Graf, Hermann 

Geburtsdatum/-ort: 24.10.1912;  Engen/Hegau
Sterbedatum/-ort: 04.11.1988;  Engen, beigesetzt in Engen
Beruf/Funktion:
  • Jagdflieger, Förderer des deutschen Fußballs
Kurzbiografie: 1919-1920 Volksschule Engen
1927-1930 Bezirks-Gewerbeschule Engen
1930-1939 Ausbildung und Tätigkeit als Ratsschreiber der Stadt Engen; dazwischen: 1930 Beginn mit dem Segelflug (erste Versuche schon als Zwölfjähriger), 1935 Beginn mit dem Motorflug
1935/36 Lehrgang an der Fliegerschule Karlsruhe
1939 April Unteroffizierslehrgang, Offiziersanwärter der Reserve, Juli Freiwilliger bei den Aiblinger Jagdfliegern
1940 Mai/Juni Teilnahme am Westfeldzug; 21 Einsätze, noch keine Abschüsse
1941 Juni-September 1942 Leutnant, Oberleutnant, zuletzt Hauptmann und Staffelkapitän im Jagdgeschwader 52 an der Ostfront; 202 Luftsiege; Ritterkreuz, Eichenlaub, Schwerter und Brillanten zum Ritterkreuz; Ehrenbürger der Stadt Engen
1942 Oktober-März 1943 Kommandeur der „Ergänzungsjagdgruppe Ost“ in Südfrankreich; Major und Oberstleutnant
1943 April-Mai 1945 Oberst und Kommodore der Jagdgeschwader 11 und 52; Einsatz in der „Reichsverteidigung“, insbesondere in der „Höhenjagd“; weitere 50 Luftsiege; Bildung der Fußballmannschaft der „Roten Jäger“ auf Bitte Sepp Herbergers
1945 Mai-Januar 1950 Sowjetische Kriegsgefangenschaft
1950-1978 Tätigkeit als Industriekaufmann in Rastatt und an anderen Orten
1980 Heimkehr nach Engen
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: 1959 Düsseldorf, Helga, geb. Schröck
Eltern: Wilhelm Franz Graf (1878-1937), Bäcker und Landwirt
Maria, geb. Sailer (1877-1953)
Geschwister: Wilhelm Graf (1904-1981)
Dr. med. vet. Josef Graf (1909-1981)
Kinder: Hermann Ulrich (geb. 1959)
Birgit Maria (geb. 1961)
GND-ID: GND/101239333X

Biografie: Heinrich Bücheler (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 166-167

Graf nutzte schon als Jugendlicher alle Möglichkeiten zum Flugsport, welche die Geographie des Hegaus und die politische Entwicklung ihm boten. Bei Kriegsausbruch 1939 war er zum Jagdflieger besonders qualifiziert. Nach einer Anlaufzeit brachte das Kriegsjahr 1942 ihm die größten Erfolge. An der Ostfront errang Graf mit seiner Me 109 innerhalb weniger Monate erstmalig in der Luftkriegsgeschichte über 200 Luftsiege. Der Wehrmachtsbericht meldete am 3. Mai 1942 seinen 76., am 5. September bereits den 150., am 22. September den 185. und am 27. September den 202. Luftsieg. Viele Abschüsse erzielte Graf im Luftraum über der auf Stalingrad vorstoßenden 6. Armee, deren Kampf er wirkungsvoll unterstützte. Zwischen Januar und September 1942 wurde Graf mit dem Ritterkreuz sowie mit dem Eichenlaub, den Schwertern und den Brillanten zum Ritterkreuz ausgezeichnet. Die Brillanten erhielt er als fünfter Soldat der Deutschen Wehrmacht, ein halbes Jahr vor Rommel, und als einziger Soldat badischer Herkunft. Ende September 1942 wurde Graf, inzwischen zum Hauptmann befördert, auf Befehl Görings von der Ostfront abgezogen; über dem Flughafen Pitomnik bei Stalingrad verabschiedete er sich mit Funkspruch von der 6. Armee. Nach kurzer Verwendung als Kommandeur der in Südfrankreich stationierten „Ergänzungsjagdgruppe Ost“ wurde Graf im Frühjahr 1943 Kommodore des Jagdgeschwaders 11, das in Rotenburg bei Bremen lag. Sein Auftrag war, die von den Britischen Inseln das Reichsgebiet angreifenden alliierten Bomberströme abzufangen. Graf war dann längere Zeit der einzige Brillantenträger, der Tageinsätze in der „Reichsverteidigung“ flog. Ein Sonderauftrag war die „Höhenjagd“, das Abfangen der in großer Höhe einfliegenden Aufklärer und Schnellbomber des Typs „Mosquito“. In den Luftschlachten über dem Reichsgebiet schoß Graf bis Kriegsende weitere 50 Bomber, Begleitjäger und Aufklärer ab und brachte es auf insgesamt 252 Abschüsse in rund 830 Einsätzen. Diese spektakulären Siege errang Graf durch fliegerisches Können und die fast traumhafte Sicherheit eines Jagdflugzeugs Me 109, mit der er oft aus großen Höhen auf die Feindmaschinen niederstieß. An der Ostfront motivierte ihn der Wille, den überforderten Heeresgruppen zu helfen, und in der Reichsverteidigung der Anblick der schweren Verwüstungen und Menschenverluste durch die alliierten Luftangriffe.
Neben dem Flugsport war Graf schon in seiner Jugend ein begeisterter Fußballer und Torwart des FC Engen. Als Oberst und höchstdekorierter Kommodore fand er von 1943 bis Kriegsende dann Möglichkeiten, auf Bitten des Reichstrainers Sepp Herberger hervorragende Fußballspieler von der Front in sein Geschwader versetzen zu lassen und sie der deutsche Nationalmannschaft zu erhalten. Zu den bekanntesten „Roten Jägern“ in der Fußballmannschaft des Jagdgeschwaders Grafs gehörte u. a. der spätere Spielführer der deutschen Weltmeisterelf von 1954, Fritz Walter. Die Kameradschaft der „Roten Jäger“ überdauerte den Zusammenbruch und die Jahre der Gefangenschaft. Nach einem Absturz und schwerer Verwundung Ende März 1944 übernahm Graf das Jagdgeschwader 52, dessen Stab bei Kriegsende in Deutsch-Brod in Böhmen lag. Graf geriet zunächst in die Gefangenschaft der Amerikaner, wurde aber von diesen an die Sowjetarmee ausgeliefert. Weil er dann schon 1950 entlassen wurde, andere Offiziere aber erst nach Adenauers Besuch 1955 in Moskau heimkehren konnten, kam es zu Verdächtigungen. Graf gehörte zeitweise dem „Nationalkomitee Freies Deutschland“ an, aber nicht der ANTIFA. Vermutlich wäre er auch nie in sowjetische Gefangenschaft geraten, wenn er den Befehl des Kommandierenden Generals Seidemann befolgt hätte, aus Böhmen auszufliegen und sich in Dortmund den Engländern zu ergeben. Graf wollte aber bei seinem Stab bleiben. Graf war im Grunde ein unpolitischer Mensch. Das NS-Regime begrüßte er nur insofern, als es ihm reichlich Gelegenheit zum Fliegen verschaffte. Nach 1950 bis zu seiner Erkrankung als Industriekaufmann tätig, wies er alle Versuche ab, ihn als ‚Kriegshelden‘ rechtsradikal zu gebrauchen und trat der CDU bei. Seine Liebe galt bis zuletzt dem Fußballsport.
Quellen: Auskünfte von Grafs Gattin Helga Graf, D-78234 Engen/Hegau
Nachweis: Bildnachweise: Fotos als Jagdflieger und als Fußballspieler vor allem in E. Heuner und B. K. Joachim

Literatur: Gerhard von Seemen, Die Ritterkreuzträger 1939-1945. Bad Nauheim 1955; Fritz Walter, Elf rote Jäger. 1957; Die Roten Jäger. Ein Schicksalsbericht deutscher Nationalspieler aus dem letzten Kriege. Broschüre, Hg. Ernst Heuner, o. J.; Oberst Hermann Graf. 200 Luftsiege in 13 Monaten. Ein Jagdfliegerleben nacherzählt von Berthold K. Joachim. 1975, 5. Aufl. 1985; Günter Fraschka, Mit Schwertern und Brillanten. Die Träger der höchsten deutschen Tapferkeitsauszeichnung, darin S. 65-76: „Oberst Hermann Graf: Fliegen, Kämpfen, Fußballspielen.“ Wiesbaden- München (7. Aufl. 1977); Berichte des Oberkommandos der Wehrmacht 1939-1945. Bd. 3. München (1988)
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