Stenzel, Karl 

Geburtsdatum/-ort: 26.05.1889; Straßburg
Sterbedatum/-ort: 03.03.1947;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Archivar
Kurzbiografie: Sekundarstudien im protestantischen Gymnasium Straßburg
1908–1910 Studien Univ. Straßburg: Geschichte, Germanistik, Englisch
1911 im Schuldienst für eine kurze Periode
Juli 1912 wiss. Mitarbeiter im Bezirksarchiv des Unterelsass
1914 Dr. phil. Straßburg
1914 Promotion in Straßburg
1917 kaiserlicher Archivar
Okt. 1919 ausgewiesen aus dem Elsass
1920–1928 Tätigkeit bei der Landesbibliothek Stuttgart
1928–1938 Beamter am Stadtarchiv Stuttgart
1938–1939 Stadtarchivdirektor, zugleich Leiter der Stadtbücherei und Begründer des Stadtgeschichtlichen Museums in Stuttgart
1939–1945 Direktor des Generallandesarchivs Karlsruhe
1940–1944 nebenamtlich kommissarischer Leiter des Archivwesens im Elsass; Auftrag zur Sicherung der elsässischen Archive als „Kommissarischer Generaldirektor der Oberrheinischen Archive“, d. h. gemeinsamer Leiter der Staatlichen Archive Karlsruhe, Colmar und Straßburg, mit Sitz in Straßburg
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Mitgliedschaften: Mitgliedschaften: Geschäftsführer der badischen historischen Kommission; Hg. der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins; Mitglied der Straßburger Wissenschaftlichen Gesellschaft in Heidelberg; Mitglied der Württ. Kommission für Landesgeschichte als Vertreter des Württ. Geschichts- und Altertumsvereins
Verheiratet: 1914 (Straßburg) Martha, geb. Füllenwarth (* 1885)
Eltern: Vater: Karl Paul Stenzel (1859–1925), Fotograf in Esslingen und Straßburg
Mutter: Friederike Wilhelmine geb. Butz (1864–1943)
Geschwister: Otto (* 1894)
Kinder: 3: Rüdiger (1915–1999), Lehrer in Ettlingen; Erwin (* 1921); Arnold
GND-ID: GND/117272302

Biografie: Bernard Vogler (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 280-281

Stenzels historische Arbeiten sind auf weite Quellen gestützt und beherrschen das Quellenmaterial des 15. Jahrhunderts sehr gut. Er gilt als Spezialist für das Ende des Mittelalters, der in seinen Studien die politische und kulturelle Einheit des Oberrheins hervorgehoben hat, eine Einstellung, die in die Geschichtsschreibung der Dreißigerjahre passt, und die seine Ernennungen zum Direktor des Generallandesarchivs in Karlsruhe 1939 und dann 1940 zum Direktor der Oberrheinischen Archive begünstigte. Seine Dissertation ist auf breite darstellende Weise geschrieben, aber sucht auch problematische Aspekte, die Hauptmomente, die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Stadt Straßburg und Kaiser Friedrich III. (1440–1493), dem Bischof und den wichtigsten Ständen des Oberrheins darzustellen; sie hebt die Konflikte, besonders auf dem territorialen und wirtschaftlichen Gebiet, hervor und vergleicht die Politik mit derjenigen anderer Reichsstädte. Die solide Ausgabe der Straßburger Chronik des Humanisten Hieronymus Gebwiler enthält eine gute Einführung über die Hauptgesichtspunkte der Quelle, ihren Inhalt und die benutzten Quellen des Verfassers, ihr Interesse für die Geschichtsschreibung der Stadt Straßburg, besonders die „Luft“, sowie über die humanistische Geschichtsbetrachtung und Geschichtsauffassung. Ein Aufsatz Stenzels enthält neue Zeugnisse, die er zufällig bei der Durchsicht etlicher Akten im Stadtarchiv Stuttgart gefunden hat, das er als Archivar aufbaute. Sie betreffen die Flucht Schillers, der die Militärdisziplin schlecht ertragen hat, im Jahr 1782 aus Stuttgart. Schiller korrespondierte mit dem General von Augé, der in enger Beziehung zu Herzog Karl Eugen stand und somit die Folgen der Flucht mildern konnte, da er als Deserteur angesehen wurde.
Stenzels Haltung zum Nationalsozialismus bleibt unklar und ist noch nicht endgültig erforscht, so dass man sich hier auf die bekannten Fakten beschränken muss. 1939 wird er nach Karlsruhe als Direktor des Generallandesarchivs berufen, wahrscheinlich weil er 1919 aus dem Elsass als Reichsdeutscher ausgewiesen worden war. Nach der Eroberung des Elsass macht ihn der Gauleiter Wagner zum „Staatlichen Bevollmächtigten für das gesamte Archivwesen im Elsaß“, so dass er vier Jahre lang die deutsche Archivpolitik im Elsass bestimmte und die meiste Zeit in Straßburg in unmittelbarer Nähe des Gauleiters lebte. Stenzel wollte alle elsässischen Staatsarchive in Straßburg zentralisieren, aber dazu fehlte ihm Zeit. Er hat sich stark eingesetzt für das Zurückholen der geflüchteten elsässischen Archivalien aus Innerfrankreich und nachher für die Auslagerung in Luftschutzräume. 1943 wurde er zum „Kommissarischen Generaldirektor der oberrheinischen Staatsarchive“ befördert. Er gehörte, obwohl Mitglied der NSDAP, nicht zu den „fanatischen“ Nationalsozialisten und seine ideologischen Auslassungen waren selten. 1944 aber war er unfähig „außerhalb des Systems zu denken“. Er war sehr erbittert über seine Entlassung im November 1945 und das Entnazifizierungsverfahren, das nach seinem Tod eingestellt wurde und ihn als Mitläufer einreihte. Man kann die Schlussfolgerungen von Konrad Krimm über ihn bestätigen: „er gründete seine persönliche Rechtfertigung in der Herkunft aus dem kaiserlichen Elsaß und der Gewohnheit der deutschen Historiker, den französischen Anteil an der elsässischen Geschichte nicht wahrnehmen zu wollen. Seine Unfähigkeit, sich als Helfer des NS-Regimes zu erkennen, hat weniger etwas von Tragik an sich als vielmehr jenen Zug zum gespenstisch Schizophrenen, den so viele Deutsche besaßen, die sich nach 1945 auf ihre Pflichterfüllung beriefen“ (S. 207).
Quellen: Archives du Bas-Rhin, VI/4 Bericht (rapport) von G. Woytt, 1945; GLA Karlsruhe, NL Stenzel.
Werke: Die Politik der Stadt Straßburg am Ausgang des Mittelalters in ihren Hauptzügen dargestellt, Diss., 1915; Die Straßburger Chronik des elsässischen Humanisten Hieronymus Gebwiler, 1926; Das Reich Karls des Kühnen und die Lande am Oberrhein, in: Rheinische Heimatblätter, 4 (1927), 50–57; Herzog Karl Eugen und Schillers Flucht (Veröff. des A der Stadt Stuttgart, 1), 1936; verschiedene Aufsätze zur elsässischen Geschichte in der ZGO, darunter: Die Rückführung der elsässischen Archive, 95 (1943) m 1–m 8.

Literatur: Max Miller, Nachruf, in: ZWLG 9 (1950), 288–290; Wolfgang Leesch, Die deutschen Archivare 1500–1945, 2, 1992, 591; Konrad Krimm, Kampfplatz – Nische – Abstellraum? Das Badische Generallandesarchiv im Nationalsozialismus, in: Archiv und Öffentlichkeit, hg. von K. Krimm und H. John, 1997; Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne, 36, 2000, 3759; Konrad Krimm, Karl Stenzel und die „oberrheinischen Staatsarchive“ Deutsche Archivpolitik im Elsass 1940–1944, in: Das deutsche Archivwesen und der Nationalsozialismus. 75. Deutscher Archivtag in Stuttgart, hg. vom Verein deutscher Archivare, Bd 10, 2006, 195–207.
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