Bardon, Johann („Hans“) 

Geburtsdatum/-ort: 06.02.1872;  Mannheim-Waldhof
Sterbedatum/-ort: 19.03.1946;  Wertheim
Beruf/Funktion:
  • Bürgermeister
Kurzbiografie: 1886-1889 Schreibgehilfe in Mannheimer Anwaltskanzleien
1889-1891 Ratsschreibergehilfe bei der Stadtverwaltung Weinheim
1891-1895 Armenratssekretär bei der Stadtverwaltung Pforzheim
1895 Feb., 1896 Jan. Ratsschreiber bei der Stadtverwaltung Wertheim
1905-1933 Bürgermeister von Wertheim
1945 Bürgermeister-Stellvertreter von Wertheim
1946 Ehrenbürger von Wertheim
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1897 (Wertheim) Barbara Elisabeth, geb. Meuter (1878-1968)
Eltern: Vater: Nikolaus Bardon, Fabrikaufseher
Mutter: Elisabetha, geb. Schenkel
Geschwister: 2
Kinder: 2 Töchter
GND-ID: GND/1012561569

Biografie: Volker Rödel (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 4 (1996), 6-7

Bardon verkörpert den Typus des Kommunalverwaltungspraktikers, der als Autodidakt im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts sehr erfolgreich den Modernisierungsprozeß einer Kleinstadt leitete. Aus kleinen Verhältnissen kommend und nach der Schulpflichtzeit lediglich als Schreibgehilfe in Anwaltskanzleien seiner Vaterstadt mit Grundlagen des Rechtslebens vertraut geworden, erwarb er sich in der Folge auf Schreiberstellen in Weinheim und Pforzheim umfassende Kenntnisse auf allen Gebieten der Gemeindeverwaltung, so daß er unter 20 Bewerbern als der Geeignetste befunden wurde, als 1895 die zweite Ratsschreiberstelle bei der Stadtverwaltung Wertheim zu besetzen war. Ein Wechsel im Amt des Bürgermeisters und sein Vorrücken auf die erste Ratsschreiberstelle wegen Todesfalls luden ihm alsbald den größten Teil der Verwaltungsarbeit auf. An seiner neuen Wirkungsstätte rasch heimisch machten ihn seine 1897 mit einer Wertheimerin geschlossenen Ehe und seine vielfältige Teilnahme am Vereinsleben – seine im Turnen geübte große Körperkraft war stadtbekannt. Aufgrund seiner fachlichen Befähigung wurde Bardon 1905 mit großer Mehrheit zum ersten Berufsbürgermeister von Wertheim gewählt, als der Vorgänger überraschend verstarb.
Mit großer Tatkraft und ständig erweiterter Sachkunde nahm er sich der Probleme der durch die Randlage benachteiligten Kleinstadt an und verschaffte Wertheim zielstrebig Anschluß an eine zeitgemäße kommunale Entwicklung, beginnend mit dem Erwerb von Immobilien, denn die Stadt war fast ohne Grundbesitz. Eine Eingemeindung (Bestenheid, 1911), Erwerb und Betrieb des Gaswerks, Baumaßnahmen an Schulen, Straßen, Wegen, dem Hafen, der Wasserversorgung und der Kanalisation, die Erstellung von Ortsbauplänen, Bau von stadteigenen Wohnungen nach dem 1. Weltkrieg, Anlage des Sportplatzes und Bau der Jugendherberge, Schaffung einer selbständigen Stromversorgung und Ausbau des Ortsnetzes, Sanierungs- und Verkehrsregulierungsmaßnahmen sowie die Förderung des Fremdenverkehrs zählen zu seinen wichtigsten Verdiensten um die Stadt. Sein moderner, auf eine funktionierende Registratur und statistische Erhebungen gestützter Verwaltungsstil verschafften ihm großes Ansehen, so daß er sowohl 1914 als auch 1923 wiedergewählt wurde. Parteipolitisch der DDP zuzurechnen, verstand er sich jedoch als überparteilicher Sachwalter, und Einwände gegen seine Amtsführung wurden erst während der 20er Jahre erhoben, als man ihm einerseits eine Tendenz zu Sozialisierungsmaßnahmen, andererseits zu wenig Rücksicht auf wirtschaftlich Schwächere vorwarf. Der Festakt zu seinem 25jährigen Dienstjubiläum 1930 brachte noch einmal den großen Respekt vor dem kompetenten, schöpferischen und zielstrebigen Verwaltungsmann und seine große Beliebtheit bei der Bevölkerung zum Ausdruck.
Hatte dem überzeugten und kämpferischen Demokraten die örtliche NSDAP schon seit 1931 mit „gesetzwidrigen, gegenstandslosen oder bedenklichen Anträgen“ die Arbeit schwer gemacht, so war an eine für März 1933 anstehende Wiederwahl aufgrund der neuen Machtverhältnisse nicht zu denken. Seine Verunglimpfung und Entmachtung stellt ein Musterbeispiel für die Machtergreifung der NSDAP in einer Kommune dar; am 20. 3. kam er, körperlich angeschlagen und zermürbt, um vorzeitige Pensionierung ein. Eine vom Gemeinderat beschlossene Besoldungsrückstufung mußte 1934 auf Anweisung des Innenministeriums zurückgenommen werden. Die Verurteilung in einem gegen ihn angestrengten Strafverfahren wegen Aktenbeseitigung wurde in zweiter Instanz auf ein Mindestmaß gesenkt; gegen den in einem Dienststrafverfahren wegen Amtsverfehlungen in vier Punkten ergangenen Spruch, der sofortige Ruhegehaltskürzung zur Folge hatte, klagte Bardon, nachdem die Stadt einen gütlichen Einigungsversuch abgelehnt hatte, erfolgreich beim Verwaltungsgerichtshof, und die Disziplinarkammer erkannte dank der immer noch recht gut funktionierenden badischen Innenverwaltung wegen eines der vier Punkte nur auf eine Ordnungsstrafe. Bardon lebte fortan zurückgezogen in Wertheim, bis ihn die US-Militärregierung im April 1945 als ersten um Übernahme der städtischen Verwaltungsgeschäfte bat; aufgrund seines Alters sprach er aber nur eine Besetzungsempfehlung aus und wirkte als Bürgermeister-Stellvertreter bei der Verwaltung der Stadt mit, bis dem ein Glatteisunfall auf dem Weg zum Dienst, von dem er sich nicht mehr erholte, ein Ende setzte. Die Stadt ehrte ihn noch an seinem Todestag durch die Verleihung der Ehrenbürgerrechte und benannte eine Straße nach ihm, ein später Versuch, die Schmach der Geschehnisse von 1933 – „sicher eines der unrühmlichsten Kapitel in der Geschichte der Stadt“ zu tilgen.
Nachweis: Bildnachweise: Ölgemälde von F. Bach im Rathaus der Stadt Wertheim.

Literatur: R. Frischmuth, H. Bardon zum Gedenken, in: Hist. Verein Alt-Wertheim. Jb. 1948/49, 26-34.
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