Droller, Alice 

Andere Namensformen:
  • Alice Dorell
Geburtsdatum/-ort: 27.07.1907;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 30.09.1942; Auschwitz
Beruf/Funktion:
  • Schauspielerin und Kabarettistin, Opfer des NS-Regimes
Kurzbiografie: bis 1924 Schulbesuch in Mannheim, zuletzt im Liselotte-Gymnasium
1925 Schauspielunterricht in Berlin an d. Schule von Max Reinhardt
1926–1932 verschiedene Engagements am Mannheimer Nationaltheater sowie in den Theatern von Gladbach-Reydt u. Bremen, daneben immer wieder Auftritte als Kabarettistin
1933 Flucht über die Schweiz u. Paris nach Holland
1935–1940 Auftritte als Kabarettistin in verschiedenen niederländischen Ensembles
1940–1942 Internierung in Utrecht u. Westerbork
1942 Deportation nach Auschwitz
Weitere Angaben zur Person: Religion: isr.
Verheiratet: unverheiratet
Eltern: Vater: Julius (1878–1944), Kaufmann
Mutter: Emma, geb. Simons (1884 –1944)
Geschwister: 5; Kurt (*/† 1908), Sofie Lotte (* 1910), verh. Kullmann, Felix (* 1912), Oskar (1916–1942), Konditor, u. Franz Joachim (1921–1945)
Kinder: keine
GND-ID: GND/1018825843

Biografie: Susanne Schlösser (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 76-77

Droller wurde in einen kulturell interessierten und recht wohlhabenden Haushalt hineingeboren. Ihr Vater war Möbelhändler und betrieb in den 1920er Jahren in P 7, 22 in der Mannheimer Innenstadt eine Werkstatt für Raumkunst, über der die Familie auch wohnte. Fotos der Inneneinrichtung der Drollerschen Wohnung zeigen großzügige Räume mit eigenem Musikzimmer und modernen Möbeln.
Bis 1924 besuchte Droller das Liselotte-Gymnasium. Durch ihren Vater, der ein aktives Mitglied des jüdischen Männergesangvereins „Liederkranz“ war, erhielt sie Zugang zu den kulturellen Aktivitäten dieses Vereins. Noch nicht siebzehn Jahre alt rezitierte sie bei einer Liederkranz-Veranstaltung am 16. Februar 1924 Gedichte in Pfälzer Mundart, die ihr Vater geschrieben hatte.
Zu dieser Zeit verfasste Droller bereits selbst Gedichte und liebäugelte mit dem Beruf der Schauspielerin. Davon war der Vater zwar nicht sonderlich begeistert, doch ließ er es zu, dass sie nach Privatunterricht bei dem Mannheimer Schauspieler Paul Tietsch (1856–1932) 1925 nach Berlin an die Schauspielschule von Max Reinhardt wechselte. Obwohl sie bald merkte, dass nicht das große Theater sondern die Kleinkunst ihr eigentliches Metier war, spielte sie bis 1932 an verschiedenen Bühnen: nach dem Debüt am Mannheimer Nationaltheater 1926 in den Theatern von Gladbach-Reydt und Bremen.
Ihr komisches und kabarettistisches Talent trainierte sie derweil bei weiteren Veranstaltungen des Liederkranzes: zum Beispiel in der Rolle der Kellnerin „Binchen Bimbernell“ in der von Hanns Glückstein geschriebenen Revue „Mannemer Bildfunk“, 1929, oder als Conferencière im „Li-Fa-Kü-Ka“, dem Liederkranz-Fastnachts-Künstler-Kabarett des Jahres 1932, bei dem sie auch eigene Texte vortrug.
Die hoffnungsvollen Anfänge der Schauspielerin und Kabarettistin Droller, die sich mit Künstlernamen Alice Dorell nannte, erlebten 1933 eine erste harte Zäsur. Während ihre Eltern mit den jüngeren Geschwistern nach Holland emigrierten, floh sie zunächst über die Schweiz nach Paris. Ende 1933 begab sie sich zu ihrer Familie nach Den Haag.
In Holland versuchte sie den beruflichen Neuanfang, in dem sie zunächst einmal so gut Niederländisch lernte, dass sie in dieser Sprache auch schreiben konnte – das unterscheidet sie von den meisten deutschen Emigranten. 1935 ging sie mit der holländischen Pianistin Rose von Hessen auf Tournee und brillierte vor allem mit Parodien auf Filmstars und Schönheitsidole der Zeit. Nachdem sich die Kabarettistin Annie Prins den beiden angeschlossen hatte, entstand „Dorells Dreidamenkabarett“, die erste nur aus Frauen bestehende Kabaretttruppe in den Niederlanden.
Droller arbeitete ausschließlich mit Holländern und versuchte etwas, wofür – nach Einschätzung zeitgenössischer Kritiker – das holländische Publikum noch nicht „reif“ war: ein literarisch anspruchvolles Kabarettprogramm, das auch vor politischen Anspielungen nicht zurückschreckte. Trotz finanzieller und anderer Schwierigkeiten ging Droller diesen Weg mit wechselnden Partnern und Gruppen konsequent weiter. Um die Jahreswende 1939/40 schien sich endlich Erfolg einzustellen – doch das war für sie zu spät!
Denn Droller gehörte zu den ersten Opfern antijüdischer Maßnahmen in den Niederlanden nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht. Sie musste auf deutschen Befehl bereits Ende 1940 nach Utrecht umziehen, kam später in das Durchgangslager Westerbork und von dort nach Auschwitz – mit dem ersten Transport aus den Niederlanden am 15. Juli 1942. Dort wurde sie am 30. September 1942 in den Gaskammern ermordet. Ihre Eltern und ihre Brüder Oskar und Franz Joachim erlitten später dasselbe Schicksal, Bruder Felix, er war französischer Soldat, und die Schwester Sofie Lotte, die durch die Ehe mit einem Katholiken geschützt war, überlebten die Judenverfolgung.
Nach Ende des II. Weltkriegs war Droller lange vergessen. Nur zwei ihrer Texte sind überliefert. Ihre Wiederentdeckung geschah seit Ende der 1990er Jahre. Inzwischen ist Droller u. a. fester Bestandteil des seit Jahren erfolgreichen Programms „Verehrt – verfolgt – vergessen“ des bekannten Chansoniers Robert Kreis.
Quellen: StadtA Mannheim, Kleine Erwerbungen 693, darin ein Gedicht von Droller aus dem Jahr 1928, D 01 – Jüdische Geschichte, Nr. 278.
Werke: Tempo, Tempo, Tempo! Abgedruckt in: Ulrich Liebe, Verehrt – verfolgt – vergessen. Schauspieler als Nazi-Opfer. 2005, 224.
Nachweis: Bildnachweise: StadtA Mannheim Bildsammlung KF041067, Porträt von 1929, KF041094, Porträt von 1932.

Literatur: Katja B. Zaich, „Ich bitte dringend um ein Happy-end.“ Deutsche Bühnenkünstler im niederländischen Exil 1933–1945. Hamburger Beiträge zur Germanistik 33, 2001; Susanne Schlösser, Das Goldene Buch des Liederkranzes. Die Chronik eines jüdischen Männergesangvereins in Mannheim 1856–1938. Mit CD-ROM. Stadtgeschichte digital Nr. 4., 2004; Susanne Vogt, „Wider den undeutschen Geist“ – Mannheimer Künstler im Exil, in: U. Nieß u. a (Hgg.), Geschichte d. Stadt Mannheim Bd. 3, 2009, 244 f.
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