Morgenthaler, Wendelin 

Geburtsdatum/-ort: 18.10.1888;  Fautenbach
Sterbedatum/-ort: 23.04.1963;  Achern
Beruf/Funktion:
  • Lehrer, Bürgermeister, Mitglied des Bundestags – CDU
Kurzbiografie: 1893-1901 Volksschule in Fautenbach
1901-1902 Landwirtschaftliche Winterschule
1902-1906 Heimschule Lender in Sasbach bis zur Mittleren Reife
1906-1909 katholisches Lehrerseminar in Karlsruhe
1909-1915 Lehrer in Vöhrenbach im Schwarzwald, Leimen, Offenburg und Gamshurst
1915-1918 Soldat, Badisches Infanterie-Regiment Rastatt, Einsatz an der Westfront, vor Verdun schwer verletzt; zuletzt Unteroffizier, Eisernes Kreuz II. Klasse
ab 1926 Lehrer in Achern
1928-1933 Mitglied des Gemeinderats Achern – Zentrum
1937 zwangsweise Versetzung nach Sasbach, dann Sasbachwalden
1944 kurzfristig verhaftet im Rahmen der „Aktion Gewitter“
1945 1. Mai von der französischen Besatzungsmacht als vorläufiger Bürgermeister von Achern eingesetzt
1946 22. Sep.-1955 10. Jul. einstimmig als Bürgermeister bestätigt; Mitgründer der Acherner Baugenossenschaft „Neue Heimat“, später in „Familienheim“ umbenannt
1949-1956 Mitglied des Bundestags – CDU
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1920 (Fautenbach) Maria Theresia, geb. Weber (1892-1983), aus Fautenbach
Eltern: Vater: Josef (1845-1922), Landwirt, Mitglied des Landtags – Zentrum
Mutter: Regina, geb. Köhler (1847-1920)
Geschwister: 8
Kinder: 5:
Hildegard (1921)
Josef (1922)
Anton (1923)
Hubert (1925)
Monika (1931)
GND-ID: GND/1012787060

Biografie: Gerhard Lötsch (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 227-229

Morgenthaler wuchs in einem südlich von Achern gelegenen Dorf auf, das genauso prägend auf ihn wirkte wie das katholische Elternhaus, aus dem er seinen festen christlichen Glauben und wachen Sinn für politische Strömungen mit hinaus ins Leben nahm. Sein Vater stand seit 1892 dem „Badischen Bauernverein“ vor und saß von 1903-1918 für das „Zentrum“ in der II. Kammer der badischen Landstände. Morgenthaler besuchte die Volksschule Fautenbach, war bis zur Mittleren Reife Schüler an der „Heimschule Lender“ in Sasbach und studierte dann in Karlsruhe am katholischen Lehrerseminar. 1909 trat er in den badischen Schuldienst ein und war zuerst im Schwarzwald, dann in Leimen bei Heidelberg, schließlich in Offenburg und dann in Gamshurst eingesetzt. 1926 kam er als Lehrer nach Achern, wo er mit seiner großen Familie das selbst gebaute Haus in der Unzhurster Straße bezog.
Morgenthaler blieb durch alle Zeitläufe seiner katholischen Gesinnung treu, selbst nach dem Krieg, als Bürgermeister, schlug er noch die Orgel der Acherner Pfarrkirche. Im Gemeinderat der Stadt saß er ab 1928 für die Zentrumspartei. Als die NSDAP am Ausgang der politisch und wirtschaftlich schwierigen 1930er Jahre großen Zulauf gewann, warnte er immer wieder vor der mit Hitler heraufziehenden Kriegsgefahr und auch nach dessen „Machtübernahme“ weigerte er sich so lange, seine Söhne der Hitlerjugend zu überlassen, bis die Teilnahme am „Dienst“ für alle Jugendlichen gesetzliche Pflicht wurde. Der NSDAP als politischer Gegner wohlbekannt wurde Morgenthaler 1937 nach Sasbach, schließlich nach dem schon im Gebirge gelegenen Sasbachwalden strafversetzt, weil der Rektor der Schule mit Zustimmung des Kollegiums eine weitere Zusammenarbeit mit ihm aus politischen Gründen ablehnte. Den Weg zum und vom Unterricht musste er mit dem Fahrrad zurücklegen, doch auch dabei blieb sein innerer Widerstand ungebrochen, wie das Beispiel eines polnischen Mädchens verdeutlicht, das zeitweilig in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Illenau zur „Eindeutschung“ untergebracht war und Anfang Mai 1943 zu einer Familie nach Sasbach kam. Die damals 12-jährige, die heute noch in Achern lebt, berichtete, wie der Lehrer Morgenthaler sich ihrer annahm als sie in die 3. Klasse kam: „Er war zu mir wie ein Vater“ und er half ihr, mehrere Klassen zu überspringen.
Im Rahmen der Aktion „Gewitter“, als Hitler am 22. August 1944 schlagartig rund 5000 ehemalige Minister, Bürgermeister, Parlamentarier, Parteifunktionäre und politische Beamte der Weimarer Republik verhaften ließ, war auch Morgenthaler unter den Betroffenen. Ein unter diesem Datum vom Ortsgruppenleiter zusammengestelltes und an die Geheime Staatspolizei Baden-Baden übersandtes „Verzeichnis besonders aktiv gewesener Angehöriger der KPD, SPD und des Zentrums“ qualifizierte ihn als „sehr intelligent und schlau“ und nannte ihn einen „absoluten Verfechter des Zentrums und der katholischen Kirche“. Morgenthaler wurde verhaftet und ins Acherner Gefängnis verbracht, jedoch nach einigen Tagen wieder entlassen. Offensichtlich lag der örtlichen Parteileitung daran, die spürbar gereizter werdende Stimmung der Bevölkerung nicht weiter zu verschärfen.
Am 1. Mai 1945, zwei Wochen nach dem Einmarsch der Franzosen und acht Tage vor Kriegsende, setzte die französische Militärregierung den Lehrer Morgenthaler zum vorläufigen Bürgermeister ein. Die Stadt lag nach dem Bombenangriff vom 7. Januar 1945 in Trümmern, ihre Bewohner hungerten, marodierende Marokkaner trieben ihr Unwesen, Handel und Gewerbe lagen am Boden. Da es kein Rathaus mehr gab, bezog der Bürgermeister einen mit Glassplittern übersäten Raum in der damaligen Gewerbeschule. Unter heute nicht mehr vorstellbaren Umständen übernahm er das ihm auferlegte Amt. Sein erstes Bemühen galt der Freilassung von über 100 in Offenburg internierten Männern, er verwandte sich für Acherner, deren Haus beschlagnahmt war, so dass ihnen wenigstens ein Raum unter dem eigenen Dach blieb, und sorgte sich um die Versorgung mit Lebensmitteln, Brennstoff und die Wiedereingliederung der aus dem Krieg heimkehrenden Soldaten. Einer war sein Sohn Anton, ein als Sanitäter eingesetzter Student der Medizin, der sich unter abenteuerlichen Umständen zusammen mit einigen Kameraden aus der Tschechoslowakei hatte retten können. Die Flucht war mit Hilfe einer aus Auschwitz entkommenen französischen Ärztin gelungen, die in Begleitung des Bürgermeisters Morgenthaler nun in Achern von ihren Erlebnissen im KZ berichtete. Dem ehemaligen Schulmeister, der erstmals am 22. September 1946 einstimmig von den Acherner Gemeinderäten zum Bürgermeister gewählt worden war, lag besonders die Situation der Kinder am Herzen, die seit vielen Monaten ohne geordneten Unterricht waren. Mit Vehemenz hatte er sich im November 1945 an den französischen Stadtkommandanten gewandt, als in der Realschule untergebrachte Soldaten den Wasserhahn im 1. Stock abgeschraubt hatten, so dass das Wasser das ganze Haus beschädigte und den Keller überflutete, und deren Ausquartierung aus der Schule gefordert. Antoine Kury, „Commissaire Principal de la sureté nationale“, nannte ihn dann auch im September 1953 einen „hartnäckigen Verteidiger der Interessen seiner Mitbürger und charakterfesten Bürgermeister der Stadt Achern“. Mit engagierten Bürgern plante Morgenthaler den Wiederaufbau der zerstörten Stadt und war einer der Gründer der Baugenossenschaft „Neue Heimat“, die später, um Verwechslungen mit der gewerkschaftseigenen Genossenschaft gleichen Namens zu vermeiden, in „Familienheim“ umbenannt wurde. Zunächst entstanden 16 Häuser für Acherner, dann 10 weitere Häuser für aus dem Osten vertriebene Familien. Es folgte der Bau von Siedlungen in den Achern benachbarten Orten Sasbach, Kappelrodeck und Waldulm für Vertriebene und Flüchtlinge aus allen Gebieten des ehemals deutschen Ostens. In nicht ganz sieben Jahren, zwischen 1949 und 1956, errichtete die „Neue Heimat“ 474 Häuser und Wohnungen. Als Vorsitzender der Kreisgruppe Achern von Wohllebs „Christlich-sozialer Volkspartei“, aus der dann die CDU hervorging, trat Morgenthaler mit der Mehrheit seiner südbadischen Gesinnungsgenossen für den Fortbestand des Landes Baden ein. Im Bundestag, dem er von 1949 bis 1956 als direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Baden-Baden – Bühl – Rastatt angehörte, war er Mitglied des Finanzausschusses und bemühte sich dort vor allem um die Interessen der bäuerlichen Bevölkerung seiner Heimat, der Kleinbrenner zumal, für deren steuerliche Entlastung er sich einsetzte. Neben der Überwindung unmittelbarer Kriegsfolgen, zumal durch Schaffung neuen Wohnraumes, suchte Wendelin vermehrt Industrie im Acherner Raum anzusiedeln. Auch der dauerhaften Verbesserung des Verhältnisses zum französischen Nachbarn widmete er seine große Aufmerksamkeit. Letztlich vor allem seine tiefchristliche Überzeugung aber ließ ihn auch zum Initiator der Gesetzesinitiative zum Sonntagsfahrverbot für Lastkraftwagen auf der Autobahn werden.
Morgenthaler trat am 10. Juli 1955 auf eigenen Wunsch als Bürgermeister in den Ruhestand. Stadtrat Karllutz Ross würdigte ihn in der letzten gemeinsamen Sitzung und hob hervor, dass er das Amt eines Bürgermeisters von Achern „nicht mit der nüchternen Kälte des innerlich Unbeteiligen“ ausgeübt, sondern es stets „mit Güte und Wärme“ erfüllt habe. Morgenthaler, der keine schriftlichen Werke hinterließ, starb im Alter von 74 Jahren.
Quellen: StadtA Achern, Nachlass W. Morgenthaler.
Nachweis: Bildnachweise: im Familienbesitz.

Literatur: W. Morgenthaler – Vater d. Heimat, Mann des Volkes, in: Bad. Tageblatt vom 23.4.1963; Altbürgermeister Morgenthaler – Um Wiederaufbau verdient gemacht, in: Acherner Ztg. vom 23.4.1963; Altbürgermeister Morgenthaler unter großer Anteilnahme d. Bevölkerung beigesetzt, in: BNN vom 27.4.1963; W. Morgenthaler zum Gedächtnis, in: Volksztg. vom April 1963; Als in Achern nur Trümmer lagen, Gerhard Lötsch porträtiert W. Morgenthaler, in: Achern-Rench-Ztg. vom 18.9.2002; ders., Krieg u. Frieden. Achern u. das Jahr 1945, 2004; Hartnäckiger Verteidiger d. Interessen d. Mitbürger, in: Achern-Bühler-Bote vom 21.2.2006.
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