Blume, Wilhelm von Hermann Carl Victor 

Geburtsdatum/-ort: 09.05.1867; Berlin
Sterbedatum/-ort: 02.10.1927;  Hornegg bei Gundelsheim
Beruf/Funktion:
  • Jurist, Hochschullehrer, Politiker
Kurzbiografie: 1885 Besuch der Königlich-preußischen Hauptkadettenanstalt in Groß-Lichterfelde (Kreis Teltow); Maturitätsexamen
1885-1886 Fähnrich im Füsilierregiment Nr. 36 in Magdeburg; nach Reitunfall krankheitsbedingt vorzeitiger Abschied
1887 Gymnasial-Abiturexamen am Köllnischen Gymnasium in Berlin
1887-1890 Studium der Rechtswissenschaften in Marburg, Berlin und Göttingen
1890 Referendarexamen in Celle
1892 Promotion zum Dr. iur. utr. in Göttingen mit dem Thema: Erbschaftskauf des preußischen Landrechts; Doktorvater Ferdinand Frensdorff
1892-1894 Tätigkeit als Repetitor in Straßburg und Göttingen
1894 Habilitation für Römisches Zivilrecht bei Johannes Merkel und Ferdinand Regelsberger in Göttingen (Novation, Delegation und Schuldübertragung); anschließend Privatdozent in Göttingen; im selben Jahr stellvertretender außerordentlicher Prof. in Marburg
1896 außerordentlicher Prof. für Römisches Recht in Marburg
1898 ordentlicher Prof. für Römisches Recht in Rostock
1900 ordentlicher Prof. für Römisches Recht in Königsberg/Preußen
1904 ordentlicher Prof. für Römisches und Deutsches Bürgerliches Recht in Halle
1906-1911 Stadtverordneter in Halle
1908 Preußischer Roter-Adler-Orden IV. Klasse
1912 ordentlicher Prof. für Römisches und Bürgerliches Recht in Tübingen
1916 Wilhelmskreuz; weitere Auszeichnungen während des Krieges: Ehrenkreuz des Ordens der Württembergischen Krone; Rot-Kreuz-Medaille 3. Klasse
1916-1917 Rektor in Tübingen
1919 Staatskommissar zur Ausarbeitung und parlamentarischen Vertretung des württembergischen Verfassungsentwurfs
1922-1924 Mitglied des Württembergischen Landtags (DDP)
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1894 Elisabeth, geb. Freiin von Seebach (geb. 2.1.1870, gest. 7.7.1957), aus Göttingen
Eltern: Vater: Wilhelm Hermann von Blume (1835-1919), Offizier und Militärschriftsteller
Mutter: Caroline Friederike Ulrike, geb. Suffrian (1843-1917)
Geschwister: Elfriede (1870-1936), verheiratet mit dem Kammergerichtsrat Wilhelm Keller (gefallen 1914)
Elisabeth (1872-1956), verheiratet mit dem Generaloberstabsarzt Friedrich Wilhelm Weber (1867-1942)
Bertha (1874-1957), verheiratet mit dem Bankbevollmächtigten Walter von Baer (1860-1938)
Hildegard (1877-1940), verheiratet mit dem Major Kurt von Bercken (1863-1933)
Hedwig (1880-1958)
Irmgard (1882), verheiratet mit dem Kaufmann Walther Braun (1891-1945)
Kinder: Barbara, verheiratete Meyer, geb. 27.1.1912 (Adoptiv-Tochter), lebt in Tübingen
GND-ID: GND/116208317

Biografie: Martin Otto (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 18-20

Blume entstammte einer preußischen Offiziersfamilie; sein Großvater Wilhelm Hermann Blume (1795-1869) war Direktor der Ritterakademie in Brandenburg an der Havel. Dessen Sohn Wilhelm Hermann Blume durchlief die preußische Offizierslaufbahn (Abschied als General), war Adjutant Moltkes und wurde als Militärschriftsteller bekannt; 1888 wurde die Familie in den erblichen Adelsstand erhoben. Auch dessen Sohn Wilhelm von Blume sollte die Offizierslaufbahn einschlagen; er absolvierte, nachdem er seine Kindheit in Berlin und Hannover verbracht hatte, erfolgreich die Hauptkadettenanstalt Groß-Lichterfelde. Ein Reitunfall als Offiziersanwärter setzte einer weiteren militärischen Verwendung jedoch ein Ende. Blume machte daraufhin sein Abitur und nahm anschließend ein Studium der Rechtswissenschaften in Göttingen auf. Unter dem Eindruck von Rudolf von Ihering entschloß sich Blume zu einer wissenschaftlichen Laufbahn. In Göttingen lernte Blume auch seine Ehefrau kennen, die Tochter des dortigen Professors für Geologie und Paläontologie, Karl von Seebach (1839-1878), die er 1894 heiratete. Sein preußisches Referendariat beendete Blume 1892 vorzeitig; er erstellte seine Habilitation und arbeitete in Straßburg und Göttingen als Repetitor.
1895 wurde Blume als Nachfolger von Leist, den er seit 1894 vertreten hatte, Extraordinarius für Römisches Recht in Marburg, 1898 erhielt er das erste Ordinariat in Rostock, 1900 wurde er als Nachfolger von Salkowski nach Königsberg berufen, 1904 als Nachfolger von Endemann nach Halle. Einen Ruf nach Münster im Jahre 1902 lehnte er ab. In diesen Zeitraum fiel die Beratung und Verabschiedung des BGB, die Blume von einer romanistischen Warte aus kritisch begleitete. Blumes besonderes Augenmerk galt dabei dem Familien- und Erbrecht. Zu der neuen Rechtslage unter dem BGB (Verabschiedung im Reichstag 1896; Inkrafttreten 1. Januar 1900) verfasste er auch erste Lehrbücher. Dabei betonte Blume die soziale Funktion des BGB und war an einer allgemeinverständlichen Rechtssprache und „Volkstümlichkeit“ der Rechtssätze interessiert. Blume engagierte sich für den Neubau eines juristischen Seminargebäudes in Halle (Einweihung 1908) und war auch als nationalliberaler Kommunalpolitiker aktiv.
1912 wurde Blume als Nachfolger von Otto von Wendt auf ein zivilistisches Ordinariat nach Tübingen berufen. Anteil daran hatten nicht zuletzt die Tübinger Ordinarien Philipp Heck und Max Rümelin, die in den Jahren zuvor ebenfalls aus Halle nach Tübingen gekommen waren und bereits in ihrer Hallenser Zeit Fakultätskollegen von Blume waren.
Unter den Bedingungen der kleinen württembergischen Landesuniversität wandte sich Blume zunehmend auch dem Staatsrecht zu. Blume stand zeitweilig dem Gedankengut Friedrich Naumanns nahe; in diesem Sinne setzte er sich für Sozialreformen ein und unterstützte den Frauenbund und das Heimstättenwesen. Seit dem Ersten Weltkrieg befasste sich Blume mit anthroposophischem Gedankengut; er unterstützte die Dreigliederungslehre von Rudolf Steiner und hielt in diesem Rahmen auch öffentliche Vorträge. Überhaupt hatte Blume während des Krieges eine rege Vortragstätigkeit entfaltet; als Rektor sprach er sich für einen Siegfrieden aus, ohne jedoch annexionistische Neigungen zu vertreten. Im Jahre 1917 gehörte Blume zu den Gründern des „Deutschen Auslandsinstituts“ in Stuttgart, das sich besonders der Unterstützung des Auslandsdeutschtums widmete; bis zu seinem Tode war er hier Vorstandsmitglied. Nach dem Ende der Monarchie wurde Blume Anfang 1919 von dem württembergischen Ministerpräsidenten Wilhelm Blos (Mehrheitssozialdemokrat) auf Vorschlag von Wilhelm Keil mit der Ausarbeitung einer freistaatlichen Verfassung beauftragt, die am 26. April 1919 von der verfassunggebenden Landesversammlung mit großer Mehrheit beschlossen wurde (geringfügige Revision nach Inkrafttreten der Reichsverfassung am 25. September 1919). Blumes herausragende Rolle bei diesem Prozeß der Verfassungsgebung war dabei zufällig zustandegekommen; die Tübinger Staatsrechtslehrer waren nicht verfügbar. Blumes Amtszeit als Berichterstatter des Verfassungsausschusses der Landesversammlung dauerte vom 17. Dezember 1918 bis zum 15. Januar 1919. Seit dem 23. Januar 1919 amtierte er als offizieller „Regierungskommissar für die Beratung des Verfassungsentwurfs.“
1919 gehörte Blume zu den Gründungsmitgliedern der DDP in Württemberg; 1920 kandidierte er erfolglos für den Reichstag. Blumes politisches Engagement führte zu einer Auseinandersetzung mit dem Tübinger Historiker Johannes Haller. Im Rahmen einer Wahlveranstaltung der DDP am 14. Mai 1920 in Tübingen, auf der unter anderem der Historiker Walter Goetz auftrat, hatte sich Blume lebhaft gegen überzogene Kritiker des republikanischen Neubeginns ausgesprochen; militante Kritiker sollten „besser verschwinden.“ Haller hatte dies auf sich bezogen. Die beiden Professoren führten innerhalb der universitären Gremien ein Verleumdungsverfahren; zwischenzeitig kursierten auch Gerüchte, Blume hätte mit einem Tschechoslowaken Geheimgespräche über die Loslösung Süddeutschlands vom Reich und die Lieferung von Saarkohle nach Württemberg geführt. Der wahre Kern dieser Gerüchte war lediglich, dass Blume im Auftrag der Regierung Blos mit dem aus Böhmen stammenden Österreicher Künzelmann über ein Vorgehen gegenüber den Siegermächten gesprochen hatte; das Gespräch war ohne Ergebnis geblieben und hatte keinen separatistischen Inhalt. Nach erfolgreicher Schlichtung durch die Universität betrachtete Haller die Angelegenheit als „erledigt.“
Blumes besondere Aufmerksamkeit galt der materiellen Not der Studenten in den Nachkriegsjahren. Er war Mitbegründer und Vorstandsmitglied der „Dresdner Wirtschaftshilfe der Deutschen Studentenschaft“ (später Ehrenmitglied) sowie, gemeinsam mit Carl Sartorius, an der Gründung und Leitung der „Tübinger Studentenhilfe“ beteiligt; seit 1923 war er auch Vorstandsmitglied im „Württembergischen Landesverband für Volksheimstätten und Bodenreform.“ Von 1922 bis 1924 saß Blume für die DDP im Württembergischen Landtag; von einer erneuten Kandidatur hatte er aus Gesundheitsgründen absehen müssen.
Blume gehörte zu den bürgerlichen Juristen, die nach 1918 einen echten Neuanfang versuchen wollten. Er zählte zu den Mitgliedern des „Weimarer Kreises“ verfassungstreuer Hochschullehrer. Dem Gedanken einer Lebensreform offen gegenüberstehend, sprach sich Blume in öffentlichen Vorträgen für die Begrenzung des Alkoholausschanks aus. In Tübingen bewohnte er ein Haus in der Frischlinstraße 1. Er starb plötzlich während eines Erholungsaufenthaltes an einer Lungenentzündung. Zu einer Mitarbeit am von Gerhard Anschütz und Richard Thoma herausgegebenen „Handbuch des Deutschen Staatsrechts“, für die Blume vom Tübinger Verleger Oskar Siebeck im Dezember 1926 vorgeschlagen worden war, kam es so nicht mehr. Zur Trauerfeier im Krematorium Heilbronn hielt Philipp Heck die Trauerrede. Die Trauerfeier hatte durch zahlreiche Parteireden die Bedeutung eines Staatsereignisses, wenn auch die württembergische Regierung keinen offiziellen Vertreter entsandt hatte. Reichsaußenminister Stresemann hatte dagegen telegraphisch kondoliert. Seine letzte Ruhestätte fand Blume im Grab seiner Eltern auf dem Evangelischen Friedhof Nikolassee in Berlin.
Quellen: PA im UA Tübingen, (UAT 126); Habilitationsakte im UA Göttingen.
Werke: Diss. (wie oben) 1892; Habilitation (wie oben) 1894; Zur Auslegung des Bürgerlichen Gesetzbuches, in: Iherings Jb. (1898); Das Recht der Anlieger an öffentlichen Straßen, in: FG der Juristischen Fakultät Königsberg für Johann Theodor Schirmer, 1900, ND 1970; Zustimmung kraft Rechtsbeteiligung und Zustimmung kraft Aufsichtsrechts, in: Iherings Jb. (1903); Das Vormundschaftsrecht des BGB, 1904; Das sogenannte Prinzip der Selbständigkeit des Vormundes, in: Iherings Jb. (1904); Das Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (zusammen mit Otto Opet), 1906; Der Schadensersatzanspruch des Käufers wegen Lieferung einer mangelhaften Sache und seine Verjährung, in: Iherings Jb. (1909); Erbrecht (Bd. I: Die Grundlagen des Erbrechts; Bd. 2: Die Nachlaßbeteiligten), 1913; Durch Krieg zum Frieden (Weihnachten und Neujahr in Kriegszeit), 1914; Der deutsche Militarismus, 1915; Staatsverfassung, in: Viktor Bruns (Hg.), Württemberg unter der Regierung König Wilhelms II., 1916, 77-114; Weihnachtsgruß an die Studenten im Feld der Univ. Tübingen, 1916; Die Wurzeln der deutschen Volkskraft, 1917; Über die deutsche Selbstverwaltung, 1917; Was bedeuten die Kriegerheimstätten?, 1917; Ein Jahrhundert württ. Verfassungslebens, in: Hundert Jahre Verfassung 1819-1919, 1919; Die Verfassung des Freien Volksstaates Württemberg vom 20. Mai 1919, 1919; Die württ. Verfassung in alter und neuer Zeit. Ein Erinnerungsblatt zum 25. September 1919, 1919; Landtagsrede, gedr. in: Drei Reden aus der verfassunggebenden württ. Landesversammlung, 1919; Deutschlands Aufgabe (Vortrag, gehalten am 28. November 1919 in Stuttgart), in: Mitteilungsblatt des Bundes für Dreigliederung des sozialen Organismus Nr. 7 (1919), erneut in: H. Kühn, Dreigliederungs-Zeit, 1978, 226-233; Die württ. Verfassungsgesetzgebung des Jahres 1919, in: Jb. für öffentliches Recht 9 (1920),171-179; Die Verfassung Württembergs vom 25. September 1919, 1921; Studentennot und Studentenhilfe. Ein Beitrag aus Tübingen, in: Frankfurter Zeitung, 6. Mai 1921; Die Volksvertretung in den Ländern, in: Handbuch der Politik, Bd. 3, 3. Aufl. 1921, 77; Vorwort zu: Alfred Reinhardt, Staatsbürgerkunde, 1925.
Nachweis: Bildnachweise: Ölgemälde im Archiv des Landtags von Baden-Württemberg, Stuttgart.

Literatur: Deutsche Juristen-Zeitung 32 (1927), 659; Ernst Heymann, Zum Tode von Ernst Landsberg und W. von Blume, in: Deutsche Juristen-Zeitung 32 (1927), 1396 ff.; F. Gundlach, Catalogus Professorum Academiae Marburgensis, 1927, 152; Max von Rümelin, Zum Gedächtnis W. von Blumes, in: Archiv für die civilistische Praxis 128 (1928), 129-156; Dem Gedächtnis der Professoren D. Dr. Richard Garbe, W. von Blume, Theodor von Haering und Paul Kessler, 1928; K. Weller, Die Staatsumwälzung in Württemberg 1918-1920, 1930, bes. 175 ff. u. ö.; Wilhelm Keil, Erlebnisse eines Sozialdemokraten, Bd. II, 1948, 125, 153; H. Döring, Der Weimarer Kreis, 1975, 256 f.; H. Kühn, Dreigliederungs-Zeit. Rudolf Steiners Kampf für die Gesellschaftsordnung der Zukunft, 1978, 37 f., 44, 76, 98, 173; M. Schmid (Hg.), Auf dem Stuttgarter Rathaus 1915-1922. Erinnerungen von Fritz Elsas (1890-1945), 1990, 109; L. Jelowik, Tradition und Fortschritt. Die hallesche Juristenfakultät im 19. Jh., 1998, 128; W. Pauly, Die neue Sachlichkeit der Staatsrechtslehre in der Demokratie, in: G. Anschütz/R. Thoma (Hg.), Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 1 des unver. ND 1998, 7*; M. Kotowski, Die öffentliche Univ., 1999, 136, 213; M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 3, 1999, 138; S. Paletschek, Die permanente Erfindung einer Tradition. Die Univ. Tübingen im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, 2001, insb. 374 f., 379, 501, 510 f.; zur Familie und Familiengeschichte: Heinz Kraft, in: NDB 2, 327; Gotha, Adelige Häuser B, Bd. 3, 1958, 36-39.
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