Knauss, Robert 

Andere Namensformen:
  • Major Helders
Geburtsdatum/-ort: 14.06.1892;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 14.02.1955; Ronco s’Ascona/Schweiz
Beruf/Funktion:
  • General der Flieger, Kommandeur der Luftkriegsakademie, Militärschriftsteller
Kurzbiografie: Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Stuttgart
1910 Abitur, Fahnenjunker im Infanterie-Regiment Nr. 125 in Stuttgart
1914-1918 Kompanieführer, Regimentsadjutant; 1915-1916 Fliegertruppe: Beobachter; 1916-1917 Oberleutnant bei der Inspektion der Fliegertruppen; 1917 Nachrichtenoffizier beim Kommandeur der Flieger 4; 1918 Generalstabsoffizier bei der 52. Reserve-Division und beim Generalkommando des Garde-Korps
1918-1919 Großer Generalstab, russische Abteilung
1920 Abschied als Hauptmann; Studium der Volkswirtschaft, Geschichte und Rechtswissenschaft in Berlin, daneben Generalsekretär der Vereinigung für staatswissenschaftliche Fortbildung
1922 Promotion zum Dr. rer. pol., Doktorvater Prof. Dr. Max Sering
1923-1924 beim Reichsverband der deutschen Industrie
1924-1926 Leiter des Nachtflugbetriebes, dann der Verkehrsabteilung der Deutschen Aero Lloyd AG
1926-1934 Leiter der Verkehrsabteilung der Deutschen Luft-Hansa AG (1928 Prokura)
1933-1935 zugleich Leiter der militärischen Verbindungsstelle der Deutschen Luft-Hansa, dann Leiter des Aufstellungs- und Ausbildungsstabes „Verkehrsinspektion“ (Tarnbezeichnung für Kommandostelle der Behelfsbomberstaffeln der Deutschen Luft-Hansa) und Kommandeur des Behelfskampfgeschwaders 172
1934 stellvertretendes Mitglied des Vorstandes der Deutschen Luft-Hansa AG
1935 Eintritt in die Luftwaffe als Major
1937-1940 Kommodore des Lehrgeschwaders 1 in Greifswald
1940 Chef des Stabes des Befehlshabers der Luftwaffe in Norwegen, dann der Luftflotte 1, Generalmajor
1940-1944 Kommandeur der Luftkriegsakademie in Beelin-Gatow, ab 1944 als General der Flieger (ab Herbst 1943 beurlaubt)
1942-1943/44 zugleich Kommandeur der Lufttechnischen Akademie ebd.
1945 in französischer Gefangenschaft
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1. 1919 Berlin, Emmy Maria Elisabeth, geb. Koblank (geb. 1901), gesch. 24.03.1930
2. 1943 Berlin, Fides Freifrau von Stietencron, geb. Goesch (1907-1984)
Eltern: Karl Knauss (1865-1902), Sanitätsrat
Marina Ottilie Lina, geb. Thudichum (1868-1937)
Geschwister: 1 Bruder
Kinder: aus 1. Ehe 2 Töchter
aus 2. Ehe 2 Töchter
GND-ID: GND/1012577570

Biografie: Gerhard Granier (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 273-274

Knauss gehörte zu den jungen Fliegeroffizieren, die das Verbot jeglicher Luftkriegführung für Deutschland durch den Versailler Vertrag nicht davon abhielt, sich mit ihr weiter zu beschäftigen. Bald schon wirkte er inoffiziell bei der Fliegergruppe des Reichswehrministeriums mit, zusammen mit dem späteren Generalfeldmarschall Hugo Sperrle, den späteren Generalen der Flieger Helmuth Wilberg und Hellmuth Felmy. Für sie arbeitete er 1923 eine Vorschrift für Schlachtflieger aus. Während er in der Beschreibung seines Fluges nach Peking Flugverbindungen als Wege zu einer friedvollen Welt propagiert hatte, legte er 1933 seinem bisherigen Vorgesetzten, dem jetzt zum Staatssekretär der Luftfahrt aufgestiegenen späteren Generalfeldmarschall Erhard Milch, eine Denkschrift „Die deutsche Luftflotte“ vor, in der er unter Anlehnung an den italienischen Luftkriegstheoretiker Douhet den strategischen Luftkrieg gegen die Zentren der gegnerischen militärischen und politischen Macht, zugleich auch zur „Terrorisierung der Bevölkerung“, verkündete. Der darin gebrauchte Begriff der „Risiko-Luftflotte“ wurde in den nächsten Jahren vielfach aufgegriffen.
Hatte Knauss die nationalsozialistische Machtergreifung zurückhaltend, aber doch hoffnungsvoll beobachtet, so überzeugten ihn die folgenden Ereignisse, vor allem die Morde des 30.6.1934, vom verbrecherischen Charakter des Hitlerregimes. Das hinderte ihn nicht, sondern bildete eher ein Motiv dafür, unter Inkaufnahme wesentlich verringerter Einkünfte in die neue Luftwaffe einzutreten, wo er beim Lehrgeschwader 1 erste Einsatzgrundsätze entwickelte. An der Vorbereitung der deutschen Besetzung Dänemarks und Norwegens 1940 war er maßgeblich beteiligt. Der hochgebildete Musikliebhaber erwies sich zugleich als gründlicher, fleißiger Arbeiter, der als Kommandeur der Luftkriegsakademie hohe Anforderungen an die künftigen Generalstabsoffiziere stellte. Zugleich nahm Knauss Fühlung zum Widerstand gegen Hitler auf, den er als „Sieger von Stalingrad“ apostrophierte. Während Knauss die Tötung des Diktators ablehnte, trat er seit 1942 mit dessen Gegnern erst im Auswärtigen Amt und im Propagandaministerium, dann auch mit Olbricht und Stauffenberg in Verbindung und übernahm es, Mitarbeiter für den geplanten Staatsstreich in der Luftwaffe zu gewinnen. Daß er überlebte, hatte er seiner Ansicht nach nur seinem abgeschiedenen Leben seit Frühjahr 1944 bei der Familie in Vorarlberg zu verdanken.
Nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligte Knauss sich an der Diskussion über die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, war an der Abfassung der sogenannten Himmeroder Denkschrift beteiligt und bestrebt, das Mißtrauen zwischen Sozialdemokratie und Armee abzubauen.
Quellen: Nachlaß im BA-MA Freiburg
Werke: Die deutsche, englische und französische Kriegsfinanzierung, Diss. 1922, auch in Sozialwissenschaftliche Forschungen, hg. von der sozialwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft, Abt. V Heft. 1, 1923; Die Grenzen der Wirksamkeit des Staates, in: Bergisch-Märkische Zeitung 1923 Nr. 818; Der deutsche Luftverkehr, in: Württembergische Wirtschafts-Zeitschrift 4/1924, 277-278; Im Großflugzeug nach Peking. Der erste Weltflug der Deutschen Lufthansa, 1927; Württemberg und der Luftverkehr, in: Württembergische Wirtschafts-Zeitschrift 5/1925, 341-345; Luftverkehr und Politik, in: Deutsche Lufthansa 5/1930, 17-20; Major Helders (Ps.): Luftkrieg 1936. Die Zertrümmerung von Paris, 1932, und nochmals unter dem Titel: Luftkrieg 1938, 1934; Die deutsche Luftflotte (1933), bei Heimann/Schunke (siehe Literatur), 77-86; Der Luftverkehr und seine wehrpolitische Bedeutung, in: Wissen und Wehr 18/1937, 176-187; Die Führung des Luftkrieges im Spiegel des Auslandes, ebd., 422-438; Die Welt des Fliegers. Das Buch der Weltluftfahrt, 1950; Der innere Aufbau eines deutschen Verteidigungsbeitrags, in: Deutsche Rundschau 78/1952, 237-248; Die politische Erziehung des künftigen deutschen Soldaten, ebd., 769-775; Der Soldateneid und der 20. Juli, in: Der Bürger im Staat 2/1952, 25-27; Die Armee in der Demokratie, 1953
Nachweis: Bildnachweise: Supf (1935), 510; (1958), 551, 574; Brütting, 82

Literatur: Peter Supf, Das Buch der deutschen Fluggeschichte II: Vorkriegszeit, Kriegszeit, Nachkriegszeit, 1935, 508 f.; ders., Das Buch der deutschen Fluggeschichte, Bd. 2, 1958, 570-572, 577; Georg Brütting, Das Buch der deutschen Fluggeschichte, Bd. 3, 1979, 82 f.; Bernhard Heimann und Joachim Schunke, Eine geheime Denkschrift zur Luftkriegskonzeption Hitler-Deutschlands vom Mai 1933, in: Zeitschrift für Militärgeschichte 3/1964, 72-86; Gerhard Förster, Totaler Krieg und Blitzkrieg. Die Theorie des totalen Krieges und des Blitzkrieges in der militärischen Doktrin des faschistischen Deutschlands am Vorabend des Zweiten Weltkrieges, 1967, 150-153; Edward Homze, Arming the Luftwaffe. The Reich Air Ministry and the German Aircraft Industrie 1919-1939, Lincoln (Nebraska) – London 1976, 55 f.; Hans-Jürgen Rautenberg und Norbert Wiggershaus, Die „Himmeroder Denkschrift“ vom Oktober 1950, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 1/77, 151 f. (die Dokumentation ist auch separat erschienen); Horst Boog, Die deutsche Luftwaffenführung 1935-1945. Führungsprobleme, Spitzengliederung, Generalstabsausbildung, 1982, 153 f., 441-451; Karl-Friedrich Hildebrand, Die Generale der deutschen Luftwaffe 1935-1945, Bd. 2 Osnabrück 1991, 169 f.
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