Bender, Ferdinand Julius 

Geburtsdatum/-ort: 30.08.1893;  Michelfeld
Sterbedatum/-ort: 19.01.1966;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • evangelischer Landesbischof in Baden
Kurzbiografie: 1912 Abitur in Baden-Baden, danach Studium der evangelischen Theologie in Tübingen, ab Wintersemester
1913/14 bis Kriegsausbruch in Kiel
1914-1919 Kriegsfreiwilliger bei der Kavallerie, dann Luftwaffe; Jagdflieger; 1917 Leutnant
1919 wieder Studium in Tübingen und 1. theologisches Examen
1919/20 Ordination in Heidelberg, Vikar in (Karlsruhe-) Hagsfeld und 2. theologisches Examen
1920 Vikar in St. Georgen, ab 1. 9. in Schopfheim
1922-1928 Pastorationsgeistlicher in Meßkirch
1928-1946 Vorsteher des Diakonissenhauses Nonnenweier
1939-1944 Luftwaffe, zuletzt Major
1946-1964 Landesbischof
1947 D. theol. h. c. der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg
1949 Ehrensenator der Technischen Hochschule Karlsruhe
1952 Großes Bundesverdienstkreuz mit Stern
1957 Ehrensenator der Universität Freiburg
1965 Ehrenbürger der Stadt Karlsruhe
Weitere Angaben zur Person: Verheiratet: 1920 Luise, geb. Kiefer
Eltern: Vater: Ferdinand Bender, Bahnbeamter
Mutter: Caroline, geb. Brecht
Geschwister: 2: Wilhelm und Elisabeth
Kinder: 10: 3 Söhne, darunter Traugott und 7 Töchter
GND-ID: GND/1012176363

Biografie: Fred Sepaintner (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 35-38

Bender verbrachte, bedingt durch die zahlreichen Versetzungen seines Vaters, seine Jugend u. a. in Michelfeld im Kraichgau, in Mannheim, wo er bereits die Höhere Schule besuchte, und in (Baden-Baden) Oos-Scheuern. In Baden-Baden bestand er im Juli 1912 die Reifeprüfung und nahm im Wintersemester 1912/13 das Studium der evangelischen Theologie an der Universität Tübingen auf. Nach zwei Semestern wechselte der damals Zwanzigjährige für die nächsten zwei Semester an die Universität Kiel. Der Tübinger Adolf Schlatter und in Kiel Erich Schäder prägten seinen späteren geistlichen Werdegang entscheidend. Als Kriegsfreiwilliger trat Bender Anfang August 1914 in das Badische Leibdragonerregiment Nr. 20 ein; später war er bei der Luftwaffe und gehörte schließlich als Jagdflieger (1917 Leutnant) der Staffel Udet an. Vom Krieg heimgekehrt, nahm Bender im Januar 1919 sein Theologiestudium in Tübingen wieder auf und meldete sich im Mai des Jahres bereits zum ersten theologischen Examen, das er mit „gut“ bestand. Während der Vikariatszeit war er in (Karlsruhe-)Hagsfeld, für wenige Wochen in St. Georgen im Schwarzwald und ab Juni 1920 bis zu seiner Einsetzung als Pastorationsgeistlicher von Meßkirch im Mai 1922 in Schopfheim tätig.
Ende 1927 erhielt Bender das Angebot, Vorsteher des Diakonissenhauses in Nonnenweier zu werden. Die badische Kirchenregierung stellte ihn im Dezember 1927 für diese Aufgabe frei; gleichzeitig wurde ihm der Titel Pfarrer verliehen. Seine Aktivität auf landeskirchlicher Ebene riß damit aber nicht ab.
Der Zweite Weltkrieg brachte eine neuerliche Unterbrechung seiner Tätigkeit als Geistlicher. Schon 1937 hatte Bender wieder zu einer Wehrübung einrücken müssen; nach Kriegsausbruch wurde er als Hauptmann zur Luftwaffe eingezogen (1943 Major); er war in Klagenfurt, Graz, später in Jugoslawien und Frankreich eingesetzt. Wiederholte Bemühungen aus Nonnenweier, die Freistellung Benders zu erreichen und damit die personelle Notsituation des Diakonissenhauses zu lindern, waren von der Militärverwaltung abgewiesen worden. Erst Ende 1944, kurz vor dem Zusammenbruch, konnte Bender seine Tätigkeit in Nonnenweier wieder aufnehmen.
Nach Kriegsende wurde er in den Erweiterten Evangelischen Oberkirchenrat berufen und wirkte so von Anfang an am Wiederaufbau der Landeskirche an entscheidender Stelle mit. Dem Vorschlag der Landessynode vom November 1945, Bender zum Landesbischof zu ernennen, folgte der erweiterte Oberkirchenrat am 23. Februar 1946 mehrheitlich. Damit begann der zweite große Abschnitt im Wirken des Geistlichen, der bis zum November 1964 währte. Von Krankheit gezeichnet, trat Bender in diesem Jahr in den Ruhestand. Kaum 14 Monate später erlag er einem Leberleiden.
Als ernsten und dem Amt mit Eifer dienenden Menschen, allerdings mit religiös stark individualistisch gerichteten Neigungen beurteilte der Schopfheimer Dekan Specht den jungen Vikar. Bender selbst schrieb einmal, daß seine entscheidenden Glaubenserkenntnisse durch den Einfluß des Pietismus vorbereitet worden seien. Die Erweckungsfrömmigkeit, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem ländliche Kreise der badischen evangelischen Kirche erfaßt hatte, prägte ihn über das Elternhaus seiner Mutter, er empfand aber schon in jungen Jahren, daß es eine Anmaßung wäre, zu meinen, er sei bekehrt und hätte Heilsgewißheit. Hier konnte ihm der Pietismus seiner Heimat keine hilfreiche Antwort geben. (Bist du bekehrt, S. 4). Die Lösung fand Bender in der Gnadenlehre Luthers, dessen Werke ihn bis an sein Lebensende begleiteten. So erklärt sich sein durch das reformatorische Zeugnis korrigierter Pietismus, der ihm Lebensbewegung blieb, „heilsames Gegengewicht gegen Liberalismus wie Orthodoxie und gegen eine dialektische Theologie, die die Erfahrung aus dem Glaubensleben verbannen wollte. Alle wichtigen persönlichen Stellungnahmen Benders haben hier ihren Ursprung: Sein Engagement vom Schülerbibelkreis über die Deutsche Christliche Studentenvereinigung bis hin zum Eintreten für die Kirchlich-Positiven, sein missionarischer Impetus, letztlich seine ganze Lebenseinstellung.
Nachweislich nahm Bender schon während seiner Meßkircher Zeit regelmäßig an den Veranstaltungen der Kirchlich-Positiven in Gernsbach teil. 1923 gehörte er zu den Mitbegründern der Jungpositiven in Baden, formulierte und erläuterte deren Programm. Im Mittelpunkt der Vorstellungen dieser Gruppe stand die Forderung nach der inneren Umkehr der Kirche und ihrer Diener. Als Idealbild zeichnete er die nach innen und außen gleichermaßen missionierende, von biblischen Gesichtspunkten und dem Vorbild der neutestamentlichen Gemeinde geleitete Kirche, die durchdrungen ist von geistlicher Amtsauffassung, geleitet von einer charismatischen Persönlichkeit, dezentral verwaltet, frei von staatlichem Einfluß und von politischer Tätigkeit. Die sich selbst verleugnende, „dienende Kirche“ (Titel der Festschrift) war Benders Ideal. Evangelisation in Bibel- und Gebetsstunden, missionarische Darbietung des Evangeliums, wahre Gebetsgemeinschaft zwischen Pfarrer und Gemeinde waren Ziele dieser innerkirchlichen Partei, die nach dem Ersten Weltkrieg den Liberalen zum gleichstarken, zum Teil überlegenen Konkurrenten geworden war.
Doch nicht nur gegen die im Kaiserreich dominierende liberale Richtung wandte sich Benders Kritik – er warf ihr vor, von der biblischen Überzeugung abgewichen zu sein, wonach der Weg zur Gemeinde nur durch die Bekehrung des einzelnen geht – auch die lutherische Orthodoxie griff er wegen ihres „egoistischen Glaubensideals“ an.
Bender konnte durchaus kämpferisch sein. Als es z. B. 1929 um die Besetzung theologischer Lehrstühle in Heidelberg ging, rechtfertigte er das Vorgehen der Positiven und bekannte ausdrücklich, daß Kampflosigkeit eine Verantwortungslosigkeit wäre, wie überhaupt „Politik immer Machtpolitik ist und sein muß, auch die Kirchenpolitik.“ (KPB1 1929, S. 75f.)
Seine Forderung nach praktischem, konkretem Christentum, auf das Politische bezogen, ließ ihn vom Ende der 1920er Jahre bis 1933 für den Christlich-Sozialen Volksdienst eintreten, eine politisch kaum in das gängige Rechts-links-Schema einzuordnende evangelisch-konservative politische Bewegung, die sich selbst als vom Fronterlebnis und vom Pietismus geprägt ansah und Brünings Politik mittrug. Bender gehörte aber zu denen, die den von Hermann Gustav Teutsch eingeschlagenen Kurs hin zu den Nationalsozialisten bekämpften. Sein eigenes politisches Credo dieser Jahre hat er 1931 im Beitrag „Kapitalismus und Sozialismus“ in den Kirchlich-Positiven Blättern niedergelegt. Er trat darin gleichermaßen gegen den entarteten, selbstsüchtigen Kapitalismus wie gegen den Sozialismus auf, forderte eine Gott vertrauende Haltung der Opferbereitschaft und stimmte den Notverordnungen zu.
Schon 1933 trat er öffentlich der „sogenannten Glaubensbewegung deutscher Christen“ entgegen und bekannte in seiner Predigt anläßlich der Jahreshauptversammlung der Kirchlich-Positiven-Vereinigung am 19. April 1933: „Als Glieder unseres Volkes und Staates geben wir beiden, was wir von ihnen und durch sie haben: Gut und Blut, und wir geben solchen Zins in Gehorsam und Treue gegen die verordnete Obrigkeit“ (KPB1 1933, S. 65). Klar abgrenzend aber fügte er hinzu: „In Sachen der inneren und äußeren Ordnung der Kirche sind wir frei von aller weltlicher Obrigkeit, weil in Pflicht und Dienst des Königs der Kirche genommen.“ Nicht weniger deutlich war sein Wort gegen den Antisemitismus der Nationalsozialisten: „Wer das Alte Testament antastet ... leugnet die Heilsgeschichte, nach der es Gott wohlgefallen hat, das Heil von den Juden kommen zu lassen.“ Die so bezogene Position behielt Bender bis zum Ende des Nationalsozialismus als Mitglied des Landesbruderrates der Bekennenden Kirche Badens und der Bekenntnissynode Oeynhausen bei und publizierte bis zum Kriegsbeginn weiter in den Kirchlich-Positiven Blättern, obwohl dieses Organ längst höchst mißliebig war und permanent von der Karlsruher Gestapo zensiert wurde.
Die gleiche Grundsatztreue durchzieht seine spätere Tätigkeit. In der Zeit des Wiederaufbaus war seine Haltung ebenso eindeutig: „Suchet der Stadt Bestes“ (Jer 29,7), dieses Schriftwort zitierte er immer wieder, besonders als es um die Wiederbewaffnung ging. Seine Haltung hierzu war höchst differenziert, grundsätzlich aber ließ er keinen Zweifel daran, daß dem Staat das Recht der Gewaltanwendung zugebilligt werden muß. Die Ächtung der Gewalt, wo sie grundsätzlich ausgesprochen wird, sah er immer als ein Anzeichen dafür an, daß man die Realität der Sünde nicht mehr versteht. („Die Häresie der Machtverdammung“. Christ und Welt 1957, Nr. 2)
Der Kirchlich-Positive forderte auch dem Staat gegenüber die grundsätzlich positive Haltung und warnte vor der „Übergeistlichkeit“ negativer Weltanschauung, wie aus seiner Predigt anläßlich der Eröffnung des neuen Stuttgarter Landtags 1961 hervorgeht. Persönliche Konsequenz dieser Haltung war sein vehementes Eintreten für die Militärseelsorge, deren Beirat bei der Evangelischen Kirche in Deutschland er vorsaß, nachdem seine Arbeit den Staatsvertrag zwischen der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Bundesregierung wesentlich bestimmt hatte.
Seine Theologie bezeichnete Bender selbst als Theologie des Glaubens, der nur aus der Bibel, dem Medium des Glaubens, resultiert. Diesem „wunderbaren Tatbestand“ sollte die Theologie nachgehen, sie darf aber nicht den Glauben selbst und seine biblische Basis in Frage stellen. Daraus ergab sich für Bender die unveränderliche, von keinem Wandel der Geistes- und Kulturgeschichte abhängige Aufgabe des Pfarrers: Zeugnis abzulegen von dem Gott, der sich in der geschichtlichen Persönlichkeit Jesu Christi geoffenbart hat. Der Zeuge (=Pfarrer) selbst muß in den Hintergrund treten, passiv bleiben: „... was unter dem Begriff Gottes denkbar sei oder vernünftigerweise gedacht werden könne – das alles ist Subjektivismus, Illusionismus und hat mit Gott selbst nichts zu tun.“ (KPB1 1924, S. 34 und 1926, S. 194)
Das Evangelium von Christus als dem lebendigen, den Menschen befreienden, aber auch in seine Herrschaft aufnehmenden Gott lehren und leben, das war das Hauptanliegen. Bewußt stellte er damit die positive Seite der Rechtfertigungslehre Luthers heraus, die der Befreiung von der Sünde folgende Aufnahme in die göttliche Gemeinschaft, die die lutherische Orthodoxie vernachlässigt hatte.
So erklärt sich auch die Bedeutung, die Bender allen Bereichen der Mission beimaß. Dies gilt – in der Praxis demonstriert – für die Jahre in Nonnenweier, nicht minder aber auch für den Landesbischof, der neben steter Förderung der Inneren auch die Weltmission in der Grundordnung von 1958 zum erklärten Anliegen seiner Kirche machte. Welch zentrale Bedeutung er der Mission beimaß, geht aus vielen Äußerungen hervor. In seinem kurzen Bericht über einen Besuch bei den Waldensern in Torre Pellice 1956 schreibt er, daß diese Kirche nur lebe, weil sie eine missionarische Kirche sei und den Segen aller missionarischen Anstrengungen am eigenen Leibe verspüre.
Auch sein Verhältnis zu den anderen Kirchen liegt hier begründet. Zeitlebens trat Bender für die evangelischen Diasporakirchen in Frankreich und in Italien ein, unterhielt enge persönliche Kontakte und förderte sie nach Möglichkeit. 1964 sagte er zum Thema Ökumenismus, daß nicht jede Kirche auf Erden alle Gaben in sich vereine, darum müßten die Kirchen sich gegenseitig suchen. In dieses Suchen schloß er auch die katholische Kirche ein, begrüßte den in den 1960er Jahren beginnenden Dialog, beobachtete intensiv die Vorgänge beim II. Vatikanum und erkannte an, daß es sich um eine tiefgreifende Bewegung handelte. Er warnte gleichermaßen vor Illusionismus wie vor Skepsis. Die wichtigsten Scheidepunkte nannte er offen: die Anerkennung der Heiligen Schrift als alleiniger Offenbarungsquelle und die Rechtfertigungslehre; er forderte aber auch das Aufeinanderzugehen. Praktischen Dialog hatte er in seinem Wirkungskreis stets gepflegt, wie seine Korrespondenz in der Frage der gegenseitigen Anerkennung der Taufe zeigt; sein Ringen um ein Stück Gemeinsamkeit ist hier dokumentiert. Gleich nach seinem Amtsantritt hatte er sich um Kontakte zum erzbischöflichen Ordinariat in Freiburg gemüht und traf wiederholt mit den Erzbischöfen zusammen.
Anfangs der 1960er Jahre zeigten sich erste Anzeichen der Krankheit und zwangen den unermüdlichen Arbeiter zu zeitweiliger Unterbrechung. Über siebzigjährig schied er nach 18 Dienstjahren aus dem Amt des Landesbischofs. Er hatte die Zeit des Wiederaufbaus der evangelischen Landeskirche in Baden entscheidend mitgestaltet, in der alleine 170 Kirchen neu- und 30 kriegszerstörte wiederaufgebaut, in der vor allem aber auch die für seine Kirche schweren Folgen des Nationalsozialismus überwunden worden waren.
Im Frühjahr 1966 erschien die kleine Schrift „Der Christ und die Schrecken des Todes“. Ihr Verfasser, Bender, war bereits seit Wochen tot. Noch einmal, im Sterben, zeigte er die Haltung, die sein Leben gekennzeichnet hatte. Der Tod wird mit Christi Hilfe Vollendung des Glaubens. Bender spendete ein letztes Mal Trost. Auch am Grabe wollte er nicht Trauer, sondern die Heiterkeit, die aus dem Wissen von der Erlösung kommt.
Werke: Bibliographie seiner Schriften zusammengestellt von Hermann Erbacher in: Dienende Kirche (s. u.); Evangelischer und Katholischer Ökumenismus, Vortrag beim Landesfest des Gustav-Adolf-Werkes in Mannheim am 14. Juni 1964 (Kopie im StAF); Eine evangelische Stimme zum II. Römischen Konzil, in: BNN vom 28.1.1965; Der Christ und die Schrecken des Todes (Kopie im StAF)
Nachweis: Bildnachweise: Foto in: Würdigung (vgl. Lit.).

Literatur: Dienende Kirche, FS für Landesbischof D. J. Bender zu seinem 70. Geburtstag. Im Namen des Oberkirchenrats der Evangelischen Landeskirche in Baden hg. von Otto Hof. Karlsruhe: Hans Thoma 1963; K. Jutzier, Ein Leben für die kommende Kirche. Landesbischof D. J. Bender zum 70. Geburtstag, Sendung des Südwestfunks Abt. Kirchenfunk vom 25.8.1963 (Kopie des Manuskripts im StAF). Predigt von Oberkirchenrat Prof. D. Otto Hof anläßlich des Trauergottesdienstes für D. J. Bender gehalten am 21.1.1966 in der Stadtkirche in Karlsruhe (Kopie im StAF); Würdigung in: Aufbruch vom 30.1.1966 (mit Bild).
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