Nägele, Gottfried 

Geburtsdatum/-ort: 10.11.1841;  Ebnet bei Bonndorf
Sterbedatum/-ort: 27.01.1914;  Waltersweier bei Offenburg, dort beigesetzt
Beruf/Funktion:
  • Geistlicher, Konchylienkundler
Kurzbiografie: 1849-1856 Volksschule Sommerau, danach Ebnet
1858-1864 Gymnasium Donaueschingen, seit 1860 Konstanz mit Abitur
1864-1867 Studium der katholischen Theologie in Freiburg
1867-1868 Studienjahr St. Peter; dort Priesterweihe (4.8.1868)
1868-1872 Vikar in Grießen, Neustadt, Waldshut
1872-1874 Kaplaneiverweser in Steißlingen; zugleich Privatlehrer der Kinder des Barons von Stotzingen
1874-1875 Pfarrverweser in Söllingen (Dekanat Ottersweier)
1875-1914 Pfarrverweser, seit 1883 Pfarrer in Waltersweier
1888-1914 Mitglied der Deutschen Malakozoologischen Gesellschaft Frankfurt a. M.
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: Unverheiratet
Eltern: Vater: Johann (1795-1843), Landwirt
Mutter: Ottilia, geb. Morath (1807-1884)
Geschwister: 3 Schwestern, ein Bruder, früh verstorben
GND-ID: GND/1012290433

Biografie: Clemens Siebler (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 211-212

In der ländlichen Abgeschiedenheit des Hochschwarzwaldes aufgewachsen, zeigte Nägele bereits in frühen Jahren eine starke Naturverbundenheit, eine innige Vertrautheit mit der Pflanzen- und Tierwelt seiner Heimat. Es bedurfte großer Überzeugungskraft des Dorflehrers, die früh verwitwete Mutter dazu zu bewegen, trotz der ärmlichen Verhältnisse dem stillen, geistig jedoch aufgeweckten Knaben den Besuch einer höheren Schule zu ermöglichen. Der verspätete Eintritt ins Gymnasium bewirkte, dass Nägele erst mit 23 Jahren die Reifeprüfung ablegte.
Obwohl als Schüler vor allem der Naturkunde zugetan, wollte Nägele Priester werden. Unauffällig und bescheiden, aber ob seiner Freundlichkeit allgemein beliebt, nahm seine theologische Ausbildung den gewohnten Gang. Nach der Priesterweihe übte er seine Seelsorgetätigkeit auf verschiedenen Vikarsstellen aus. In Waldshut unterwies er den gleicher Weise zum Priestertum drängenden J. B. Jordan aus Gurtweil in der griechischen Sprache und in den naturwissenschaftlichen Fächern.
Dass Nägele bereits früh mit der Wahrnehmung pfarrlicher Funktionen betraut wurde, war eine direkte Folge des spürbaren Priestermangels, der durch den badischen Kulturkampf und das den jungen Theologen abverlangte Kulturexamen verursacht worden war. Acht Jahre pastorierte er als Pfarrverweser in Waltersweier. Auf ausdrücklichen Wunsch des Bürgermeisters und der Gemeinderäte übertrug ihm Erzbischof J. B. Orbin 1883 diese Pfarrei. Nicht sein Wirken als Dorfpfarrer, sondern seine naturwissenschaftliche Sammler- und Forschertätigkeit begründete Nägeles überlokalen Bekanntheitsgrad. Die aufmerksame Beobachtung der heimischen Pflanzen und Tiere war eine Beschäftigung, der er schon als Bauernkind und Hütejunge nachging und die in ihm mehr und mehr den Wunsch nach der Erforschung der Flora fremder Länder geweckt hatte. Berühmt im eigentlichen Sinn wurde Nägele aber durch die Entdeckung und wissenschaftliche Bestimmung zahlreicher Schneckenarten, im besonderen der Konchylien. Diese Tätigkeit verfolgte er mit solcher Systematik, dass er zu verschiedenen außereuropäischen Missionsstationen briefliche Kontakte knüpfte und um die Zusendung besonders schöner und ausgefallener Exemplare bat. Mit dem zusammengebrachten Material richtete er sich im Laufe vieler Jahre eine reich ausgestattete Sammlung von Schneckengehäusen ein. Daher wurde er im Volksmund liebevoll „Schneckenpfarrer“ genannt.
Von noch größerer Tragweite war, dass Nägele die zahlreich anfallenden Dubletten verschiedenen Hochschulen und Sammlungen des In- und Auslandes für deren malakozoologische Forschungen zur Verfügung stellte. Die ihm für die gelieferten exotischen Kostbarkeiten angewiesenen Geldbeträge ließ er den katholischen Missionsstationen für ihre besonderen Bedürfnisse zukommen. So entstand ein regelrechtes Tausch- und Verkaufsgeschäft, dessen Erlös er uneigennützig in den Dienst der christlichen Glaubensverkündigung stellte. Die von Nägele der Wissenschaft zugeführten neuen Arten wurden in enger Zusammenarbeit mit den Professoren O. Boettger und W. Kobelt am Frankfurter Senckenberg-Museum untersucht und eingeordnet, im „Nachrichtsblatt der Deutschen Malakozoologischen Gesellschaft“ vorgestellt und beschrieben und in den Bänden der „Iconographie der Land- und Süßwasser-Mollusken“ gleicherweise kommentiert und erstmals abgebildet. Nägele selbst hat im „Nachrichtsblatt“ mehrere Beiträge veröffentlicht.
Seine eigene kostbare Konchyliensammlung hatte Nägele dem mit ihm befreundeten Freiburger Weihbischof F. J. Knecht vermacht, der sie den Ursulinen des Katholischen Instituts in Freiburg für Unterrichtszwecke übergab. Nach der Auflösung dieser Lehranstalt (1941) konnte die „Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft“ in Frankfurt diese Sammlung erwerben.
Nägele, der mit Gelehrten und Forschungsanstalten der ganzen Welt in Verbindung stand, war doch stets der bescheidene Dorfpfarrer geblieben. Allen kirchlichen und staatlichen Ehrungen und Auszeichnungen abhold, blieb er als Seelsorger der ihm anvertrauten Pfarrgemeinde Waltersweier bis zu seinem Tod verbunden.
Werke: Verzeichnis der malakozoologischen Veröffentlichungen v. G. Nägele, in: A für Molluskenkunde ( A f. Moll.), 93. Jg., 1964, 265; Verzeichnis der v. Nägele beschriebenen Arten u. Unterarten, ebd., 265 f.
Nachweis: Bildnachweise: StA Freiburg, Bildnissammlung; A f. Moll. 93. Jg., 1964, 263; BH H.4 , 1994, 606; Schüssler, Waltersweier, 1999, 557 (vgl. Lit.).

Literatur: Iconographie d. Land- u. Süßwasser-Mollusken, hg. v. E. A. Rossmässler u. W. Kobelt, N. F. Bd. 11 (= Registerband), ferner Bde. 12-16, 1904-1911 (s. Bandregister); N. N., G. Nägele, Pfarrer in Waltersweier †, in: Offenburger Ztg. vom 31. 1. 1914; J. Mayer, G. Nägele, in: Necrologium Friburgense 1914, FDA 44, NF Bd. 17, 1916, 50 f.; F. Dor, G. Nägele. Ein stilles Priester- und Gelehrtenleben, 1918; N. N., Ein Herold des Friedens. Pfarrer G. Nägele, in: Korrespondenz des Priester-Gebetsvereines Associatio Perseverantiae Sacerdotalis, 39. Jg., Nr. 8, 1918, 120-123; F. Dor, G. Nägele Ein stilles Priester- und Gelehrtenleben (geringf. geänd. Fsg. 1918), in: Hirtentreue. Neue Lebensbilder aus dem Klerus, 285-314, 1924; N. N., Treue Hirten, in: Korrespondenz Associatio Perseverantiae Sacerdotalis, 46. Jg. Nr. 9, 1925, 141 f.; A. Zilch, 1. Nachtrag zu „Die chinesischen Land- u. Süßwasser-Gastropoden des Natur-Museums Senckenberg“, in: A f. Moll. 74. Jg., 1942, 28-36; A. Zilch, G. Nägele (1841-1914), in: A f. Moll. 93. Jg., 1964, 263-266; C. Siebler, Ein wenig bekanntes Forscherleben. Das Lebenswerk des bad. Schneckenpfarrers G. Nägele, in: BH 74. Jg. H. 4, 1994, 605-616 (mit weiterführ. Literatur); K.-H. Schüssler, Waltersweier. 1200 Jahre Ortschronik: Vom Bauern zum Nebenerwerbslandwirt/Vom Dorf zum Stadtteil. Hg. Stadt Offenburg, Ortsverwaltung Waltersweier 1999, 556-560.
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