Schaller-Härlin, Käte 

Andere Namensformen:
  • Schaller-Härlin, Katharina Maria
Geburtsdatum/-ort: 19.10.1877; Mangalore/Indien
Sterbedatum/-ort: 09.05.1973;  Stuttgart-Rotenberg
Beruf/Funktion:
  • Malerin
Kurzbiografie: 1890 Schulzeit in Göppingen, dann Härlinsches Töchterinstitut
um 1893 Gewerbeschule in Stuttgart bei Magdalene Schweizer
1900–1904 Damen-Akademie des Künstlerinnen-Vereins München e.V.
1909 im SS Studium an d. Königl. Akademie d. Bildenden Künste Stuttgart bei Adolf Hölzel
1944 ausgebombt u. in Eschach bei Schwäb. Gmünd evakuiert
1950 Rückkehr nach Stuttgart, fortan wohnh. in d. Villa Schaller auf dem Rotenberg
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1911 (Bodelshausen) Hans Otto Schaller (1883–1917), Dr. phil., Kunsthistoriker u. Kunsthändler in Stuttgart
Eltern: Vater: Emmerich Johannes Friedrich Härlin (1843–1935), ev. Pfarrer u. Missionar
Mutter: Anna, geb. Nast (1845–1935)
Geschwister: 8;
Anastasius (1874–1874);
Hanna Mathilde (1875–1952), verh. mit Otto Wilhelm (1870–1954), ev. Pfarrer in Neckartenzlingen u. Professor am Lehrerseminar in Esslingen;
Anna Elisabeth (geboren 1876), verh. mit Eugen Wilhelm, Reichsbankdirektor in Frankfurt;
Christoph Heinrich Gotthilf (1879–1880);
Margarethe Dewagapti (1881–1947), Hotelbesitzerin in Arosa;
Nathaniel Martin (geboren 1883), Ingenieur, verh. mit Agnes Fürstenwalter;
Dorkas Dorothea (1885–1968), Keramikerin, verh. mit Eduard Reinacher (1892–1968), Hörspielautor u. Dichter;
Debora Friederike (1888–1904)
Kinder: Sibylle (1913–2000), verh. Barth, Buchhändlerin
GND-ID: GND/117102822

Biografie: Carla Heussler (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 347-350

Schaller-Härlins Bedeutung führt in zwei Richtungen: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war sie eine der wenigen Künstlerinnen, die sich der sakralen Wand- und Glasmalerei zugewandt hatten, wobei darin nach 1909 auch die Auseinandersetzung mit Adolf Hölzel (1835–1934), den sie gehört hatte, stilistisch beachtenswert erscheint. Schon in dieser frühen Zeit aber betätigte sie sich auch als Porträtistin, zumal nachdem ihr Mann gefallen war und sie mit Hilfe dieser Kunstgattung nun ihren Lebensunterhalt zu sichern begonnen hatte. Allmählich wurde Schaller-Härlin über den Großraum Stuttgart hinaus als Porträtistin bekannt und genoss in ihrer Spätzeit den Ruf der bedeutendsten Porträtistin Südwestdeutschlands.
Besonders prägend erschien Schaller-Härlin ihr Geburtsort Mangalore im südindischen Bundesstaat Karnataka, wo ihr Vater unmittelbar nach seiner Heirat Missionar war. Das Ehepaar Härlin arbeitete dort gemeinsam in der Missionsstation. Dort wurden unter den schwierigsten Bedingungen die ersten fünf Kinder geboren. Nach dem Tod des zweiten Kindes kehrte die Familie Anfang der 1880er-Jahre in die Heimat zurück. Da es auch mit der Gesundheit der Mutter, die erneut schwanger war, schlecht bestellt war, bat Schaller-Härlins Vater die Basler Mission um die Erlaubnis zur Heimreise. Er war dann Pfarrer in Massenbach bei Heilbronn und von 1884 bis 1895 in Gruibingen bei Göppingen. Dort besuchte Schaller-Härlin das Härlinsche Töchterinstitut von Heinrich, dem jüngeren Stiefbruder des Vaters, erhielt u.a. Unterricht im Zeichnen. Schließlich zog ihre Familie nach Uhlbach bei Stuttgart. Mit 16 Jahren besuchte sie die Stuttgarter Gewerbeschule, wurde aber, laut ihrem ersten Biographen Wolfgang Pfleiderer nach einem Jahr des Unterrichts verwiesen, da sie gegen die Statuten der Schule verstoßen und sich außerhalb fortgebildet habe. Zusätzlich leistete sie ein Aktstudium bei Rudolf Yelin dem Älteren (1864–1940), der seit 1893 Lehrer für Zeichnen und Malen im Stuttgarter Malerinnenverein war, dem Schaller-Härlin 1899 beitrat.
Vom Mai 1900 bis zum Ende des Wintersemesters 1903/04 studierte Schaller-Härlin an der Damen-Akademie des Künstlerinnen-Vereins München e.V., damals eine der fortschrittlichsten Ausbildungsstätten für Künstlerinnen in Deutschland, die auch Gabriele Münter (1877–1962) und Käthe Kollwitz (1867–1945) besuchten. Als ihren Lehrer erwähnt Schaller-Härlin Angelo Jank (1868–1940), der in einer flotten impressionistischen Manier arbeitete. Während ihrer Studienzeit wurde sie von den „Meggendorfer Blättern“ des Esslinger Schreiber-Verlags engagiert, für die sie zwischen 1902 und 1905 rund 31 Karikaturen anfertigte. Auch für die Zeitschrift „Jugend“ war sie tätig. Mit Hilfe der Karikaturen sowie mit Kopien alter Meister finanzierte sie Reisen nach Italien und besuchte u.a. die „Accademia di belle Arti di Firenze“ und die Stadt Rom. Besonders interessierten Schaller-Härlin die Fresken Giottos und die Malerei der Frührenaissance. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts reiste sie nach Paris, wo sie im Palais Biron, heute Musée Rodin, zur selben Zeit wie Rainer Maria Rilke (1875–1926) wohnte und Gasthörerin bei Henri Matisse (1869–1954) war, der auf Betreiben von Hans Purrmann von 1908 bis 1911 die Académie Matisse unterhielt. Matisse hatte dann vor allem Einfluss auf die Porträtmalerei der Künstlerin. Schaller-Härlin besuchte auch Lehrveranstaltungen des symbolistischen Malers Maurice Denis (1870–1943), des Erneurers der sakralen Wandmalerei. Ihr Zusammentreffen mit dem Hölzel-Schüler Hans Brühlmann (1878–1911) 1909 in Paris ist durch eine Porträtzeichnung dokumentiert, worin Schaller-Härlin bereits den Ausbruch der Lues Brühlmanns andeutet; nur zwei Jahre später beging er 33-jährig Selbstmord.
Früh hat sich Schaller-Härlin der sakralen Malerei zugewandt; schon 1901 und wieder 1911 war sie auf der Ausstellung „Kirchliche Kunst Schwabens“ vertreten. 1907 malte sie, stilistisch der Malerei der italienischen Frührenaissance verpflichtet, ein Lünettenfresko für die evangelische Pauluskirche in Tailfingen/Albstadt. Um 1908 kam wohl auf Vermittlung von Oberkonsistorialrat Johannes von Merz (1857–1929) die Bekanntschaft mit dem Architekten Martin Elsaesser zustande, die zu zahlreichen Aufträgen Schaller-Härlins in von ihm gebauten Kirchen führte, so 1909 Aposteltafeln für die Empore und drei Fresken im Chorbereich der evangelischen St. Blasius-Kirche in Holzelfingen. Als Apostel porträtierte sie Bekannte und Freunde. In den Fresken verarbeitete sie Hölzels Theorien, dessen Unterricht sie 1909 besucht hatte. Adolf Hölzel lehrte seit 1905 an der königlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart. Er war bekannt für seine kunsttheoretischen Überlegungen im Bereich der Bildkomposition und der Farbenlehre. Für die Wandmalerei formulierte Hölzel in einem Vortrag über die „Pfullinger Hallen“, dass die Malerei sich der Architektur unterzuordnen habe. Es soll weniger die plastische oder perspektivische Gestaltung angewandt, sondern eine klare Flächenwirkung erzielt werden, vor allem durch eine linear angelegte Komposition. Auch entstehe durch die Kombination der Mischfarben Grün, Violett und Orange eine feierliche Stimmung. Die Bildkompositionen von Schaller-Härlins Holzelfinger Fresken sind Hölzels Überlegungen entsprechend stark vereinfacht, die Farbigkeit ist reduziert, die Farbe Grün herrscht vor.
Auch die Freundschaft mit Brühlmann mag Einfluss auf ihre Wandmalerei gehabt haben. Schaller-Härlins 1910 entstandene Fresken in der evangelischen Lutherkirche in Baden-Baden-Lichtental lehnen sich an Brühlmanns Wandgemälde in den „Pfullinger Hallen“ an. Zugleich entspricht das Thema der „sechs Werke der Barmherzigkeit“ aus dem Weltgerichtsgleichnis (Matth. 25, 35–39) in der Darstellung von nur sechs Werken, die explizit in der Bibel erwähnt werden, den evangelischen Glaubensvorstellungen. In der Lutherkirche von Lichtental entstand zur selben Zeit Schaller-Härlins erstes Glasfenster mit einer Kreuzigung Christi. Ihre Hinwendung zur Glasmalerei erfolgte also deutlich früher als bei Hölzel und seinen Schülern. Über Martin Elsaesser lernte Schaller-Härlin den Kunsthistoriker und Kunsthändler Schaller kennen, den sie 1911 heiratete, obwohl sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eigentlich für unmöglich hielt.
Ebenfalls 1911 schuf Schaller-Härlin mit einer Kreuzigung Christi ein Fresko für die evangelische Eberhardskirche in Tübingen. 1913 folgte die Ausmalung der Apsis der evangelischen Stadtkirche Gaisburg, ihre beste, reifste, aber auch letzte Wandmalerei. Die Bildkompositionen sind klar und vereinfacht sowie unter Verwendung geometrischer Grundformen aufgebaut. Für die Szenen aus dem Alten und Neuen Testament findet sie häufig eine neue und originelle Formulierung. Im sakralen Bereich folgten von da an nur noch Glasmalereien: 1916 Glasfenster für die evangelische Pfarrkirche Oberdorf/Württ., 1918 das farbenfrohe Weihnachtsfenster in der evangelischen Martinskirche in Oberesslingen, 1926 kleine Szenen aus dem Alten und Neuen Testament für die evangelische Laurentiuskirche in Stuttgart-Rohr. Auch die evangelische Dionysiuskirche in Bodelshausen, wo die letzte Pfarrstelle des Vaters war, erhielt 1930 Glasfenster nach ihren Entwürfen. 1956 gestaltete Schaller-Härlin für die Sakristei der kleinen evangelischen Barockkirche ihres Wohnortes Rotenberg ein Glasfenster mit einer „Auferstehung Christi“.
Den eigentlichen Schwerpunkt des künstlerischen Schaffens von Schaller-Härlin bildete jedoch die Porträtmalerei. Zunächst porträtierte sie Freunde und Bekannte: 1909 malte sie im Stile Rembrandts Marie Eisenlohr, Ehefrau des bekannten Architekten Ludwig Eisenlohr (1851–1931), 1914 nach dem Vorbild von Leonardos (1477–1519) „Mona Lisa“ Gertrud Pfeilsticker-Stockmeier (1880–1963), eine der ersten promovierten Frauen in Tübingen. Ein weiteres, ausgesprochen delikates Porträt von Pfeilsticker-Stockmayer, in dem der Einfluss von Matisse deutlich wird, folgte 1918. Schaller-Härlin schulte sich selbst in der Porträtmalerei durch Reisen nach Spanien und Paris, wo sie die Sammlungen alter Meister besuchte. 1916 entstand ein Porträt des Landeshistorikers Julius von Hartmann (1863–1916) vor dessen Bücherwand. Anfang 1917 malte sie Ernst Ludwig Heuss (1910–1967), den Sohn von Theodor Heuss und Elly Heuss-Knapp, in einem repräsentativen Kniestück. Vermutlich 1917 entstanden das unvollendete Porträt Martin Elsaessers im Profil sowie die Bildnisse ihrer Tochter Sibylle und des Ehemanns, das aufgrund seines Soldatentodes unvollendet blieb. Mit der Porträtmalerei sicherte sich Schaller-Härlin von da an ihren Lebensunterhalt. Zahlreiche Freunde und Bekannte unterstützen sie dabei, darunter Theodor Heuss und seine Schwägerin Hedwig Heuss (1883–1980), die damals beide in Heilbronn wohnten.
Nach dem I. Weltkrieg hatte Schaller-Härlin gerade in der Stadt Heilbronn zahlreiche Aufträge für einfache Kinderporträts in Pastell und Mischtechnik, die ihre Beliebtheit als Kinderporträtistin begründeten. Ihr wichtigster Sammler ab 1918 wurde Hugo Borst (1881–1967), der 23 Porträts zum größten Teil von Mitgliedern seiner Familie sowie drei Stillleben von Schaller-Härlin besaß. In der Sammlung Borst befanden sich auch das Selbstbildnis Schaller-Härlins von 1923, in dem sie sich vor der Staffelei darstellte, sowie ein Porträt des Schwagers von Hugo Borst, Ernst Jäckh.
Die 1920er und beginnenden 1930er-Jahre waren Schaller-Härlins beste Zeit als Porträtmalerin. Aufträge erhielt sie vor allem über zahlreiche persönliche Verbindungen. Sie porträtierte Persönlichkeiten aus dem Bürgertum sowie der Industrie- und Gelehrtenwelt und der Politik, darunter den ersten württembergischen Staatspräsidenten Johannes von Hieber (1862–1951), dargestellt nach dem Vorbild des von Rubens entwickelten Adelsporträts. Vermittelt von Elsaesser ließen sich einige Mitglieder der Industriellenfamilie Reemtsma von Schaller-Härlin malen. Beachtenswert sind auch die Porträts der Kunsthistoriker Heinrich Weizsäcker (1862–1945), Heinrich Wölfflin (1864–1945), Julius Baum (1882–1959) und Georg Dehio.
Freier und ihren eigenen Stil findend arbeitete Schaller-Härlin bei privaten Porträts. Zu ihren besten Werken zählen die Porträts ihres Schwagers, des Dichters Eduard Reinacher, und ihres Hausarztes Dr. Gerlach. Nicht nur die malerische Qualität überzeugt hier, auch tiefes psychologisches Einfühlungsvermögen. Ihre zahlreichen Blumenstillleben stehen dagegen für die gut verkäuflichen Bilder.
Schaller-Härlin stellte im Laufe der Jahre neben dem Kunsthaus Schaller auch im Deutschen Künstlerbund aus und war bei den Ausstellungen der „Stuttgarter Sezession“ vertreten. 1944 wurden ihr Haus und Atelier im Stuttgarter Rottannenweg, ehemals Silbertannenweg, zerstört. In Eschach bei Schwäbisch Gmünd evakuiert, malte sie danach gegen Nahrungsmittel die dort lebenden Bauern, bis sie 1950 in die von Martin Elsaesser 1911 erbaute Villa Schaller auf dem Rotenberg zog, wo sie den Rest ihres Lebens verbrachte und durch Porträts zahlreicher Mitglieder bedeutender Bürgerfamilien zur „Stuttgarter Institution“ wurde. Schaller-Härlins Porträts vermitteln den Charakter der Zeit, in der sie entstanden, ohne dass sich die Künstlerin an den aktuellen Kunstströmungen orientierte. Die aktuellen Kunstentwicklungen, gerade nach dem II. Weltkrieg, blieben ihr gänzlich verschlossen. Die letzten bekannten Arbeiten entstanden Ende der 1960er-Jahre. 1968 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. Die „Alte auf dem Berg“, wie sie sich selbst gerne nannte, starb im Alter von 95 Jahren.
Quellen: StAL E 226/231, Fasz. 37-77, Archiv BBKW, Württ. Malerinnen-Verein Stuttgart. Unter dem Protektorat Ihrer Majestät d. Königin. VII. Jahresber. 1899/1900; Ausstellungskatalog Württ. Malerinnenverein. III. Ausstellung Museum d. bildenden Künste-Stuttgart, Nov. 1899, 1899; Künstlerinnen-Verein München A.V. Jahresber. u. Mitgliederverz. 1900/1901; Liste d. Pressebesprechungen d. Reichs-Gedok-Wanderausstellung, Typoskript, 1937.
Werke: Staatsgalerie Stuttgart, Selbstporträt, 1923; Kunstmuseum Stuttgart, Porträt Eduard Reinacher, 1923; Theodor-Heuss- Haus Stuttgart, Porträt Ernst Ludwig Heuss, 1917; Porträt Elly Heuss-Knapp, 1922; Porträt Theodor Heuss, 1924; Staatsministerium Stuttgart: Porträt Johannes von Hieber, 1924.
Nachweis: Bildnachweise: Selbstporträt, 1923, Staatsgalerie Stuttgart abgebildet in: Selbstbildnisse aus d. Sammlung Hugo Borst, hgg. von d. Staatsgalerie Stuttgart, 1992, 56; Theodor Heuss und die Kunst, hgg. von Stephan Borchardt und Marc Gundel, 2013, 61.

Literatur: Bibliographie in: ThB 29, 1935, 577. – Auswahl: Edith Neumann, Künstlerinnen in Württemberg. Zur Gesch. des Malerinnen-Vereins u. des Bundes Bildender Künstlerinnen Württembergs, Bd. 2, 1999, 128; Christoph E. Palmer/Timmo John, Drei Staatspräsidentenporträts in d. Villa Reitzenstein, in: SchwH 56, 2005, 2, 202-2012; Claudia Liebenau-Meyer, „Der Unterricht war gut, tauglich für’s ganze Leben.“ Die Geschichte des Härlin’schen Töchter-Instituts in Göppingen u. Eckwälden, 2010; Carla Heussler, „Zwischen Avantgarde u. Tradition – Die Stuttgarter Malerin Käte Schaller-Härlin, Schw. H. 2011, 4, 461-469.
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