Bettmann, Siegfried 

Geburtsdatum/-ort: 16.06.1869; Bayreuth
Sterbedatum/-ort: 19.10.1939; Zürich
Beruf/Funktion:
  • Dermatologe
Kurzbiografie: 1888-1893 Studium der Medizin in Heidelberg (-1890), Berlin (1890-1891) und Heidelberg (1891-1893)
1893 Staatsexamen und Promotion in Heidelberg bei dem Psychiater Emil Kraepelin
1894-1895 Assistent an der Medizinischen Poliklinik in Heidelberg unter Oswald Vierordt
1895-1908 Assistent an der Medizinischen Klinik in Heidelberg unter Wilhelm Erb
1897 Habilitation für das Fach Innere Medizin in Heidelberg
1901 außerplanmäßiger Prof. für Innere Medizin in Heidelberg
1908 planmäßiger außerordentlicher Prof. für Haut- und Geschlechtskrankheiten sowie Direktor der Universitäts-Hautklinik in Heidelberg
1910 Verleihung der Friedrich-Luisen-Medaille
1919 ordentlicher Prof.
1924-1925 Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
1926 Ernennung zum planmäßigen Ordinarius
1935 Emeritierung zum 1. April. Entzug der Lehrbefugnis zum 31. Dezember
1938 Emigration in die Schweiz
Weitere Angaben zur Person: Religion: mosaisch
Verheiratet: 21. 3. 1901 Rosa, geb. Friedmann
Eltern: Vater: Jacob Siegfried Bettmann, Privatier
Mutter: Pauline, geb. Kupfer
Kinder: 1 Sohn
2 Töchter
GND-ID: GND/116156147

Biografie: Axel Bauer (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 44-46

Bettmanns Name ist untrennbar mit der Institutionalisierung des Faches Dermatologie als einer eigenständigen Disziplin an der Universität Heidelberg verbunden. Zugleich spiegelt sich in seinem Lebensweg das Schicksal vieler jüdischer Gelehrter seiner Generation im nationalsozialistischen Deutschland auf bedrückende Weise wider. Mit Ausnahme einiger weniger Monate, während derer er in Berlin studierte (1890/91), verbrachte Bettmann sein gesamtes akademisches Leben von 1888 bis 1935 an der Universität Heidelberg. Seine Promotion erfolgte 1893 bei dem bedeutenden Psychiater Emil Kraepelin über ein Thema aus der Experimentellen Psychologie; als Ergebnis seiner Studie konnte Bettmann festhalten, daß sowohl geistige als auch körperliche Arbeit zu einer Herabsetzung der geistigen Leistungsfähigkeit führen. In den folgenden Jahren spezialisierte sich Bettmann als Assistent von Wilhelm Erb an der Heidelberger Medizinischen Klinik auf dem Gebiet der Inneren Medizin. Seine Habilitation erfolgte nach einer öffentlichen Probevorlesung über „die Urämie im Rahmen der Autointoxications-Lehre“. Ab 1899 vertrat er die Dermatologie selbständig und erhielt 1904 einen eigenen Lehrauftrag für dieses Fach. In das Jahr 1905 fällt seine Publikation über „die ärztliche Überwachung der Prostituierten“, die eine Eindämmung der Geschlechtskrankheiten zum Ziel hatte. Am 15. 8. 1908 wurde Bettmann zum planmäßigen Extraordinarius für Haut- und Geschlechtskrankheiten sowie zum Direktor der neugegründeten Hautklinik ernannt. 1914 erschien seine „Einführung in die Dermatologie“, ein Lehrbuch für Medizinstudenten. Am 22. 3. 1919 wurden Bettmann die akademischen Rechte und die Amtsbezeichnung eines Ordentlichen Professors verliehen, doch erst mit Wirkung vom 1. 10. 1926 wurde er planmäßiger Ordinarius. 1922 stellte Bettmann die Begriffe „Genodermie“ und „Genodermatose“ auf, d. h. er unterschied zwischen keimplasmatisch bedingten stabilen Zuständen der Haut und erworbenen krankhaften Prozessen komplexer Ätiologie, bei denen keimbedingte Faktoren mitspielen. Im selben Jahr veröffentlichte er das Buch „Hautkrankheiten“ in der Reihe „Diagnostische und therapeutische Irrtümer und deren Verhütung“.
Unter Bettmann entwickelte sich die Heidelberger Hautklinik, ausgehend von etwa 60 Betten und einer eigenen Poliklinik. Bis 1935 waren ihre Stationen jedoch in sieben ganz verschiedenen Gebäuden untergebracht. Das Ende von Bettmanns Dienstzeit wurde vom Einbruch des Nationalsozialismus überschattet. Sein 25 Jahre alter Sohn Hans, ein junger Gerichtsassessor, beging im März 1933 Selbstmord. Im April 1933 wurde Bettmann in Vollzug des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ als „Angehöriger der jüdischen Rasse“ bis auf weiteres vom Dienst beurlaubt, die Beurlaubung jedoch auf Anordnung des Badischen Ministeriums des Kultus, des Unterrichts und der Justiz bei ihrer Eröffnung ausgesetzt. Mit Wirkung vom 1. 4. 1935 wurde er auf seinen Antrag hin emeritiert, den Schlußpunkt für seine akademische Laufbahn setzte der Entzug der Lehrbefugnis zum 31. 12. 1935. Im Jahre 1938 verließ Bettmann Deutschland und starb – vor der geplanten Ausreise in die USA zu seinen damals schon dort lebenden beiden Töchtern – in Zürich an den Folgen eines bereits Jahre zuvor operierten Nebennierentumors.
Bettmann verwertete das von ihm verbesserte Dermatogramm, beschäftigte sich mit der Kapillarmikroskopie und zeigte sich auch fachübergreifenden Problemstellungen (z. B. Hautkonstitution, Hautmißbildungen) gegenüber aufgeschlossen. Die Heidelberger Hautklinik besitzt 108 gebundene Arbeiten aus seiner Feder. Sein 1919 habilitierter Schüler Oscar Gans wurde 1930 Direktor der Universitäts-Hautklinik in Frankfurt am Main. An der Wand der Grabkapelle des evangelischen Friedhofs in Sils Maria erinnert eine Grabplatte an Bettmann, den Heidelberger Dermatologen und deutschen Gelehrten jüdischen Glaubens.
Werke: (Auswahl) Über die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch körperliche und geistige Arbeit. (Med. Diss. Heidelberg 1893) Leipzig 1894; Über den Einfluß des Arseniks auf das Blut und das Knochenmark des Kaninchens. Beitr. path. Anat. 23 (1898) 443-497; Die praktische Bedeutung der eosinophilen Zellen. Sammlung klin. Vorträge Nr. 266, Leipzig 1900; Die ärztliche Überwachung der Prostituierten. Jena 1905; Die Mißbildungen der Haut. In J. Schwalbe: Die Morphologie der Mißbildungen des Menschen und der Tiere, Teil III, Kap. 7, 633-763, Jena 1912; Einführung in die Dermatologie. Wiesbaden 1914; Hautkrankheiten. Leipzig 1922; Geschlechtsleben und Hygiene. Leipzig 1923; Zur Verwertung dactyloskopischer Verfahren. Z. Anatomie 8l (1926) 262-267; Capillarmikroskopische Befunde an der Lippenschleimhaut. Z. Anatomie 91 (1929) 391-401; Verwendung der Dermatogramme in der Gerichtlichen Medizin. Dtsch. Z. gerichtl. Med. 15 (1930) 1-15; Die Papillarleistenzeichnung der Handfläche in ihrer Beziehung zur Handigkeit. Z. Anat. 98 (1932) 649-674.
Nachweis: Bildnachweise: Bildersammlung im UA Heidelberg und Walther Schönfeld (1955) 472.

Literatur: Chronik der Ärzte Heidelbergs. Ein Fragment. Mannheim 1985,122; Dagmar Drüll, Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803-1932. Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo 1986,20; Isidor Fischer, (Hg.) Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten fünfzig Jahre. Bd. 1. München, Berlin 1962 2. Aufl./1962 3. Aufl., 109-110; Gerhard Lüdtke, (Hg.), Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender. Berlin, Leipzig 1931, 192-193; Walther Schönfeld, Die Beteiligung Heidelbergs an der Entwicklung der Dermatologie und Venerologie und die Heidelberger Hautklinik von 1904-1935, in: Der Hautarzt 6 (1955) 469-473; Eberhard Stübler, Geschichte der medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg 1386-1925. Heidelberg 1926, 325.
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