Himmel, Gustav 

Geburtsdatum/-ort: 02.11.1882;  Tübingen
Sterbedatum/-ort: 23.02.1969;  Stuttgart
Beruf/Funktion:
  • Präsident des Württembergischen Verwaltungsgerichtshofs
Kurzbiografie: bis 1901 Gymnasium Tübingen
1901-1906 Studium der Rechts- und Regiminalwissenschaften in Tübingen und Berlin (1903); militärfrei
1906 Erste höhere Justizdienstprüfung, 1910 Zweite höhere Verwaltungsdienstprüfung
1910 (04.07.) Eintritt in die württembergische Innenverwaltung
1914 (September) Regierungsassessor, 1916 Amtmann am Oberamt Balingen, 01.07.1918-26.01.1919 dort Oberamtsverweser
1919 (27.01.) verwendet als Hilfsarbeiter im württembergischen Innenministerium (Kanzleidirektion), 01.10.1919 dort planmäßiger Assessor (Titel Oberamtmann), Personalberichterstatter für den höheren Dienst, 01.04.1920 Regierungsrat auf gehobener Stelle, 1926 Oberregierungsrat
1931 (21.11.) versetzt in die Kommunalabteilung des Innenministeriums
1933 (10.04.) Leiter der Kanzleidirektion des Innenministeriums (seit 17./23.03. geschäftsführend), 13.04.1933 Ministerialrat
1937 (12.01. mit Wirkung vom 06.04.) Präsident des Württembergischen Verwaltungsgerichtshofs
1945 (mit Wirkung vom 30.09.) auf Weisung der amerikanischen Besatzungsbehörden aus dem Staatsdienst entlassen
1945 (20.09.) Internierung in Stuttgart, Ludwigsburg-Oßweil, Kuhberg bei Ulm und (bis 22.04.1946) Pflugfelden bei Ludwigsburg
1948 vorläufige Versorgungsbezüge, 1950 endgültige Zurruhesetzung
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: Else, geb. Heimsch (lebte 1969)
Eltern: Gustav Himmel (gest. vor 1937), Konditor
Sofie, geb. Seiser (gest. vor 1937)
Geschwister: nicht ermittelt
Kinder: keine
GND-ID: GND/1012577554

Biografie: Michael Ruck (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 223-227

Himmel war ein konservativer Schlüsselbeamter der 1920er Jahre, der sich durch Innenminister Eugen Bolz aus politisch-konfessionellen Gründen in seinem Karrierestreben zusehends gebremst sah. Enttäuscht lief er 1932 zur NSDAP über. Dank seiner intimen Personalkenntnisse spielte Himmel 1933/34 bei der nationalsozialistischen Indienstnahme der württembergischen Innenverwaltung eine herausragende Rolle; zugleich bewahrte er manchen Berufskollegen vor Sanktionsmaßnahmen der NS-Machthaber. Deshalb wurde Himmel 1937 als Präsident zum Württembergischen Verwaltungsgerichtshof abgeschoben. Dort hat er eine Reihe von Entscheidungen mitverantwortet, welche bei der Stuttgarter NS-Führung Unwillen hervorriefen.
Seine familiäre Herkunft hatte Himmel nicht für eine außerordentliche Karriere in der württembergischen Innenverwaltung prädestiniert. In seinem Kern rekrutierte sich deren Beamtenkorps zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach wie vor aus der protestantischen „Ehrbarkeit“ (Alt-)Württembergs oder aus ihrem unmittelbaren Umfeld. Himmel hingegen stammte aus kleinen Verhältnissen. Er gehörte zur wachsenden Zahl jener Sprößlinge unterbürgerlicher Schichten, die von den administrativen Eliten kooptiert werden mußten, als der Öffentliche Dienst gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch im Südwesten rasch zu expandieren begann. Seitdem hatte es die württembergische Beamtenschaft verstanden, ihren traditionellen Korpsgeist durch ausgefeilte Initiationsriten und Kooptationsprozeduren zu bewahren. Eine Schlüsselrolle spielten dabei die studentischen Korporationen der Landesuniversität Tübingen, deren Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät den württembergischen Staat exklusiv mit Nachwuchs für den höheren Justiz- und Verwaltungsdienst versorgte. Die ehemaligen Verbindungen des Evangelischen Stifts nahmen hierbei eine privilegierte Stellung ein. Das galt insonderheit für den Tübinger Lichtenstein, dem sich Himmel zu Beginn seiner Studienzeit anschloß. Über Generationen hinweg hatte es diese Korporation immer wieder verstanden, ihre Angehörigen auf herausgehobenen Posten der Innenverwaltung zu plazieren. Auch Himmel profitierte von seiner Zugehörigkeit zu dieser besonders erfolgreichen Verbindungsseilschaft.
Im Frühjahr 1918 war ein Lichtensteiner in die personalpolitische Schaltstelle des Innenressorts gelangt. Als stellvertretender Leiter der Kanzleidirektion bearbeitete Regierungsrat Hugo Neuffer (1872-1947) nunmehr die Personalsachen des höheren Dienstes. Wenige Monate später holte er seinen Bundesbruder Himmel aus dem Bezirksdienst ins Ministerium. Das war nicht schwer. Erstens konnte der Aspirant, wie Neuffer selbst, weit überdurchschnittliche Examina vorweisen, und zweitens hatte sich der Konditorsohn bereits 1912 der Konservativen Partei angeschlossen. Er fügte sich damit bestens in das politische Profil nationalkonservativer Distanz, welche das Gros der württembergischen Verwaltungselite seit 1918/19 hinter der Fassade etatistisch-gouvernemental verbrämter „Neutralität“ gegenüber der parlamentarischen Republik kultivierte.
Als Neuffer Anfang Dezember 1919 zum Kanzleidirektor avancierte, rückte Himmel an seine Stelle. Damit befand sich die wichtigste personalpolitische Schaltstelle der württembergischen Staatsverwaltung fest in der Hand eines Lichtensteiner Gespanns. Unter seiner Ägide vermochte die protestantische Verbindung nach dem Krieg nochmals überproportional viele ihrer Nachwuchsjuristen in der Innenverwaltung unterzubringen. Im übrigen sorgten die beiden Alten Herren mit dafür, daß der höhere Verwaltungsdienst von bekennenden Republikanern weitgehend freigehalten wurde. So bildete Mitte der zwanziger Jahre ein halbes Dutzend DDP-Anhänger den linken Flügel der Innenverwaltung. 1925 übernahm einer von ihnen, Dr. Friedrich Kiefer (1879-1952), als Ministerialrat die Leitung der Rechtsabteilung. Zur gleichen Zeit wurde Neuffer zum Ministerialdirektor befördert. Als Kanzleidirektor folgte ihm jedoch nicht Himmel, sondern Oberregierungsrat Reinhold Scholl (1878-1966). Der hochqualifizierte Beamte war erst kurz zuvor aus der Versicherungswirtschaft in den württembergischen Staatsdienst zurückgekehrt. Gleichwohl erhielt der ehemalige Amtsvorstand in Rottenburg (1918/19) den Vorzug vor seinem nur wenig jüngeren Kollegen Himmel – unter anderem auch deshalb, weil er als Mitglied der Deutschen Volkspartei (DVP) auf der politischen Ebene unterstützt wurde. Um so größer war Himmels Enttäuschung, als er sechs Jahre später wiederum übergangen wurde. Anfang 1931 wechselte Ministerialrat Kiefer – wohl aufgrund einer Absprache mit dem neuen Koalitionspartner DDP – auf die Schlüsselposition des Kanzleidirektors; Ende Oktober stellte ihm Ressortchef Bolz einen persönlichen Vertrauten, seinen Bundesbruder (Guestfalia-Tübingen) und Parteifreund Wilhelm Kley (1877-1962), als Personalberichterstatter zur Seite. Das bisherige volksparteilich-deutschnationale Gespann in der Kanzleidirektion wurde abgeschoben – Scholl ehrenvoll auf den Präsidentenstuhl des Stuttgarter Oberversicherungsamts, Himmel unter Umständen, die einer Degradierung gleichkamen. Offenkundig gedachte der Zentrumspolitiker das katholische Element in den oberen Etagen seines Hauses zu stärken. Der konservative Protestant Himmel stand ihm dabei im Wege. Bolz stellte ihn deshalb vor die Alternative, entweder für einige Zeit ein Oberamt zu übernehmen oder seine weiteren Karriereambitionen zu begraben. Himmel weigerte sich, obwohl er wissen mußte, daß nur ehemalige Amtsvorstände als Ministerialräte in Frage kamen. Er wurde daraufhin im November 1931 in die Kommunalabteilung abgeschoben.
Himmel ging alsbald auf die Suche nach Verbündeten. Er fand sie bei der NSDAP. Seit dem Frühjahr 1932 versorgte er deren Landtagsfraktion mit vertraulichen Informationen aus dem Innenressort. Sein Ansprechpartner war der Abgeordnete Karl Waldmann (geb. 1889), der seit zwanzig Jahren als Beamter des gehobenen Dienstes der württembergischen Innen- und Wirtschaftsverwaltung angehörte. Im November 1932 schloß sich Himmel der NSDAP formell an, wenige Tage später meldete er sich krank. Erst am 12. März 1933 kehrte er zurück – drei Tage, nachdem die NSDAP de facto auch in Württemberg die Macht übernommen hatte. Am 15. März wählte die „nationale“ Landtagsmehrheit ihren Gauleiter zum Staatspräsidenten. Einstweilen leitete Wilhelm Murr auch das Innenministerium. Als geschäftsführender Kanzleidirektor ging ihm dort Himmel zur Hand. Nur vier Wochen später wurde dem Kollaborateur die Leitung dieser Schlüsselabteilung endgültig übertragen. Gleichzeitig erfolgte die lange ersehnte Beförderung zum Ministerialrat.
Inzwischen war der NS-Landtagspräsident Dr. Jonathan Schmid (1888-1945), Rechtsanwalt in Leonberg und Alter Herr der Tübinger Musikverbindung Stochdorphia, zum Ministerialdirektor ernannt worden; Mitte Mai 1933 übernahm er die politische Leitung des Innen- und des Justizressorts. Schmid setzte darauf, den übernommenen Verwaltungsapparat personell intakt zu halten, um ihn für die Verwirklichung der politischen Ziele des NS-Regimes instrumentalisieren zu können. Schon aufgrund seines eigenen Herkommens stand der Minister den höheren Beamten zu nahe, um nicht genau zu wissen, wie sehr sie strukturell und mental für eine loyale Zusammenarbeit mit dem NS-Regime prädisponiert waren. Und er gab sich alle Mühe, sie in dieser Haltung zu bestärken. Die Berufung Himmels wurde denn auch als Signal verstanden, daß die neuen Machthaber gewillt waren, in der Personalpolitik des Hauses keinen Kontinuitätsbruch zu riskieren.
Wie Jacob Bader und Friedrich Müller-Trefzer in Baden sorgte Himmel in den folgenden Monaten dafür, daß das nationalsozialistische Personalrevirement in Stuttgart formalrechtlich einwandfrei und reibungslos über die Bühne ging. Unter den gegebenen Umständen erblickten seine Berufskollegen in Himmel den eigentlichen Garanten ihrer korporativen Identität. Die Personalakten aus dieser Zeit sind voll von Schreiben, mit denen sich Beamte – besonders in den Jahren 1933/34 – an Himmel persönlich wandten, um mit seiner Unterstützung mancherlei Probleme informell zu klären. Vor dem Hintergrund der extensiven NS-Ansprüche nahmen sie ihn je länger desto mehr als einen der „ausgesprochensten Träger guter, altwürttembergischer Beamtentraditionen“ wahr.
Himmel mühte sich nach Kräften, diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Andererseits wirkte er aktiv daran mit, die administrativen Eliten in Württemberg an das NS-Regime zu binden. So forderte der Stuttgarter „NS-Kurier“ am 26. April 1933 die Staatsdienerschaft ultimativ auf, ihre Loyalität durch den sofortigen Beitritt zur NSDAP unter Beweis zu stellen. Der Verein der württembergischen höheren Verwaltungsbeamten wandte sich daraufhin mit der Bitte um Verhaltensmaßregeln an Ministerialdirektor Schmid und an dessen Kanzleidirektor, den altbekannten Kollegen Himmel. Der sekundierte Schmid nicht nur mit dem unzutreffenden Hinweis, „eine große Anzahl von Kollegen“ habe sich bereits zum Parteibeitritt entschlossen, er veranlaßte auch zögernde Beamte persönlich zum Ausfüllen der Beitrittserklärung in der Kanzleidirektion und leitete die Formulare an seine Partei weiter. Diese eindeutigen Gesten gaben den letzten Anstoß zur Aufforderung an die Vereinsmitglieder, umgehend ihre Aufnahme in die NSDAP zu beantragen. Die kollektive Formalnazifizierung eines großen Teils der höheren Beamtenschaft Württembergs im Frühjahr 1933 ging also unter maßgeblicher Beteiligung Himmels vonstatten.
Um so nachdrücklicher wandte sich Himmel gegen den Versuch des Stuttgarter Kreisleiters Otto Maier, mißliebige Beamte über die Verweigerung des Parteibuchs zu Fall zu bringen. Auch die „Prüfungsstelle“ beim Staatsministerium, an deren Spitze ein Funktionär des NS-Gauamts für Beamte stand, scheiterte mit ihren Entlassungs- und Versetzungsforderungen im Bereich des höheren Dienstes nicht zuletzt an seiner Abwehrtaktik der Erledigung durch Liegenlassen. Seine Standesgenossen ausgerechnet von einer politischen Kommission ausschalten zu lassen, die fast ausnahmslos mit Nichtakademikern besetzt war – das kam für einen Beamten vom Schlage Himmels, bei aller Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem NS-Regime, grundsätzlich nicht in Frage.
Die kollegiale Solidarität erstreckte sich nicht bloß auf die höhere Beamtenschaft der Innenverwaltung; auch Ehemalige waren darin im Bedarfsfall eingeschlossen. So arrangierte Himmel hinter den Kulissen eine Auffanglösung für den ehemaligen Oberamtmann Ernst Sindlinger (1883-1963), der im April 1933 von lokalen NS-Größen aus seinem Bürgermeisteramt in Ulm gejagt worden war. Auf der anderen Seite verteidigte Himmel die beruflichen Interessen des Beamtenkorps beharrlich gegen Versuche der Stuttgarter NS-Führung, eigene Leute auf dessen Kosten unterzubringen. So leistete er seit Ende 1934 länger als zwei Jahre lang hinhaltenden Widerstand gegen das Ansinnen des Reichsstatthalters, einen gescheiterten Protagonisten der „Deutschen Christen“, Oberkirchenrat Paul Dallinger (geb. 1887), auf eine der raren Beförderungsstellen des Innenressorts zu hieven. Dabei spielte im übrigen auch Himmels ablehnende Haltung gegenüber den Usurpationsversuchen der Deutschen Christen innerhalb der Evangelischen Landeskirche eine Rolle. Umgekehrt wurde sein kollegiales Fürsorgestreben unverkennbar durch politische und konfessionelle Vorbehalte gebremst, als es darum ging, in seinem Geschäftsbereich den Oberregierungsrat Dr. Max Koch (1887-1962) unterzubringen. Im Zuge der Auflösung des Katholischen Kirchenrats und Oberschulrats war der Stuttgarter Zentrumsvorsitzende Anfang 1934 in den Wartestand versetzt worden. Bis 1945 wurde der nachmalige Kanzleidirektor in der Innenverwaltung unter entwürdigenden Umständen umhergeschoben.
Diese Zurückhaltung Himmels entsprang auch der Befürchtung, sich selbst durch ein zu intensives Eintreten für Kochs Belange politisch ins Abseits zu manövrieren. Während nämlich Minister Schmid in Sorge um die Dienstfreudigkeit seiner leitenden Beamten im Fall Dallinger stillschweigend vor deren Korpsgeist kapitulierte, reagierte der Ressortchef jeweils ungehalten, wenn der Kanzleidirektor die Sprache auf die mißliche Situation Kochs zu bringen versuchte. Überdies erregten kollegiale Rettungsaktionen, wie sie Himmel nicht nur zugunsten Sindlingers, sondern des öfteren auch für Land- und Regierungsräte inszenierte, die mit ihren Kreisleitern in Konflikt geraten waren, zusehends den Unmut der Gauleitung. Je länger desto mehr wurde Himmel dort als wesentliches Hindernis einer durchgreifenden Nazifizierung des Verwaltungsapparates wahrgenommen. Auch Himmels früherer Verbindungsmann, Murrs nunmehriger Staatssekretär Waldmann, ging zusehends auf Distanz zu dem eigensinnigen Kollaborateur der Machtergreifungsphase.
Im Frühjahr 1937 bot sich die unerwartete Gelegenheit, den unbequemen Beamten beiseite zu schaffen. Nachdem der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, der frühere Ministerialdirektor Dr. Robert Held (1875-1938), schwer verunglückt war, mußte die prestigeträchtige Position ohne operative Einflußmöglichkeiten erneut für eine Abschiebung „nach oben“ herhalten. Himmels Stelle im Ministerium wurde mit dem NS-„Parteibuchbeamten“ Georg Stümpfig besetzt. Der ehemalige Bürgermeister, NSDAP-Kreisleiter und Landtagsabgeordnete war 1933 als Organisator der kommunalen Gleichschaltung in Württemberg in die Innenverwaltung gekommen. Dort hatte es der Gauamtsleiter für Kommunalpolitik mittlerweile zum Oberregierungsrat und Stellvertreter des Kanzleidirektors gebracht. Der Wechsel auf dieser personalpolitischen Schlüsselposition signalisierte den Beginn einer neuen Etappe in dem Bemühen der Stuttgarter Parteiführung, die staatliche Innenverwaltung vollends unter ihre Kontrolle zu bringen.
Sobald Stümpfig die Geschäfte der Kanzleidirektion übernommen hatte, wurde Oberkirchenrat Dallinger planmäßig angestellt. Zugleich liefen Bemühungen an, die Stelle möglichst rasch wieder freizubekommen. In seiner neuen Funktion vereitelte Himmel auch dies. Als Dallinger Ende 1938 an den Verwaltungsgerichtshof versetzt werden sollte, sperrte sich dessen Präsident mit Erfolg gegen diesen erneuten Oktroi der NS-Gauleitung. Auch was die kollegiale Solidarität anbelangte, blieb Himmel seiner bisherigen Linie treu. So hätte ein Dienststrafverfahren wegen „defaitischer Äußerungen“ den katholischen Landratsamtsverweser von Crailsheim, Dr. Karl Sautermeister (1898- 1983), 1940/41 um ein Haar seine berufliche Existenz und womöglich mehr gekostet, wenn ihn nicht die Stuttgarter Dienststrafkammer beim Verwaltungsgerichtshof unter dem Vorsitz Himmels überraschend freigesprochen hätte. Auch wenn es um die Belange der Evangelischen Landeskirche ging – etwa 1938 in Sachen Kirchensteuerpflicht der Deutschen Christen –, stand die Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofs wiederholt konträr zu den Erwartungen der Staatspartei. Allerdings erfüllte diese renommierte Institution allein schon durch ihre Fortexistenz den Hauptzweck, die totalitären Machtaspirationen des Unrechtsregimes hinter der Fassade rechts- und verwaltungsstaatlicher Kontinuität zu verbergen. Insofern trug Himmel auch in seiner neuen Funktion weiter mit dazu bei, den Staat Hitlers bis zu dessen militärischer Niederwerfung im Innern zu stabilisieren.
Quellen: HStS, E 151/21, Bü 394 (PA Verwaltungsgerichtshof); STAL, EL 902/20, Az. 37/5/11672 (Spruchkammerakten); BDC (Karteikarte NSDAP)

Literatur: Der Tübinger Lichtenstein 1873-1933, o. O. und o. J. (1933), 66, Nr. 177; Gustav Himmel. Der neue Präsident des Verwaltungsgerichtshofes (Schwäbischer Merkur, Nr. 32, 07.02.1937); Siegfried Fachet, Verwaltungsgerichtshof, Kompetenzgerichtshof und Disziplinargerichte in Württemberg unter dem Nationalsozialismus, 1989; Andreas Zekorn, Oberamtmänner und Landräte im Gebiet des heutigen Zollernalbkreises 1806-1992, in: Zollernalb-Profile. 20 Jahre Zollernalbkreis. (Jahrbuch des Kreises, 3), 1993, 37 f.; M. Ruck, Administrative Eliten in Demokratie und Diktatur. Beamtenkarrieren in Baden und Württemberg von den zwanziger Jahren bis in die Nachkriegszeit, in: Cornelia Rauh-Kühne/M. Ruck (Hg.), Regionale Eliten zwischen Diktatur und Demokratie. Baden und Württemberg 1930 bis 1952, 1993, 55; Hubert Roser/Peter Spear, „Der Beamte gehört dem Staat und der Partei.“ Die Gauämter für Beamte und für Kommunalpolitik in Baden und Württemberg im polykratischen Herrschaftsgefüge des NS-Regimes, in: ebd., 86; M. Ruck, Kollaboration – Loyalität – Resistenz. Administrative Eliten und NS-Regime am Beispiel der südwestdeutschen Innenverwaltung, in: Thomas Schnabel/Angelika Hauser-Hauswirth (Hg.), Formen des Widerstandes im Südwesten 1933-1945, 1994, 139-141; ders., Korpsgeist und Staatsbewußtsein. Beamte im deutschen Südwesten 1928 bis 1972, 1996, passim; ders., Gustav Himmel, in: Die Amtsvorsteher der Oberämter, Bezirksämter und Landratsämter in Baden-Württemberg 1810 bis 1972, Hg. Arbeitsgemeinschaft der Kreisarchivare beim Landkreistag Baden-Württemberg, 1996
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