Leiber, Lukas 

Geburtsdatum/-ort: 31.07.1896;  Hattingen
Sterbedatum/-ort: 14.02.1974;  Villingen
Beruf/Funktion:
  • Oberlandforstmeister im Reichsforstamt Berlin, Fürstlich Fürstenbergischer Forstdirektor
Kurzbiografie: 1914 Abitur mit Auszeichnung am Fürstenberggymnasium Donaueschingen
1914-1918 Weltkriegsteilnehmer
1919 Studium der Forstwissenschaft an der TH Karlsruhe und an der Universität Freiburg: 1920 Vorexamen, 1921 Fachexamen, 1923 Staatsexamen
1930 Leiter des Forstamts St. Märgen
1934 Waldbaureferent der Forstabteilung des badischen Finanzministeriums
1937 Waldbaureferent im Reichsforstamt Berlin
1941 Oberlandforstmeister
1947 Leiter des Staatlichen Forstamts Heidelberg
1949-1962 Leiter der Fürstlich Fürstenbergischen Forstverwaltung
1962 Bundesverdienstkreuz 1. Klasse
1968 Wilhelm-Leopold-Pfeil-Preis der Freiherr vom Stein-Stiftung Hamburg
1972 Dr. h. c. der Universität, München
Weitere Angaben zur Person: Verheiratet: 1926 Karlsruhe, Hedy, geb. Pannier (gest. 1970)
Eltern: Lukas Leiber
Berta, geb. Schmid
Geschwister: Karl, Holzhändler
Helene, unverheiratet
Kinder: Dr. jur. Gert Leiber, Rechtsanwalt
Hannelore
GND-ID: GND/1012283313

Biografie: Karl Hasel (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 297-299

Als Sohn eines Ratsschreibers und Landwirts auf der Baar unweit Donaueschingen aufgewachsen, begann Leiber unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs an der TH in Karlsruhe mit dem Studium der Forstwissenschaft. Er gehört zu jener Nachkriegsgeneration badischer Forstleute, die eine ganze Reihe bedeutender Persönlichkeiten hervorgebracht hat. Seine Lehr- und Lernzeit fiel in die Jahre, als Karl Philipp als streitbarer Landesforstmeister der badischen Forstverwaltung viele neue Impulse von bleibendem Wert, aber auch verhängnisvolle Einseitigkeiten brachte. Es ist bezeichnend für Leiber, daß er der Faszination des Älteren nicht erlegen ist, sondern schon bald kritischen Abstand genommen hat, nachdem er als scharf beobachtender Forsteinrichter die Waldungen im ganzen Lande Baden kennengelernt hatte. Mitentscheidend für seine Entwicklung war, daß er, im Jahr 1930 zum Leiter des Forstamts St. Märgen im südlichen Schwarzwald ernannt, rasch erkannte, daß der damals von der Forstverwaltung in den badischen Waldungen ohne Rücksicht auf Standort und Baumarten als Betriebs- und Verjüngungssystem allein zugelassene Keilschirmschlag für den Hochschwarzwald ganz ungeeignet war. In Karlsruhe wurde man rasch auf den jungen energischen Forstamtsleiter aufmerksam und berief ihn schon 1934 zum Waldbaureferenten der Forstabteilung des Finanzministeriums. Im folgenden Jahr übernahm er noch das Personalreferat für den höheren Dienst. Seine gerade, ruhige, ausgeglichene Art machte ihn in der damals sehr bewegten Zeit für diese Aufgabe besonders geeignet. Ohne viel Aufhebens, oft ohne daß der Betroffene es je erfuhr, hat er in aller Stille manchen politischen Verfolgten in Schutz genommen. Zusammen mit dem Landesforstmeister Wilhelm Hug hat er alle Kraft dafür eingesetzt, Ungerechtigkeiten zu verhindern und reine Parteileute aus der Leitung der Forstverwaltung fernzuhalten. Aber seine ganze berufliche Leidenschaft gehörte dem Waldbau. In zahlreichen Bereisungen wurden Wirtschaftsgrundsätze für die verschiedenen Waldgebiete erarbeitet, wurde langsam von den Einseitigkeiten der Philippschen Richtung abgerückt, ohne die Fortschritte anzutasten, die er gebracht hatte. Eine Reihe amtlicher Druckschriften behandelte aktuelle Probleme, wissenschaftliche Erkenntnis und waldbauliche Erfahrung zusammenführend.
Den Höhepunkt seiner Karlsruher Tätigkeit bildete 1937 der Vortrag „Bestandspflege und Verjüngung“ vor dem Deutschen Forstverein in Freiburg, wo er in umfassender Schau seine Konzeption des Waldbaus vorstellte. Es war eine wohlbegründete, scharfe Absage an die damals weitverbreitete Idee allgemeinverbindlicher forstlicher Betriebssysteme, die auf Standort und Baumarten keine Rücksicht nahm. Der Angriff richtete sich nicht zuletzt gegen den vom Reichsforstamt zunächst für Preußen vorgeschriebenen „Dauerwald“, eine einseitige Waldbaurichtung. Um die Produktionskräfte des Waldes zur höchsten Leistung zu bringen, so Leiber, müsse sich der Waldbau aller denkbaren Waldformen bedienen, aber keiner von ihnen die Alleinherrschaft zugestehen. „Das Ziel ist eindeutig, der Weg dahin ist für die verschiedenen Landschaften vielfältig.“ Unbekümmert wandte er sich gegen die damals in Preußen von höchster Stelle geforderten Bemühungen um allgemeine Einführung der Plenterwaldform, einer bestimmten Waldaufbauform im ganzen deutschen Wald, den er nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zulassen wollte. Der Vortrag erntete stürmischen Beifall, er war den meisten Zuhörern aus dem Herzen gesprochen. Er machte Leiber mit einem Schlag in ganz Deutschland bekannt als den Vertreter eines, wie es bald hieß, „freien Stils des Waldbaus“. Der Leiter der Versammlung, Generalforstmeister von Keudell, fand, tief enttäuscht, für den Redner nur wenige dürre Worte und leitete gegen ihn ein Dienststrafverfahren ein. Dem nachfolgenden Vortrag des Dauerwaldfreundes Hausendorf war die Schau genommen.
Die Wirkung des Freiburger Vortrags war gewaltig. Wenige Wochen später war von Keudell abgelöst, zumal die jetzt einsetzenden Mehrhiebe in den Waldungen mit seinem Waldbaukonzept nicht bewältigt werden konnten. Leiber wurde als Waldbaureferent ins Reichsforstamt berufen. Hier hatte er die einmalige Gelegenheit, alle Waldungen des Reichsgebiets aus eigener Anschauung kennenzulernen. Sein fundiertes Wissen, seine tolerante Art, seine Ablehnung jeder Einseitigkeit ließen ihn rasch überall Vertrauen gewinnen. Das hinderte ihn aber nicht, gegen offenkundige Fehler, Nachlässigkeiten und Versäumnisse seinen ganzen „Baaremer Charm“ zur Geltung zu bringen. Frucht der Arbeit dieser Jahre war eine Reihe im Reichsministerialblatt der Forstverwaltung veröffentlichter Erlasse über grundsätzliche Fragen des Waldbaus; sie sind auch heute noch nicht veraltet. Bei alledem war Leiber sehr tolerant; er anerkannte jede echte Leistung. Von einem seiner Mitarbeiter sagte er einmal, was er in seinen Büchern schreibe, sei dummes Zeug, aber was er im Wald mache, sei in Ordnung. Es ist für Leiber bezeichnend, daß er zu Beginn des Krieges (am 3.2.1940) einen Erlaß des Reichsforstamts „Landschaftspflege und forstliche Betriebsführung“ herausbrachte, in dem er forderte, bei allen Maßnahmen der forstlichen Betriebsführung auf Landschaftspflege und -gestaltung gebührende Rücksicht zu nehmen; aussprechen, was heute selbstverständlich ist, konnte damals gefährlich sein.
Bald verdichtete sich seine Aufgabe darauf, dafür zu sorgen, daß die im Krieg notwendig gewordenen Mehr- und die dann später folgenden Sortimentshiebe in waldbaulich tragbarer Weise erhoben wurden; in der Art, wie das unter gegebenen Verhältnissen geschehe, erweise sich das Können eines forstlichen Betriebsleiters. Um wertvolle Althölzer für den Wiederaufbau nach dem Kriege zu erhalten, forderte er die Ausschöpfung aller Durchforstungsreserven bis hin zur waldbaulich vertretbaren Obergrenze. Auf dem Höhepunkt des Krieges erschien der später vielzitierte Tannenerlaß, der alle Standorte, in denen sich die gegen grobe Eingriffe empfindliche Weißtanne einigermaßen gesund und widerstandsfähig erhalten hat, unter besonderen Schutz gestellt wurde. Man möge bedenken, was es bedeutete, daß in einer Zeit, in der die Vornahme abfuhrgünstiger Kahlhiebe von Parteiseite nachdrücklich verlangt wurde, das Reichsforstamt bestimmte: „Kahlhieb in naturgemäßen Tannenmischbeständen ist verboten.“ Dort findet sich auch der leidenschaftliche Jäger provozierende Satz, daß in der Lebensgemeinschaft Wald die Tanne eine bevorzugtere Stellung einzunehmen hat als das Wild.
Daß damals das Ziel des Waldschutzes im großen Ganzen erreicht und größeres Übel abgewendet wurde, war entscheidend Leibers Verdienst. Es bedurfte eines hohen Maßes an Unerschrockenheit und Mut, zu weitgehende oder in ihren Auswirkungen gefährliche Anforderungen der Kriegswirtschaft abzuwehren und Forstleute, die sich durch ihr Verhalten den Zorn der politisch Mächtigen zugezogen hatten, zu schützen. Leiber war tief erschüttert, als ihn im Herbst 1944 ein dienstlicher Auftrag in das Konzentrationslager Buchenwald führte und er dabei Einblick in die wirklich bestehenden Verhältnisse erhielt. Es verdient festgehalten zu werden, daß es im Reichsforstamt eine verschworene Gemeinschaft von Forstleuten gab, die in aller Stille Schlimmes für den Wald verhütet hat. Ihr spiritus rector war Leiber.
Leiber hatte in Berlin alle seine Habe verloren; er konnte sich noch rechtzeitig mit seiner Familie nach Süddeutschland absetzen. Für den ehemaligen Referenten der badischen Forstverwaltung war nach seiner Rückkehr keine leitende Stelle verfügbar. Auch Amerikaner und Franzosen waren gegenüber allen, die einmal in einem Reichsministerium tätig gewesen waren, höchst mißtrauisch. Im Mai 1947 wurde ihm die Leitung des staatlichen Forstamts Heidelberg übertragen; er hat sich später noch gern an diese Zeit zurückerinnert.
Am 1. August 1949 trat Leiber in den Dienst der Fürstlich Fürstenbergischen Verwaltung in Donaueschingen als Leiter der Forstverwaltung ein. Er war in dieser Stellung bis zu seiner Zurruhesetzung im Jahr 1962, also volle 12 Jahre, tätig. Er hat dem fürstlichen Haus seine reiche Erfahrung zur Verfügung gestellt und, unterstützt durch tüchtige Mitarbeiter, eine moderne und leistungsfähige Privatforstverwaltung geschaffen. Er hat das Instrument, das ihm in die Hand gegeben war, zu hoher Leistung entwickelt und, getragen vom Vertrauen seines Dienstherrn, die eindrucksvolle Gemeinschaft der Fürstenbergischen Forstverwaltung geschaffen. Bald wurden die fürstenbergischen Waldungen im Schwarzwald Ziel vieler Besucher. Dabei hat seine Originalität im fürstlichen Dienst nichts eingebüßt. Er konnte unbefangen aussprechen, was andere kaum zu denken wagten.
Eine Persönlichkeit wie Leiber wurde häufig auch zu Aufgaben außerhalb seines eigentlichen Wirkungskreises herangezogen. Er war Mitglied des Bewertungsbeirats beim Bundesfinanzministerium für Fragen der Waldbesteuerung. Er war viele Jahre Mitglied des Deutschen Forstwirtschaftsrats und Vorsitzender des Ertragssteigerungsausschusses, er wirkte im Badischen Waldbesitzerverband und wurde noch vor Gründung des Landes Baden-Württemberg Vorsitzender des Baden-Württembergischen Forstvereins. Am Aufbau der baden-württembergischen Forstverwaltung war er als Ratgeber maßgeblich beteiligt. Wo immer er in solchen Gremien tätig war, wurde er ihr Motor; dabei sprach er kein unnötiges Wort.
Leibers Wirken in der Öffentlichkeit spiegelt sich in zahlreichen Ehrungen, darunter das Verdienstkreuz erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik, der sehr angesehene Wilhelm-Leopold-Pfeil-Preis der Stiftung Freiherr-vom-Stein zu Hamburg und 1972 die Ehrendoktorwürde der Universität München.
Seitdem seine treue Lebensgefährtin ihn verlassen hatte, war es stiller um ihn geworden. Er war jetzt viel zwischen Freiburg und Donaueschingen unterwegs, zuletzt meist dort. Jedesmal, wenn er in Freiburg war, suchte er Kontakt mit den alten Freunden.
Werke: Jahresbericht des Deutschen Forstvereins 1937, S. 305-328. Verzeichnis sämtlicher Veröffentlichungen in: Biographie bedeutender Forstleute in Baden-Württemberg, 1980, S. 368-374 (Mörmann)
Nachweis: Bildnachweise: Vgl. Literatur

Literatur: P. Mörmann, Lukas Leiber zum Gedenken, in: Forst- und Holzwirt 1974/8, 175-176; ders., Lukas Leiber in: Biographie (vgl. Werke), mit Bild
Suche
Durchschnitt (0 Stimmen)