Reinhard, Richard 

Geburtsdatum/-ort: 29.04.1846;  Freiburg i. Br.
Sterbedatum/-ort: 01.06.1920;  Freiburg i. Br.
Beruf/Funktion:
  • Verwaltungsjurist, Staatsrat
Kurzbiografie: 1864-1868 Jurastudium in Freiburg, München und Heidelberg
1868 1. Staatsexamen
1871 2. Staatsexamen
1872-1874 Sekretär im Ministerium des Innern
1874-1877 Amtmann in Heidelberg
1877-1890 Amtsvorstand in Kork (ab 1881 in Kehl)
1890-1893 Amtsvorstand in Baden-Baden
1893-1896 Ministerialrat im Innenministerium, zugleich ständiges Mitglied des Landesversicherungsamtes
1896-1900 Landeskommissär in Freiburg für die Kreise Freiburg, Lörrach und Offenburg
1900-1909 Domänendirektor in Karlsruhe, später Direktor der Forst- und Domänendirektion
1901 Titel Staatsrat, stimmführendes Mitglied des Staatsministeriums
1902 Titel Wirklicher Geheimer Rat mit Prädikat „Exzellenz“
1909 Ruhestand in Freiburg
1911 Ehrendoktor der Rechts- und Staatswissenschaften der Universität Freiburg
1915-1918 Mitglied der I. Kammer der Badischen Landstände, zeitweise Vizepräsident
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: Unverheiratet
Eltern: Vater: Joseph (1809-1879) Mathematiklehrer, Lyzeumsdirektor in Tauberbischofsheim
Mutter: Amalie, geb. Bauer (1826-1880) Tochter des Oberamtmanns und Hofrats Bauer
Geschwister: Amalia, verheiratete Streng (gest. 1878)
GND-ID: GND/11641989X

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 5 (2005), 231-233

Ein Kneipbild der Freiburger Rhenanen aus dem Wintersemester 1867/78 erschließt plakativ personelle Zusammenhänge hinter Reinhards beruflichem Werdegang: Der spätere Staatsminister Arthur von Brauer und der künftige Finanzminister Adolph Buchenberger sind hier mit Reinhard dargestellt. Fügen wir noch die Namen Schenkel und von Dusch hinzu, ist die badische Regierung von 1901 komplett. Dass Reinhard in der Funktion des Domänendirektors dem Kabinett als stimmberechtigtes Mitglied angehörte, verdankte er einerseits der Tatsache, dass die Ministerkollegen seine fachliche Kompetenz und verbindliche Art schätzten, andererseits der persönlichen Nähe zu Großherzog Friedrich I., die man freundschaftlich nennen darf. Als Staatsminister von Dusch 1906 Reinhard gerne auf dem Sessel des Finanzministers gesehen hätte, zögerte der Großherzog jedoch. Reinhard sei zu gütig und zu nachgiebig zum Beispiel bezüglich der Aufbesserung der Beamtengehälter; dergleichen war ihm in Duschs Abwesenheit hinterbracht worden. Reinhard rettete die Situation und bat darum, aus gesundheitlichen Gründen von seiner Person abzusehen. Drei Jahre später ließ er sich 63-jährig in den Ruhestand versetzen. Schenkels Biograph lässt durchblicken, dass Reinhards gesellschaftliche Gewandtheit und Liebenswürdigkeit und deren Wirkung auf den greisen Monarchen kritisch beobachtet wurden: „Die von anderen Ministern virtuos geübte Fähigkeit suggestiver Beeinflussung“ habe Schenkel (Innenminister 1901-1906) gefehlt. Heinrich Hansjakob versuchte Reinhards Verbindungen zu nutzen, als es 1898 um die Besetzung des erzbischöflichen Stuhls in Freiburg ging. Reinhard war damals Landeskommissär in Freiburg und pflegte geselligen Umgang mit dem eigenwilligen, als Publizist erfolgreichen Stadtpfarrer von St. Martin, der ihn Freund nennt. Hansjakobs Favorit Lender kam jedoch nicht zum Zug, sondern Lothar Kübel, den Reinhard aus seiner Zeit als Leiter des Bezirksamts Baden-Baden kannte. Die drei Freiburger Jahre endeten für Reinhard mit einer Krise. Justizminister Nokk, der zusätzlich das Kultusressort betreute, betrieb Reinhards Versetzung nach Konstanz, verärgert über dessen Mitmischen in kirchenpolitischen Fragen, denen in der Zeit des nachklingenden Kulturkampfes zentrale Bedeutung zukam. Reinhard habe damals auf „tout perdu“ gesetzt und mit Rückzug in den Ruhestand gedroht. Er hatte Glück: Nokk ließ sich durch von Dusch ablösen. Schofer berichtet, dass die katholische Zentrumspartei als größte Oppositionspartei gegenüber der liberal-konservativen Regierung das Kabinett von 1901 hoffnungsvoll begrüßt habe. Über Reinhard, den einzigen Katholiken in der Kabinettsrunde, schreibt er jedoch etwas geringschätzig: „Minister Reinhard hatte kein Ressort; von ihm sagte man, dass er eine Konzession an das Zentrum sein sollte. Ob dem so war, blieb dem Zentrum verborgen; jedenfalls merkten wir nichts davon.“ Eine weitere negative Erfahrung machte Reinhard 1900 mit seiner Kandidatur im badischen Reichstagswahlkreis VII (Ämter Offenburg, Oberkirch und Kehl). Hier trat er für die Liberalen gegen den beliebten „Bauernvater“ Schüler an und verlor trotz des hohen Ansehens, das er im Hanauerland seit seiner Kehler Zeit hatte. Um einen aktiven Wahlkampf zu bestreiten, war seine Gesundheit nicht robust genug. Dienstunfähigkeit wegen Krankheit ist nicht nur für 1900, sondern auch in den folgenden Jahren registriert, wobei er dann gerne in Rom Erholung suchte.
Die 13 Jahre als Oberamtmann in Kehl scheinen ihm persönlich sehr wichtig gewesen zu sein. Als 31jähriger ging er mit Feuereifer an seine Amtsgeschäfte, deren Vielseitigkeit ihn faszinierte. Er gab sich volksnah, nahm an Trachtenfesten teil, interessierte sich für den Rheinausbau und setzte die großherzogliche Politik einfühlsam um. Dass er seine Eltern und seine Schwester in Kork, dem anfänglichen Amtssitz, bestatten ließ und diese Grabstätte testamentarisch auch für sich bestimmte, spricht für die Nachhaltigkeit der Hanauer Jahre. Reinhards lebenslanges Junggesellendasein hinderte ihn nicht, unterstützt von einer Haushälterin ein gastliches Haus zu führen. Auch viele jüngere Freunde hätten sich zu den geselligen Anlässen eingefunden, wie Gustav Hecht berichtet, der Reinhard noch persönlich gekannt hatte. Bei dem Patensohn Hans Richard Hecht, für den Reinhards Testament ein Vermächtnis von 500 Mark vorsah, handelte es sich vermutlich um Gustav Hechts Sohn.
Die Ruhestandsjahre in Freiburg nutzte Reinhard zunächst für kunsthistorische Studien. Dann bot die Errichtung des neuen Kollegiengebäudes Gelegenheit zum Engagement: Er koordinierte die Spendenwerbung in Akademikerkreisen, was 1911 durch die Verleihung der Ehrendoktorwürde honoriert wurde. Bei Ausbruch des I. Weltkriegs war Reinhard noch voller Elan, er organisierte ein Lazarett im Rhenanenhaus. Wenige Tage nachdem er in Bad Schachen seinen 70. Geburtstag gefeiert hatte, nahm er im Juni 1916 an Hansjakobs Beerdigung teil. Der Gang der geschichtlichen Ereignisse ließ den Monarchisten und Patrioten dann aber verstummen. 1920 starb er in seiner Freiburger Wohnung in der Kaiserstraße. Anna Streng, Oberin am Mannheimer Krankenhaus, die älteste Tochter seiner verstorbenen Schwester, kümmerte sich um den Nachlass.
Quellen: GLA Karlsruhe 76/6147, 236/18539, 231/2937 Nr. 26 b; StAF G 540/Nr. 29213 (Nachlassakte). StadtA Freiburg C.3.286/6 (Glückwünsche bei Geburtstagen). UA Freiburg D 29/17 (Ehren-Promotionsurkunde von 1911).
Werke: Erinnerungen aus meiner Studienzeit. In: Festbl. zur Einweihung des neuen Kollegien-Hauses d. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 1911, 10 ff. Zu Erinnerung an Adolph Buchenberger. In: Zs. für die ges. Staatswissenschaft 61, 1905, 131-158 (hier geht Reinhard auch auf sein eigenes dienstliches Schaffen ein).
Nachweis: Bildnachweise: bei Hecht u. Hildenbrand (vgl. Lit.).

Literatur: Gustav Hecht, Karl Schenkel und R. Reinhard. Zwei bad. Staatsmänner, 1931; F. Lewald über Karl Schenkel in: BJ 14, 1909, 231 ff.; A. Krieger über Adolph Buchenberger in: BB VI 1935, 207 ff.; Erinnerungsbll. aus d. Aktivität. Festgabe zum 110. Stiftungsfeste des Korps Rhenania zu Freiburg, 1922; Josef Schofer, Mit d. alten Fahne in die neue Zeit, 1926, 67; M. Hildenbrand, Heinrich Hansjakob u. R. Reinhard. Eine Freundschaft im Spiegel von Hansjakobs Briefen, In: BH 1, 1922, 85 ff.; Hans-Peter Fischer, Die Freiburger Episkopatswahlen 1898 u. d. Episkopat von Thomas Nörber. Forschungen zur Oberrheinischen Landesgeschichte Bd. XLI, 1997; Oswald Floeck, Heinrich Hansjakob, 1921.
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