Bleidorn, Rudolf Julius 

Geburtsdatum/-ort: 14.06.1864;  Karlsruhe
Sterbedatum/-ort: 02.03.1937; Berlin-Schmargendorf
Beruf/Funktion:
  • General der Artillerie
Kurzbiografie: bis 1883 Kadettenhaus Oranienstein (Dietz/Lahn) und Hauptkadettenanstalt Berlin-Großlichterfelde
1883 IV Leutnant im 2. Badischen Feld-Artillerie-Regiment Nr. 30 Rastatt
1887 Nov.-1890 Adjutant: Mär. Abteilung in Jüterbog, 1890 Aug. Abteilung des Badischen Feldartillerie-Regiments Nr. 30, Rastatt
1891 Jan. Premierleutnant ohne Patent (Patent vom 14. 2. 1891)
1896 Sep. Hauptmann; 1897 Jun. Batterie-Chef im Schleswigschen Feldartillerie-Regiment Generalfeldmarschall Graf Waldersee Nr. 3 in Itzehoe, 1906 im Lehrregiment der Feldartillerie-Schießschule in Jüterbog
1906 Jan. Major; 1908 Jan. Kommandeur II. Abteilung des 4. Lothringischen Feldartillerie-Regiments Nr. 70, Mörchingen, 1911 Nov. der I. Abteilung Lehr-Regiment der Feldartillerie Schießschule in Jüterbog
1912 Lehrer an der Feldartillerie-Schießschule; im Oktober Oberstleutnant
1913 Kommandeur Straßburger Feldartillerie-Regiment Nr. 84 in Straßburg/Elsaß
1914 Sep. Oberst
1916 Jun. Artillerie-Kommandeur 79 bzw. 36 an der Ostfront, Kommandeur 79. Reserve-Feldartillerie-Brigade/General von der Artillerie Nr. 10 an der Westfront
1918 Feb. Generalmajor
1919 Feb. Kommandeur Feldartillerie-Schießschule Jüterbog im Oktober – Artillerie-Führer 19, 1920 Artillerie-Führer V, Stuttgart
1921 Inspekteur der Artillerie des Reichsheeres, Generalleutnant
1927 Feb. General der Artillerie, im Oktober Verabschiedung mit dem Recht des Tragens der Uniform des Artillerie-Regiments 5/Ulm-Donau und den Generals-Abzeichen
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Orden: Preußischer Roter Adler-Orden 2. Klasse; Königlich-Preußischer Kronorden 2. Klasse; Eisernes Kreuz 2. und 1. Klasse; Bayerischer Verdienstorden vom Heiligen Michael 3. Klasse mit Komturkreuz; Badischer Orden vom Zähringer Löwen, Kommandeurkreuz 2. Klasse; Sächsischer Albrechts-Orden, Komturkreuz 2. Klasse; Hamburgisches Hanseatenkreuz
Verheiratet: Carola Adele, geb. Mebius (*1871)
Eltern: Vater: Karl Friedrich, Kaufmann
Mutter: Karoline, geb. Rau
Geschwister: unbekannt
Kinder: Carola Henny Alma Maurach, geb. Bleidorn (1899-1979)
GND-ID: GND/1012561585

Biografie: Manfred Kehrig (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 4 (1996), 28-30

Das Leben dieses badischen Artillerie-Offiziers ist durch einen dem militärischen Beruf eigenen kontinuierlichen Wechsel der Verwendungen in Truppe, Stäben und Lehreinrichtungen sowie der unterschiedlichsten Standorte gekennzeichnet. Zwischen Straßburg im Elsaß, Frankfurt/Oder, Itzehoe in Schleswig und Rastatt in Baden bewegte sich seine dienstliche Tätigkeit mit dem nahe bei Berlin gelegenen Jüterbog als Zentrum der Artillerie-Waffe, deren Entwicklung er im Ersten Weltkrieg mitzugestalten begann, um sie nach dem Zusammenbruch im Reichsheere als Inspekteur der Artillerie entscheidend zu prägen. Durch seine weit über das bei einem Offizier zu erwartende Maß an Bildung und Tüchtigkeit herausragende Persönlichkeit vermochte Bleidorn vor allem mit seinen abschließenden Übungsbesprechungen fachlich und erzieherisch nicht nur auf die Artillerie-Waffe, sondern auch auf das gesamte Reichsheer einzuwirken.
Der Sohn eines badischen Kleinindustriellen erhielt seine schulische Ausbildung und Erziehung in Kadettenanstalten. Als Leutnant zur Truppe entlassen, wurde er vier Jahre später Adjutant der III. Abteilung/Artillerie-Lehrregiment in Jüterbog und noch einmal drei Jahre später, erst 26 Jahre alt, Adjutant seines Stammregiments in Rastatt. Seine sich bereits in frühen Leutnantsjahren abzeichnende fachliche Tüchtigkeit und charakterliche Beständigkeit hatten bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges eine fast 9jährige Verwendung an der Feld-Artillerieschule Jüterbog und bevorzugte Beförderungen zur Folge. Einer Ausbildung und Verwendung als Generalstabsoffizier abhold, widmete er sich mit hoher Passion der technischen und taktischen Weiterentwicklung der Feldartillerie, die, im Unterschied zu der die Festungsartillerie umfassenden Fußartillerie, zum beweglich geführten Feldheer gehörte. An der vom Chef des Generalstabes der Armee, Generalfeldmarschall Graf von Schlieffen, mit Verve – erfolglos – betriebenen Verschmelzung der beiden Waffengattungen in einer Inspektion unter Einführung auch schwerer, beweglich gemachter Kaliber in das Feldheer nahm Bleidorn den lebhaftesten Anteil: im ausgeprägt gepflegten Eigenleben von Fuß- und Feldartillerie, ihrer unterschiedlichen taktischen Ausbildung, Schießverfahren und Geräteausstattung sah er ein gravierendes Hemmnis für ihre Entwicklung zu einem den veränderten Verhältnissen der Kriegsführung, den Massenheeren angepaßten Einsatzmittel. Diese Schwierigkeiten traten Bleidorn als Kommandeur des in Straßburg im Elsaß liegenden Feldartillerie-Regiments 84, im Umgang mit den Offizieren der Fußartillerie der Festung Straßburg, noch einmal deutlich vor Augen.
Zur Erziehung und Ausbildung dieses erst zum 1. Oktober 1912 aufgestellten Regiments blieben Bleidorn nur eineinviertel Jahre Zeit. Dann rückte er mit ihm in den Ersten Weltkrieg und führte es mit Erfolg in den Gefechten und Schlachten in Lothringen, an der Aisne, bei Craonne und Hurtebise, an der Yser, im Raum von Ypern und bei Verdun. Am 8. Juni 1916 wurde Bleidorn Kommandeur der 79. Reserve-Feldartillerie-Brigade XX. Reservekorps auf dem östlichen Kriegsschauplatz. „Mit lebhaftem Bedauern sahen Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften ihren verehrten Kommandeur scheiden“, vermerkt die 1934 erschienene Regimentsgeschichte, in der vor allem seine erfolgreiche Arbeit, seine unermüdliche Fürsorge im Frieden und im Kriege, das große ihm überall entgegengebrachte Vertrauen, sein zündender Humor, sein „Frohsinn bei strammer Disziplin“ gerühmt wurden.
Bleidorn, im September 1914 zum Oberst, im Februar 1918 zum Generalmajor befördert, wurde im Anschluß an seinen Einsatz in Rußland auf dem westlichen Kriegsschauplatz als artilleristischer Führer eingesetzt in Flandern, bei St. Quentin an der Marne, bei Cambrai und bei den verschiedenen Großangriffen im Frühjahr und Frühsommer 1918. Unvergessen bleibt seine Tätigkeit als Artillerie-Kommandeur der Übungsleitung der Übungsdivision Valenciennes, mit der erstmals Organisation, taktischer Einsatz und Führung einer nahezu völlig motorisierten Infanterie-Division erprobt wurde.
Bleidorns große Zeit als Erzieher, Ausbilder und Organisator der Artillerie begann nach dem Ersten Weltkrieg, zunächst als Kommandeur der Feldartillerie-Schießschule Jüterbog, danach in seiner Verwendung als Artillerieführer V in Stuttgart. Mit Bleidorns Ernennung zum Inspekteur der Artillerie im Reichswehrministerium (1921), erhielt diese Waffengattung eine überragende und weitsichtige Persönlichkeit an ihrer Spitze, die sie, trotz allen Beschränkungen des Versailler Vertrages, organisatorisch, taktisch und materiell auf ein hohes, in Europa führendes, Niveau brachte. Bleidorns Verdienst besteht nicht nur in der Zusammenlegung von Fuß- und Feldartillerie in der Inspektion der Artillerie, sondern auch im kräftigen Ausbau der aufklärenden und beobachtenden Artillerie, in der forcierten Verbesserung des Vermessungswesens, der entscheidenden Förderung der Motorisierung, in der Herausgabe von die Kriegserfahrung nutzenden Vorschriften zur Schulung der Waffe im beweglich geführten Gefecht der verbundenen Waffen, besonders des engen Zusammenwirkens mit der Infanterie. Großen Wert legte er auf die Entwicklung und Einführung moderner Fernmeldemittel und Feuerleitverfahren unter Einschluß des Zusammenwirkens mit Luftstreitkräften. Er forderte von der Artillerie zuerst die Bekämpfung der feindlichen Artillerie und das enge Zusammenwirken mit der Infanterie: beide Waffengattungen müßten eine „Art Kartell“ bilden. Sein Einfluß als Erzieher und Ausbilder beruhte neben seinem großen fachlichen Können auf seinen hohen menschlichen Eigenschaften: seinem Gerechtigkeitssinn, seiner hilfsbereiten Kameradschaft, seinem abgewogen-zutreffenden Urteil, seinem glänzenden Humor, seiner Vertrauen ausstrahlenden menschlichen Art. Namentlich die jüngeren Offiziere haben ihn verehrt und das artilleristische Lehrbuch von Hauptmann Gilbert ist ihm gewidmet. Seine Übungsbesprechungen waren von klarem, nie verletzendem Urteil und von mitreißender Lebendigkeit. Sechs Jahre lang hat er die Artillerie des argen Beschränkungen unterworfenen Reichsheeres zu einer modernen und effektiven, den Neuerungen der Zeit gegenüber offenen Waffe gebildet. Der Name Bleidorn hatte nicht nur in Reichsheer und Wehrmacht einen guten Klang, auch die Artillerie der Bundeswehr hält heute das Andenken dieses großartigen Offiziers in Ehren, an den der Bleidorn-Turm auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr noch immer erinnert.
Nachweis: Bildnachweise: BA-MA, Bildsammlung.

Literatur: Artillerist. Rundschau, Nr. 4, April 1937, 9. Jg., 187 ff.; Militärwochenblatt Nr. 36, 1937, Spalte 2167 ff.; Artillerie-Rundschau, Nr. 2, 3. Jg. Juni 1964, 49 ff.; Kurzbiographie in Sammlung Krug: BA-MA, MSg 109/201; Das königl. preuß. Straßburger Feldartillerie-Regiment Nr. 84, 1912-1918, Erinnerungsblätter dt. Regimenter, Oldenburg 1934; Regiments-Geschichte u. Stammliste d. 2. bad. Feldartillerie-Regiments 30, 1872-1902, Karlsruhe 1902.
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