Fetzer, Berthold von Karl 

Geburtsdatum/-ort: 03.04.1846;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 15.08.1931;  Degerloch, heute Stuttgart-Degerloch
Beruf/Funktion:
  • Leibarzt des Königs von Württemberg, Militärarzt, Leiter des Karl-Olga-Krankenhauses in Stuttgart, Staatsrat
Kurzbiografie: Elementarschule und Gymnasium in Stuttgart
1863 Abitur
1863-1868 Studium der Medizin in Tübingen
1868 Promotion zum Doctor medicinae et chirurgiae (Dissertation: „Beiträge zur Histogenese des Leberkrebses“ bei Professor Oscar Schüppel)
1870/71 Teilnahme als Militärarzt am Deutsch-Französischen Krieg; Niedergelassener Arzt in Stuttgart (bis 1911)
1873 Wiedereintritt in den Dienst als Militärarzt
1874 Ernennung zum Zweiten Hofarzt und Zweiten Leibarzt König Karls von Württemberg
1885-1911 Erster Hofarzt und Erster Leibarzt König Karls bzw. König Wilhelms II. von Württemberg
1892-1911 Leiter des Karl-Olga-Krankenhauses in Stuttgart und der Inneren Abteilung des Krankenhauses
1911 Mai Ausscheiden aus dem Hofdienst auf eigenen Wunsch, Verleihung des Titels eines Staatsrats
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: (Auswahl): Ritterkreuz 1. Klasse des Württembergischen Friedrichordens (1871); Ritterkreuz des Württembergischen Kronordens; Ritterkreuz des Mecklenburg-Schwerinischen Greifenordens (1886); Komtur 2. und 1. Klasse des Württembergischen Friedrichordens (1889 bzw. 1891); Württembergischer Olgaorden (1900); Komturkreuz des Württembergischen Kronordens (1909)
Verheiratet: Juni 1872 (London) Marie (Mary) Therese, geb. Cappel (1852-1921)
Eltern: Vater: Karl August Friedrich Fetzer (1809-1885), Rechtskonsulent, Politiker, Schriftsteller
Mutter: Marie Treulieb, geb. Hofacker (1821-1853)
Geschwister: 3: u. a. Karl Wolfgang (von) (1845-1923), Oberstaatsanwalt in Heilbronn
Halbgeschwister 4: u.a. Dr. phil. Karl Ludwig Adolf (1863-1917), Prof., Balkan-Kriegsberichterstatter, 1917 Major der Reserve, verheiratet mit Elisabeth, geb. Freiin von Wächter (geb. 1875), Tochter von Oskar Wächter
Kinder: Erich Karl Berthold (1873-1901)
Dagmar (geb. 1876), verheiratet mit Georg Schloßberger (geb. 1869)
GND-ID: GND/116475854

Biografie: Eberhard Merk (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 1 (2006), 74-76

Fetzer entstammte einer demokratisch gesinnten, württembergischen Juristenfamilie. Sein Großvater Karl und sein Vater Karl August waren beide Rechtskonsulenten und Landtagsabgeordnete.
Nach dem Medizinstudium unternahm Fetzer wissenschaftliche Studienreisen nach Berlin, Prag, Wien und Paris. In dem Pariser Hospiz Salpêtrière hörte er die berühmten Medizinischen Vorlesungen des bedeutenden Neurologen Jean-Martin Charcot. Fetzer übersetzte dessen Medizinische Vorträge und die „Localisations dans les maladies du cerveau et de la moelle épinière“ ins Deutsche, womit er einen wichtigen Beitrag zur Rezeption der Werke Charcots in Deutschland leistete. Als jedoch Charcot 1885 einen Übersetzer für seine „Neuen Vorlesungen über die Krankheiten des Nervensystems“ suchte, beauftragte er nicht Fetzer, sondern den gerade in Paris weilenden Sigmund Freud. In seiner „Selbstdarstellung“ schildert Freud, Charcot habe ihm gegenüber sein Bedauern geäußert, dass sein deutscher Übersetzer (eben Fetzer) seit dem Deutsch-Französischen Krieg nichts mehr von sich hören ließ.
Im Juli 1870 musste Fetzer wegen des Deutsch-Französischen Krieges seinen Aufenthalt in Paris vorzeitig beenden. Er kehrte nach Württemberg zurück, um als Oberarzt des 4. Württembergischen Feldspitals in den Krieg zu ziehen. Fetzers Kriegstagebuch gibt einen guten Einblick in den Alltag eines Militärarztes in diesem Krieg.
Nach Kriegsende schied Fetzer aus dem Militärdienst aus und ließ sich in Stuttgart als Arzt nieder. 1873 schlug er erneut die Laufbahn eines Militärarztes ein, wobei er seine Arztpraxis beibehielt. Fetzer machte rasch Karriere, da er bereits 1881 zum Garnisonsarzt in Stuttgart ernannt wurde.
1883 wurde Fetzer nach Berlin abgeordnet, um als Vertreter Württembergs an der Abfassung des „Sanitätsberichtes über die deutschen Heere im Kriege gegen Frankreich 1870/71“, der von der Militär-Medizinal-Abteilung des Preußischen Kriegsministeriums 1884-1891 herausgegeben wurde, mitzuwirken. Eine Kurzfassung des Kriegssanitätsberichtes veröffentlichte Fetzer 1895 unter dem Titel „Auch ein Rückblick. Das deutsche Sanitätswesen im Kriege 1870/71 nach dem Kriegssanitätsbericht.“
Im April 1883 wurde Fetzer vor allem aufgrund seiner ausgezeichneten medizinischen Kompetenz und seiner Fremdsprachenkenntnisse zum Zweiten Hofarzt und Zweiten Leibarzt König Karls von Württemberg mit dem Titel eines Medizinalrates ernannt. Gleichzeitig schied er aus dem aktiven Dienst als Militärarzt unter Stellung à la suite des Sanitätskorps aus. Zwei Jahre später wurde Fetzer das Amt des Ersten Hofarztes und Ersten Königlichen Leibarztes mit dem Titel eines Obermedizinalrates übertragen.
Fetzer behandelte in den folgenden Jahren den gesundheitlich angeschlagenen König Karl und dessen Gemahlin Königin Olga bis zum Tod der beiden 1891 bzw. 1892. Vor allem begleitete er beide auf den langen Winteraufenthalten, die das Königspaar vorwiegend in Südfrankreich oder in Italien verbrachte. Einerseits hatten die langen Winteraufenthalte im Süden die Trennung von seiner Familie und Privatpraxis zur Folge. Andererseits bot der Dienst als Hofarzt Fetzer gerade in den Wintermonaten genügend Muße, seinen wissenschaftlichen und kunsthistorischen Neigungen nachzugehen.
Die Arbeit als Leibarzt König Karls scheint Fetzers Tagebüchern zufolge, die eine aussagekräftige Quelle über die letzten Lebensjahre des Königs sind, nicht immer einfach gewesen zu sein. Der König, der an Depressionen und einem schweren Blasenleiden litt, zeigte sich häufig launenhaft und war ein nicht immer dankbarer Patient. Fetzer bewies im Umgang mit dem König und den Mitgliedern des Hofes psychologische Sensibilität, Geduld, Diskretion und diplomatisches Geschick. Trotz der Unannehmlichkeiten, die mit dem Amt des Hofarztes verbunden waren, hat Fetzer seinen Dienst als loyaler und pflichtbewusster Arzt und Diener bis zum Tode des Königs wahrgenommen. Nach dem Tode König Karls fertigte er einen umfangreichen Krankheits- und Obduktionsbericht an.
Zu Königin Olga, die Fetzer ebenso bis zu deren Tode behandelte, hatte Fetzer ein problemloses und vertrauensvolles Verhältnis. Die Königin schätzte an Fetzer, neben den medizinischen Kenntnissen, auch die tiefe Religiosität ihres Hofarztes, die etwa beim Ableben des Königs zutage trat.
Auch unter König Wilhelm II. behielt Fetzer die Stelle des Ersten Hofarztes und königlichen Leibarztes. Gleichzeitig wurde ihm auf Wunsch von Königin Charlotte die Leitung des neugegründeten Karl-Olga-Krankenhauses in Stuttgart übertragen. Zusätzlich war er auch Chef der Inneren Abteilung des Krankenhauses. Diese neuen Stellungen erhielt Fetzer aufgrund seiner Reputation als hervorragender Arzt. Fetzer übte diese Funktionen bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1911 aus. In diese Zeit fallen vor allem die Einweihung des Krankenhausgebäudes im Jahre 1894 und des Charlottenbaus des Karl-Olga-Krankenhauses 1910.
Fetzer verfasste neben den genannten Schriften noch zwei weitere medizinische Abhandlungen. Die 1879 veröffentlichte Studie „Ueber den Einfluss des Militärdienstes auf die Körperentwickelung mit besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse der Brust und mit Bezug auf die Beurteilung der Militärdienstfähigkeit“ enthält Fetzers Versuch, objektive Messkriterien für die Diensttauglichkeit von Soldaten zu entwickeln. Dabei untersuchte Fetzer, inwieweit durch Messungen der Brust Aussagen über etwaige Krankheiten der Atmungsorgane und damit die Diensttauglichkeit der Soldaten getroffen werden können. Gerade mit Blick auf die Erkrankungen der Respirationsorgane, wie die Lungentuberkulose, waren diese Untersuchungen wichtig. Mit der Therapie dieses Lungenleidens und den damit verbundenen ökonomischen Folgen befasst sich Fetzers im Jahre 1900 erschienene Broschüre „Lungentuberkulose und Heilstättenbehandlung. Eine medicinisch-sociale Studie“, die auch ins Spanische übersetzt wurde. Fetzer warnte davor, allzu große Erwartungen in sozialhygienischer Hinsicht an die Heilstättenbehandlung zu knüpfen. Die medizinischen Veröffentlichungen und Übersetzungen können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Fetzer als Arzt vor allem ein Mann der Praxis war, der nur nebenbei wissenschaftlich arbeitete.
Quellen: HStAS: NL B. Fetzer (Q 2/3): u. a. 4 Fotos von Fetzer (Bestellnr. 46), eigenhändiger Lebenslauf Fetzers (Stand 1883) in: Q 2/3, Bestellnr. 1; PA über die militärische Laufbahn Fetzers: M 430/1, Bü 649; weitere Unterlagen zu Fetzer: E 14, Bü 150; E 55, Bü 321; E 296 b, Bü 117; G 313, Bü 12; M 32, Bü 19; StAL: E 162 I, Bü 523, 524, 626, 627, 629; PA E 162 II, Bü 164.
Werke: Diss. (vgl. oben), medizinische Schriften (vgl. oben); Übersetzungen: Klinische Vorträge über Krankheiten des Nervensystems von J. M. Charcot, nach der Redaction von Dr. Bourneville ins Deutsche übertragen von Dr. B. von Fetzer (...). Autorisierte Übersetzung, 1874 und 1878, s. auch Vita; Ascanio Condivi, Leben des Michelangelo Buonarotti, 1889 (ohne Angabe des Übersetzers erschienen).
Nachweis: Bildnachweise: (vgl. Q).

Literatur: Staatshandbücher des Königreichs Württemberg 1873-1911; Adressbücher der Stadt Stuttgart 1875-1911; M. Schippert, Aus Geschichte und Arbeit des Diakonissenmutterhauses der Olga-Schwestern mit dem Karl-Olga-Krankenhaus in Stuttgart, 1928; A. Eulenburg, Charcot, in: Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte aller Zeiten und Völker, 1929, 885-887; Sigmund Freud, Selbstdarstellung, 1925; Staatsrat Dr. B. von Fetzer, Nachruf in: Schwäbischer Merkur (1931) Nr. 191, 5; Gisela Herdt, Der württ. Hof im 19. Jh. Studien über das Verhältnis zwischen Königtum und Adel in der absoluten und konstitutionellen Monarchie, 1970; Paul Sauer, Regent mit mildem Zepter. König Karl von Württemberg, 1999.
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