Allmendinger, Carl Borromäus 

Andere Namensformen:
  • Felix Nabor
Geburtsdatum/-ort: 13.10.1863;  Mühlhausen im Täle
Sterbedatum/-ort: 17.9.1946;  Adelmannsfelden
Beruf/Funktion:
  • Lehrer, Kirchenkomponist und Volksschriftsteller
Kurzbiografie:

bis 1877 Volksschule in Mühlhausen, Lateinschule in Wiesensteig

1877 – 1880 Aspirant und Präparand in Deggingen

1880 V – 1883 IV Seminarist in Schwäbisch Gmünd

1883 V – 1885 V Lehrergehilfe in Gosbach und Bösingen

1885 VI – 1890Schulverweser in Höchstberg

1890 – 1902 Lehrer in Abtsgmünd

1902 – 1910 Lehrer an der Stöckach-Schule in Stuttgart, Referent für Oper und Schauspiel am Königlichen Hoftheater; journalistische Beiträge für das ‚Deutsche Volksblatt‘, erste literarische Erfolge

1910 Schriftsteller in München-Pasing

1938 Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer

1943 X Rückkehr nach Adelmannsfelden bei Abtsgmünd

Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Auszeichnungen: Ehrungen: Felix-Nabor-Schule in Mühlhausen (2002 – 2020, dann Name gelöscht).
Verheiratet:

1890 (Bopfingen) Rosa, geb. Kappes (gestorben 1945)


Eltern:

Vater: Johann (1823 – 1876), Maler, Stuckateur und Vergolder, dann Krämer und Gastwirt

Mutter: Antonia, geb. Pulvermüller


Geschwister:

fünf


Kinder:

drei Söhne, zwei Töchter, darunter Cäcilia (1892 – 1989)

GND-ID: GND/117208159

Biografie: Johannes Werner (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 8 (2022), 3-6

Die Kindheit Allmendingers war überschattet von der Gestalt des Vaters, der sich schwer verschuldet und daraufhin dem Trunk ergeben hatte, und der zwei Tage vor dem 13. Geburtstag des Sohnes unversehens an einem Schlaganfall starb. Da wäre sein Schicksal eigentlich schon besiegelt gewesen, wenn nicht der Großvater an ihn geglaubt und helfend eingegriffen hätte.

Einem jungen Mann, der aus derart ärmlichen Verhältnissen nach Höherem strebte, standen im 19. Jahrhundert fast nur zwei Wege offen: Er konnte Priester oder Lehrer werden. Aber die drei Jahre im Lehrerseminar in Schwäbisch Gmünd, das er als ein Gefängnis empfand, brachte Allmendinger nur widerwillig und unter Schwierigkeiten hinter sich; sein einziger Trost war die Beschäftigung mit der Musik, vor allem mit der Harmonielehre, und mit den Erzählungen von Karl May, deren erste in jenen Jahren erschienen. Damit waren seine weiteren Wege schon vorgezeichnet. Seine erste feste Anstellung erhielt Allmendinger in Abtsgmünd, und er füllte sie zwölf Jahre lang aus. Seine Tochter Cäcilie, die später in seine literarischen Fußstapfen treten sollte, hat in ‚Illa, das Goldkrönlein‘ das Leben im Lehrerhaus und im Dorf gefühlvoll beschrieben.

Einem Lehrer auf dem Dorf fielen damals üblicherweise noch zwei andere Aufgaben zu: Er musste die Orgel spielen und den Kirchenchor leiten. Schon bald leistete Allmendinger weit mehr, als man von ihm erwarten konnte, indem er, im damaligen ‚cäcilianischen Stil‘, etwa 60 Messen und andere Werke komponierte, die dem Können seiner Sänger angepasst waren; die späteren, harmonisch wie melodisch reicher entwickelten, wie etwa die „Missa O bone Jesu“ (op. 37), wurden sogar mehrfach gedruckt.

Bald aber wandte sich Allmendinger der Literatur zu. Das Pseudonym, unter dem er fortan schrieb, setzte er aus den Namen der frühchristlichen Märtyrer Felix und Nabor zusammen. Seine frühen Erfolge machten es ihm möglich, den Lehrerberuf an den Nagel zu hängen und sich in München als freier Schriftsteller niederzulassen. Die literarischen Werke von Allmendinger sind in ihrer großen Menge kaum zu überblicken. Sie erschienen in vielen verschiedenen Verlagen, oft in zahlreichen Auflagen, oder überhaupt erst als Fortsetzungsromane in bis zu 100 in- und ausländischen Zeitungen und Zeitschriften. Durchweg sind sie der sogenannten Trivialliteratur zuzurechnen, insofern sie sich, stilistisch anspruchslos, ja häufig mangelhaft, einer klischeehaften Sprache bedienen und über scheinbare Konflikte zum obligaten Happyend führen. Ihre Leser wollen unterhalten, in ihren Meinungen bestätigt, nicht aber irritiert oder provoziert werden. Wie so viele deutsche Autoren war auch Allmendinger in einem Gasthaus aufgewachsen, was auch bei ihm die Nähe und Neigung zum einfachen Volk und zum Dialekt erklärt.

Die Stoffe seiner Werke sind teils historischer, teils exotischer Art, wobei Allmendinger das, was ihm an genauen Kenntnissen fehlte, mithilfe seiner großen Einbildungskraft geschickt zu überspielen wusste. Fast immer geht es dabei um den Gegensatz zwischen Gut und Böse, d. h. um den Kampf zwischen dem Christentum und seinen jeweiligen Gegnern, wobei sentimentale und brutale Szenen einander abwechseln. Schon Allmendingers erster Roman „Mysterium crucis“, bei dem ihm zweifellos der 1899 in deutscher Sprache erschienene Bestseller „Quo vadis“ von Henryk Sienkiewicz als Vorbild vor Augen stand, beruht auf diesem Schema; auch er erlebte mehrere Auflagen, wurde sogar noch viele Jahre später ins Schwedische und Norwegische übersetzt und war jedenfalls ein verheißungsvoller Beginn.

Allmendingers Erfolge sind nur verständlich vor dem Hintergrund des katholischen Schrifttums seiner Zeit, das, in seinem selbstgewählten Ghetto, das eigene katholische Milieu mobilisieren musste. Insbesondere waren es die katholischen Verlage in Deutschland und Österreich, nicht zuletzt auch die der Steyler Missionare in Kaldenkirchen und der Missionsbenediktiner in St. Ottilien, die seine Werke nahezu unbesehen druckten, und es gab wohl kaum eine Pfarrbücherei, in der sie nicht vorhanden waren. Von katholischer Seite überhäufte man ihn mit Lob. Der Autor war davon überzeugt, dass er in einem höheren Auftrag handelte. „Da es mir versagt war, ein Priester des Herrn zu werden, ward ich ein Lehrer des Volkes. Diesen Weg will ich gehen bis zum Ende, weil er mir von Gott vorgezeichnet und ins Herz geschrieben ward; nichts soll mich von diesem Wege abbringen“ (Selbstporträt, 1929, 742).

Zunehmend wandte sich Allmendinger in seinen Werkenauch seiner Gegenwart zu – und damit gegen das, was ihm an ihr missfiel. Schon früh waren nationalistische, chauvinistische, rassistische und antisemitische Untertöne nicht zu überhören gewesen; nun begannen sie, seine Arbeiten zu bestimmen.

Mit „Schlageter“ stellte sich Allmendinger schon 1933 vorbehaltlos in den Dienst der nationalsozialistischen Propaganda, die den 1923 von den Franzosen hingerichteten Freikorpskämpfer als ersten Blutzeugen des Dritten Reichs glorifizierte. In diesem Buch erscheint er geradewegs als ein „Märtyrer am Kreuze“ (Schlageter, 1933, 186); doch dafür, dass sein derart geheiligtes Vermächtnis vollstreckt wird, sorgt unter anderen seine fiktive Braut namens Amaranth, die ihm an seinem Sterbetag und -ort, unter den Klängen des Horst-Wessel- Liedes, eine aufrüttelnde Weiherede hält. Mit einem vielstimmigen ‚Heil Hitler!‘ endet auch „Shylock unter Bauern“, der 1934 erschienene Roman ‚aus der deutschen Notzeit‘, in dem der Führer am Ende selber ans Sterbebett eines alten Kameraden eilt, der daraufhin glücklich seine Augen schließen kann. Auch dieser exemplarische Blut-und-Boden-Roman lässt kaum ein Klischee aus. Insgesamt geht es in ihm um den deutschen Bauernstand, der angeblich durch jüdische Machenschaften um Geld und Gut gebracht wird. Von Alfred Rosenbergs ‚Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums‘ wurde der Roman gleich zweimal nachdrücklich empfohlen.

Die Wirkung beider Werke dürfte kaum zu unterschätzen sein. Schließlich warf Allmendinger mit ihnen sein Gewicht als weithin bekannter katholischer Autor in die Waagschale, um seine Leserschaft davon zu überzeugen, dass der Nationalsozialismus, den er religiös überhöhte, ihrem Glauben nicht nur nicht widersprach, sondern ihn sogar vollendete. Insofern weist die Versöhnung, die sich an jenem Sterbebett vollzieht, weit über sich hinaus: „Bezwungen von der schlichten und doch machtvollen Persönlichkeit des Kanzlers, überwältigt von so viel Güte, Kameradschaft und edler, reiner Menschlichkeit, die aus einer großen, edlen Seele kam, erhob der Pfarrer stumm die Rechte“ zum Hitlergruß, und in Hitlers Augen „blitzte ein Freudenschein auf, als hätte er in dieser Stunde einen herrlichen Sieg errungen und eine Welt erobert“ (Shylock, 1934, 169).

Wie es scheint, hat Allmendinger nach 1945 den Eindruck erweckt, dass seine katholischen Werke im Dritten Reich verfemt gewesen wären, was allerdings nicht zutrifft; in den ‚Listen des schädlichen und unerwünschten Schrifttums‘ (1935 – 38) kommen sie nicht vor. Dagegen wurden „Schlageter“, „Shylock“, „Roma“, das im faschistischen Italien spielt, und „Ein Mädel fliegt nach Afrika“ in der SBZ indiziert.

Allmendinger starb in seiner Heimat, in die er infolge der Bombardierung von München zurückgekehrt war, und wurde in Abtsgmünd in einem Ehrengrab beigesetzt.

Quellen:

Mitteilungen der Gemeindeverwaltung Mühlhausen und der Gemeindeverwaltung Abtsgmünd; BA, R 9361 V / 12517; Schriftgut-Archiv Ostwürttemberg, Heubach-Lautern; Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt und Leipzig; Bücherkunde der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums 2,9 (1935), 291 f.; 3,1 (1936), 26; Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der SBZ, Liste der auszusondernden Literatur (1946), 293; Zweiter Nachtrag (1948), 206; Dritter Nachtrag (1953), 140.

Werke: Mysterium crucis. Roman aus der Zeit des Kaisers Nero, 1902; Der Kreuzzug der Kinder, 1903; Der Vogt von Lorch. Roman aus dem großen Bauernkrieg, 1904; Meeresbraut, 1906; Auferstehung, 1908; Gesühnt, 1909; Der Stern von Marburg, 1909; Heldentod, 1909; Johanna, die Jungfrau von Orleans, 1909; Der Helfensteiner, 1911; Schloss Sonneck, 1911; St. Michael, 1911; Der Bergpfarrer, 1911; Furchtlos und treu. Roman aus der Zeit des russischen Feldzuges und der darauffolgenden Erhebung des deutschen Volkes, 1913 (Auszug: Fünf Kriegsnovellen 1812 – 15), 1914; Die versunkene Krone, 1915; Die Marienritter, 1915; Das steinerne Meer. Sozialer Roman, 1916; Das Kreuz der Skipetaren, 1917; Omarru, der Sultan, 1918; Das Lebenswunder, 1920; Die goldene Venus. Der Roman einer Circe, 1920; Heimatzauber, 1920; Maria Stuart. Die Märtyrin auf Schottlands Königsthron. Historischer Roman, 1920; Der tote Hof, 1921; Bauernkönige, 1922; Der Friedensfürst, 1922; Der Klostersturm. Geschichtliche Erzählung aus St. Gallens Vergangenheit, 1923; Das arme Prinzesschen. Ein Märchen aus neuerer Zeit, 1924; Die Blutrache. Eine Volkserzählung, 1924; Die deutsche Schmiede, 1924; Das goldene Haus. Erzählung aus den Tagen Pompejis, 1924; Die Krone des Lebens, 1924; Das Mädchen von Spinges. Geschichtliche Erzählung, 1924; Das Rosenhaus, 1924; Der rote Reiter, 1924; Der Sonntagsjäger, 1924; Griseldis, 1924; Zinga, die Negerfürstin, 1924; Das Wunder von Ammergau, 1925; Der goldene Baum u. andere Erzählungen, 1925; Das Mädchen aus der Fremde. Künstlerroman aus der Gegenwart, 1926; Wallfahrt zum Gral, 1926; Kreuz und Halbmond, 1927; Das goldene Jahr, 1928; Palmen und Dornen, 1928; Gold und Myrrhen. Geschichtlicher Missionsroman aus Ostafrika, 1929; Das Kreuz des Ozeans. Geschichtlicher Missionsroman aus Korea, 1929; Unsere Liebe Frau. Ein Marienroman, 1929; Dichterfreud und Dichterleid. (Ein Selbstporträt.), in: Schönere Zukunft 35/2. 6. 1929, 741 – 743; Das Himmelsschiff, 1930; Der Engel von Augsburg. Erzählung aus Bayerns Vergangenheit, 1930; Der große Komponist. Roman aus dem Künstlerleben, 1930; Die schöne Welserin, 1931; Volk in Not, 1931; Die goldene Stadt, 1933; ‚Roma‘, die Perle der ewigen Stadt, 1933; Schlageter, ein deutscher Heldenschicksal, 1933; Die Stimme des Blutes, 1934; Shylock unter Bauern. Ein Roman aus deutscher Notzeit, 1934; Bauernkönige. Ein Dorfroman, 1935; An der schönen blauen Donau. Ein Johann-Strauß-Roman, 1935; Der Kaiser der Sahara, 1936; Ein Mädel fliegt nach Afrika, 1936; Wach auf, mein Herz, 1936; Am Brunnen vor dem Tore, 1938; Die Bergfrau, 1939; Der Sandgraf, 1939; Walzerträume, 1939/40.
Nachweis: Bildnachweise: Abbildung in: Stadt Gottes 10/1928 (vgl. Literatur).

Literatur:

Felix Nabor – Zum 65. Geburtstag, in: Stadt Gottes (Zeitschrift der Steyler Missionare) 10/1928; Carl Allmendinger, Illa, das Goldkrönlein, 1930; E. Häußinger, Carl Allmendinger – Felix Nabor. Kirchenkomponist und Romanschriftsteller, in: Ostalb-Einhorn 18/1978, 145; E. Holzwarth, Carl Allmendinger (1863 – 1946), ein württembergischer Lehrer, Kirchenkomponist und Schriftsteller. Studien zu seinem Leben und Werk sowie zur Geschichte des schulischen Musikunterrichts. Wissenschaftliche Arbeit für die Diplomprüfung an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd, 26. 8. 1994; M. Lange, Antisemitic Elements in the Critique of Capitalism in German Culture 1850 – 1933, 2007, 297 f.; L. Wichert, Personale Mythen des Nationalsozialismus. Die Gestaltung des Einzelnen in literarischen Entwürfen, 2018, 54.

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