Beichert, Alois 

Geburtsdatum/-ort: 23.11.1893;  Rittersbach
Sterbedatum/-ort: 02.04.1945;  Oberwittstadt
Beruf/Funktion:
  • katholischer Geistlicher, Opfer des NS-Regimes
Kurzbiografie: 1914-1918 Heeresdienst
1919 Abitur in Rastatt (als Kriegsteilnehmer ohne Prüfung)
1919-1921 Theologiestudium in Freiburg i. Br.
1922 Priesterweihe
1922 Vikar in Sinzheim, 1924 in Ottenhöfen, 1924 in Herrenwies, 1925 in Freudenberg, 1927 in Ettlingen; 1930 Hausgeistlicher auf der Luisenhöhe (Horben); 1930 Vikar in Ichenheim, 1931 in Neusatz; 1932 Kurat in Lobenfeld; 1938 Pfarrer in Oberwittstadt
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: Unverheiratet
Eltern: Vater: Josef Beichert, Mühlenbesitzer
Mutter: Josefa, geb. Münch
Geschwister: 8
GND-ID: GND/1012176126

Biografie: Franz Hundsnurscher (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 2 (1987), 28-30

Beichert gehörte noch jener Generation von Priestern an, die als Volksschüler von ihrem Pfarrer Lateinunterricht erhielten und dann in die Quarta eines Gymnasiums eintraten. Seine Schulzeit endete im Dezember 1914 als Unterprimaner mit der Einberufung zum Herresdienst. Beichert stand den ganzen Ersten Weltkrieg an der Westfront, hauptsächlich in Stellungskämpfen im Oberelsaß (Hartmannsweilerkopf) und in den Hochvogesen. Als Unteroffizier mit Eisernem Kreuz II und Badischer silberner Verdienstmedaille ausgezeichnet, kehrte er zwar unverwundet, aber gesundheitlich stark angeschlagen nach Kriegsende zurück. Infolge dieses Kriegsschadens konnte er nur leichtere Vikarsposten und erst spät eine eigene und keine allzu arbeitsreiche Pfarrei übernehmen. Beichert war kein Gesellschafter, sondern war am liebsten für sich allein zum Lesen und Studieren. Demzufolge wurde er ein gerngehörter, populärer Prediger.
Dieses Priester- und Pfarrerleben wäre verlaufen wie das von hunderten seiner Amtsbrüder, wäre es nicht hervorragend geworden durch seinen Tod in der Nachfolge Christi. Beschämend für die eigenen Volksgenossen ist daran, daß dieser deutsche Frontsoldat des Ersten Weltkrieges am Ende des Zweiten Weltkrieges von deutschen Soldaten ermordet wurde.
Am Karsamstag 1945 hatten ohne Wissen des Pfarrers zwei Männer aus Oberwittstadt an der Kirche die weiße Fahne gehißt. Ein deutscher Soldat holte sie wieder herab. Kurz darauf rollten amerikanische Panzer in den Ort. Man durchsuchte die Kirche nach versteckten Soldaten und zog wieder ab. Den ganzen folgenden Ostersonntag war die Frontlage unklar. Das Dorf war immer noch nicht besetzt. Am Nachmittag kamen zwei deutsche Kradfahrer aus Richtung Merchingen, das noch von den Deutschen besetzt war. Sie sprachen mit mehreren Einwohnern und fuhren wieder weg. Gegen Abend kam ein deutscher Lkw. aus Merchingen. Unter dem Kommando des Hauptmanns Berghausen von der Fahnenjunkerschule in Rosenheim besetzten etwa 15 Soldaten das Dorf. Maschinengewehre wurden in Stellung gebracht. Die Oberwittstadter flüchteten in ihre Keller. Das Dorf sollte für das Hissen der weißen Fahne bestraft werden durch den Tod von acht bis zehn Bürgern: „Wir wollen Oberwittstadt wieder deutsch machen“.
Ein SS-Offizier läutete am Pfarrhaus und verlangte den Pfarrer. Dieser war gerade von einem Versehgang bei einem Sterbenden zurückgekommen und weigerte sich, das Haus zu verlassen. Es kam zu einem Handgemenge und ein Schuß fiel. Der Offizier und ein weiterer SS-Soldat warfen den Pfarrer die Eingangsstufen hinab, wobei ein zweiter Schuß fiel. Erst nach einer halben Stunde erhielt Fräulein Beichert, seine Nichte und Haushälterin, die Erlaubnis, ihren schwerverletzten Onkel ins Haus zu holen.
Obwohl seine Bauchdecke völlig zerfetzt war, war Beichert bei vollem Bewußtsein. Er sagte: „Sie haben mich mißhandelt und wenn sie einen Strick gefunden hätten, hätten sie mich aufgehängt.“ Ärztliche Hilfe war in den letzten Kriegstagen nicht möglich, weil der Arzt aus dem besetzten Eubigheim nicht kommen durfte. Die aus Merchingen herbeigeeilte Ärztin konnte nur noch seine Schmerzen lindern. Beichert starb am Ostermontag um 21 Uhr, nachdem er seine Gemeinde noch ein letztes Mal gesegnet und seinen Mördern nach dem Vorbild Christi verziehen hatte. Zur Beerdigung hoben die inzwischen wieder einmarschierten Amerikaner die Ausgangssperre auf, so daß die ganze Gemeinde von ihrem Seelsorger Abschied nehmen konnte.
Der Mörder des Pfarrers, ein SS-Leutnant Altenburg aus Leipzig, soll sich noch in Winzenhofen gerühmt haben, er habe in Oberwittstadt „ein Schwein geschlachtet“. Der Mordschütze starb in Gammertingen in Hohenzollern, nachdem er in einem Gefecht bei Melchingen (Hohenzollern) einen Bauchschuß erhalten hatte. (Der Mörder stirbt wie sein Opfer!). Er hat seine Untat vor seinem Tod bekannt und bereut. Die Hintergründe dieses Mordes werden nie mehr ganz erhellt werden können. Ob nur das Hissen der weißen Fahne oder nicht doch der Verrat zweier Evakuierter aus Mannheim und Ludwigshafen diese Racheaktion ausgelöst haben? Daß es keine weiteren Opfer gab, mag in der Eile, in der man sich vor dem erneuten Anrücken der Amerikaner absetzen mußte, begründet sein. Jedenfalls starb Beichert für Oberwittstadt, das für das Hissen der weißen Fahne bestraft werden sollte.
An seinen Tod erinnert ein Kreuz am Pfarrhaus mit der Inschrift: „Semen est sanguis martyrum“ – Das Blut der Märtyrer ist neue Saat. Sein Leichnam wurde später in seine Heimat Rittersbach überführt.
Nachweis: Bildnachweise: Ein Bild im Pfarrhaus Oberwittstadt, Gedenktafel vor dem Pfarrhaus Oberwittstadt.

Literatur: Augustin Käst, Die Badischen Märtyrerpriester, Karlsruhe 1947, 43-46; Nekrolog in: FDA 70 (1950), 240; Ulrich von Hehl, Priester unter Hitlers Terror, Grünewald Mainz 1984, Sp. 401; Walter Brecht, Geschichten aus der Geschichte von Oberwittstadt. 1200 Jahre Oberwittstadt im Hasselbachtal. Selbstverlag Stadt Ravenstein 1975, 86-88.
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