Engelberg, Fritz von Friedrich Wilhelm Rudolf Meinrad 

Geburtsdatum/-ort: 24.07.1890;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 26.11.1973;  Reute/Böhringen bei Radolfzell
Beruf/Funktion:
  • Industrieller und Landwirt
Kurzbiografie: 1908 Abitur am Karl-Friedrich-Gymnasium Mannheim
1908-1912 Studium der Rechtswissenschaften in Leipzig, Freiburg, Heidelberg; Dr. jur., Assessorenausbildung beim Amtsgericht Müllheim und bei den Bezirksämtern Karlsruhe und Triberg
1912 Einjährig-Freiwilliger im 1. Badischen Leibgrenadier-Regiment Nr. 20 Karlsruhe
1914-1918 Teilnahme am I. Weltkrieg als aktiver Offizier, mehrfach ausgezeichnet, Heimkehr als Oberleutnant und Regimentsadjutant
1919-1922 Studium der Landwirtschaft (3 Semester) an der TH Weihenstephan, ab 1921 Wohnsitz auf dem elterlichen Hof in Reute/Böhringen
1923-1927 Geschäftsführer des Badischen Grundbesitzerverbandes und in Personalunion des Badischen Grundherrenvereins
1927-1933 Direktor der Badischen Landwirtschaftskammer, Karlsruhe
1931-1932 Gründungsmitglied des Rotary-Clubs Karlsruhe, 1951 des Rotary-Clubs Konstanz, 1958/59 Governor bei Rotary-International
1935-1945 Vorstandsvorsitzender der Dyckerhoff-Zement AG, Vorsitzender des deutschen Zementverbandes und im Gefolge davon der Reichsstelle Steine und Erden
1936-1942 Generalsachverständiger beim Reichskommissar für Preisbildung
1943-1945 Stellvertretender Vorsitzender des Planungsamtes beim Reichsbeauftragten für den Vierjahresplan
1946 Aufsichtsratsvorsitzender der Dyckerhoff-Zement AG; gleichzeitig Landwirt und Berater zahlreicher agrarpolitischer Institutionen
1954-1972 Gründer und Vorsitzender des „Kleiner Kreis“ bzw. „Fritz-von Engelberg-Kreis“
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Auszeichnungen: 1960 Großes Bundesverdienstkreuz
Ehrensenator der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Braunschweig-Völkenrode
Ehrendoktor der Landwirtschaftlichen Hochschule (jetzt Universität) Hohenheim
Ehrenbürger der Gemeinde Böhrigen
Ehrenämter: Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft ländliches Bauen in Baden-Württemberg, des Fachausschusses Agrarwirtschaft beim Fachverband Zement, Köln; Stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses Agrarwirtschaft des BDI (Bund Deutscher Industrie), Köln, bei der Verbindungsstelle Industrie-Landwirtschaft, Essen
Fritz- von Engelberg-Stiftung zur Förderung der Weiterbildung der Jugend der Gemeinde Böhringen nach Schulabschluß, Stiftung eines Förderpreises für Absolventen der Universität Hohenheim und der Landwirtschaftlichen Fachhochschule Nürtingen
1971 Ehrenmitglied des Deutsch-Französischen Klubs, Ernennung zum Officier de Mérite Agricole
Verheiratet: unverheiratet
Eltern: Friedrich Karl Joseph (1859-1933), Dr. jur., Präsident der Großherzoglich Badischen Vermögensverwaltung, Ministerialrat im badischen Justizministerium
Karoline, geb. Dyckerhoff (1867-1951)
Geschwister: Hilda (geb. 1888)
Alexander (1894-1960)
Kinder: keine
GND-ID: GND/1012242897

Biografie: Clemens Seiterich (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 3 (2002), 60-62

Engelberg stammt aus einer adeligen badischen Familie, deren Vorfahren väterlicherseits in der Schweiz und mütterlicherseits im niederrheinischen Räume beheimatet waren. Der Familie entstammten hauptsächlich Ärzte, Juristen, Kaufleute und Architekten. Engelberg selbst war der Landwirtschaft und der Industrie in gleicher Weise verbunden, in beiden Bereichen wurde er als Fachmann von hohen Graden geschätzt. Zahlreichen Organisationen und Verbänden aus Stadt und Land, Industrie und Landwirtschaft, auch aus Ministerien und anderen staatlichen Stellen war er im Laufe seines Lebens zu einem sachkundigen und umsichtigen Berater geworden. Seine eigentliche Zielsetzung hatte er zu Beginn seiner Tätigkeit in der Öffentlichkeit wie folgt skizziert: „Das Bauerntum, so wie wir es aus der Geschichte, ... aus dem Leben der Bauern kennen, zu erhalten und in die neue Zeit hinüber zu retten, – nicht als verstaubtes Museumsstück –, ... das ist eine große, fast noch gar nicht erkannte, sicher nicht ernsthaft ergriffene Aufgabe“. Um die Realisierung dieser Aufgabe bemühte sich Engelberg zeit seines Lebens. Engelberg setzte als Geschäftsführender Direktor der badischen Landwirtschaftskammer besondere Akzente in der Förderung der überwiegend kleinbäuerlichen Landwirtschaft Badens durch eine den natürlichen Bedingungen angepaßte Intensivierung des Obst- und Weinbaus, des Gemüse- und Tabakbaus, des Hackfrüchte- und Getreidebaus und des Futterbaus mit Veredlungswirtschaft. Ein besonderes Beispiel: Ihm ist es zuzuschreiben, daß die Insel Reichenau zu einem der bekanntesten Gemüseanbaugebiete Süddeutschlands wurde. Auf seine Initiative hin wurden die Buchführung verbessert sowie das Schulwesen und die betriebliche Beratung ausgebaut. Diesem Wirken wurde im Frühjahr 1933 ein Ende gesetzt: die Landwirtschaftskammer wurde in den „Reichsnährstand“ überführt und Engelberg entlassen.
Engelberg lieferte nach dem II. Weltkrieg zahllose Impulse für den Ausbau der Fördermaßnahmen für den schulischen- und Ausbildungsbereich sowie für die Verbesserung der infra- und agrarstrukturellen Verhältnisse im ländlichen Raum. Seine Wirtschaftskraft und seinen sozialen Status wollte er gezielt auch mit Mitteln der Wirtschafts- und der Verkehrspolitik gefördert wissen. Basis für dieses Tun bildeten für ihn hauptsächlich das Kuratorium für Technik und ländliches Bauen (KTLB) in der Bundesrepublik Deutschland und der von ihm geschaffene und inspirierte „Freundeskreis Engelberg“. Ihm gelang es, in diesem Kreis, den er jährlich mehrfach über Wochenenden auf sein Hofgut in Reute bei Radolfzell einlud, ähnlich gesinnte Persönlichkeiten aus der Politik, aus Bundes- und Landes-Ministerien, aus Verbänden und Medien und Praktiker aus der Wirtschaft und Landwirtschaft zusammenzuführen. Dieses Hofgut hatte er bereits anfangs der 1920er Jahre zu einem ausgesprochenen Lehr- und Versuchsbetrieb ausbauen lassen. Über 250 landwirtschaftliche Lehrlinge und Praktikanten aus allen Erdteilen haben in dieser Station einer „pädagogischen Provinz“ Beruf und Weg gefunden. Sie wurden Zeugen und Mitgestaltende vieler Versuche, die geeignet waren, zu einer grundlegenden Bewältigung aller Lebensumstände in bäuerlichen Dörfern beizutragen.
E. wurde anläßlich seines 80. Geburtstages als ein Mann jenes „leider so selten gewordenen Typs (gewürdigt), dem es die Abkömmlichkeit vom Hofe und die wirtschaftliche Unabhängigkeit gestatteten, sich den öffentlichen Angelegenheiten nach freier Wahl zu widmen“ (E. Lang, s. Lit.). Diese Unabhängigkeit hatte er sich nach der politisch bedingten Entlassung aus der Landwirtschaftskammer erarbeitet. Ihm war es ab Mitte der 1930er Jahre gelungen, maßgeblich die Sanierung der Dyckerhoff-Zementwerke herbeizuführen, die durch die Weltwirtschaftskrise (1929-1932/33) in eine schwierige Lage geraten waren. Ausschließlich seinen unternehmerischen Fähigkeiten und Leistungen war es zuzuschreiben, daß er – weiterhin als Vorsitzender des Vorstands der Dyckerhoff-Zement AG – von 1936 bis zum Kriegsende den Aufgaben des Vorsitzenden des Deutschen Zementverbandes bzw. der Reichsstelle Steine und Erden, des Generalsachverständigen beim Reichskommissar für Preisbildung und – nachfolgend – des stellvertretenden Vorsitzenden beim Planungsamt für den Vierjahresplan nebenberuflich nachgekommen ist. In der Regel war er in der ersten Hälfte einer Woche in den Berliner Dienststellen tätig, dann bei Dyckerhoff in Wiesbaden.
Nach dem Kriegsende und seiner Entnazifizierung in Wiesbaden (Urteil „Mitläufer“) hatte sich Engelberg wieder der praktischen Landwirtschaft und einer leitenden Funktion in den Dyckerhoff-Zementwerken zugewandt. Dabei ist er weit über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus zu einem „personifizierten Ausgleich“ zwischen Stadt und Land, zwischen den Interessen der Industrie und der Landwirtschaft geworden. Hierin sah er zu einem sehr wesentlichen Teil auch seine Aufgabe als Governor des Rotary-Clubs Konstanz. So verstand es der ausnehmend noble, bescheidene und sozial eingestellte Mann, eingebettet in „seine beispielhafte Bereitschaft, sich für das Gemeinwohl zu engagieren und Menschen mit Rat und Tat beizustehen, wo immer sich dazu Gelegenheit findet“.
Quellen: Interview zwischen Stadtarchivar Dr. Berner und Dr. Fritz von Engelberg am 17.12.1964 (Kulturamt der Stadt Singen, AZ: 362, 315)
Werke: Zwangserziehung in Baden, 1912 (Diss. jur. Heidelberg); ders., Zwangserziehung in Baden, in: Blätter für Gefängniskunde 47, 1913, 159-236; Vorschläge für die künftige Gestaltung der Agrarpolitik in Baden, Brief der Badischen Landwirtschaftskammer an den Minister des Innern, Karlsruhe, vom 12.02.1931; Inwiefern ist die Notlage der badischen Landwirtschaft durch die neue Grenzziehung mit verursacht?, in: Badischer Bauer, Nr. 22 vom 01.06.1932; Aufgaben und Ziele der badischen Landwirtschaft, in: Freiburger Zeitung Nr. 145 vom 31.05.1932, Sonderausgabe, 3 ff.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos in den Stadtarchiven Singen und Radolfzell

Literatur: Erich Lang, Dr., Dr. h.c. Fritz von Engelberg, in Hegau 12 (1967) 216-220; Freundeskreis Engelberg (Hg.), Fritz von Engelberg – Gedanken um die Landwirtschaft von morgen. Festschrift zum 80. Geburtstag von Dr. von Engelberg, 1970; Badische Bauern-Zeitung Nr. 29/1970, 9; Südkurier-Konstanz, Schwarzwälder Bote – Oberndorf, Stuttgarter Zeitung, Ausgaben Juli/August 1970: Beiträge zum 80. Geburtstag von Fritz von Engelberg; Hans Kehrl, Krisenmanager im Dritten Reich, Erinnerungen, 1973; Erich Lang, Der „Kleine Kreis“ – heute „Fritz von Engelberg-Kreis“, – Gründung und Entwicklung bis 1973, 1990 (im Besitz des Verfassers)
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