgung der Ostalb bei. Gemäß seinem Credo, als Techniker verantwortungsvoll für Mensch und Natur zu handeln, stellte er seine zahlreichen Erfindungen ohne Lizenzgebühren zur Verfügung und übersah auch nicht die Gefahren der Elektrifizierung für die Natur, wie beispielsweise die von Überlandleitungen für Vögel. Seine Filme wurden für die Anliegen des BfV verwendet, für Vorträge in Schulen und Bildungseinrichtungen. Sie trugen erheblich zum Erfolg der Vortragsreisen seiner Mutter, Lina Hähnle, bei, die häufig in von ihm produzierten Lehrfilmen auftrat. Nora Wohlfarth, LABW
Quelle/Sammlung: Landesfilmsammlung Baden-Württemberg: Pfingsttagung des Bunds für Vogelschutz in Bad Buchau
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)