Wirth, Joseph Karl 

Geburtsdatum/-ort: 06.09.1879;  Freiburg
Sterbedatum/-ort: 03.01.1956;  Freiburg
Beruf/Funktion:
  • Reichskanzler
Kurzbiografie: 1905 Promotion, Universität Freiburg
1908 Gymnasialprof. in Freiburg
1911 Stadtverordneter in Freiburg
1913 Mitglied des Badischen Landtags
1914-1933 Reichstagsabgeordneter
1914 (Aug.)-Okt. 1917 Kriegsdienst als freiwilliger Krankenpfleger
1918-1920 Badischer Finanzminister
1920-1921 Reichsfinanzminister
1921-1922 Reichskanzler
1929-1930 Reichsminister für die besetzten Gebiete
1930-1931 Reichsinnenminister
1933-1948 Exil in der Schweiz
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: Unverheiratet
Eltern: Vater: Karl Anton Wirth, Lohnkutscher, danach Maschinenmeister
Mutter: Maria Theresia, geb. Jung
Geschwister: 2 Brüder
GND-ID: GND/11741218X

Biografie: Thomas A. Knapp (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 1 (1982), 273-277

Die politische Tätigkeit Wirths war besonders gekennzeichnet von einer unbeirrbaren Treue zu sozialen und demokratischen Idealen. Seine politische Laufbahn nach dem ersten Weltkrieg war sehr beachtlich, und doch war Wirth nie in erster Linie ein Parteimann. Dieser Gegensatz war sowohl eine Quelle seiner Standhaftigkeit als auch eine Ursache von Schwierigkeiten. Hinzu kamen sein manchmal rebellisches Temperament und seine eher komplizierte Natur, die Wirth zu einer der umstrittensten Persönlichkeiten in der Geschichte des deutschen politischen Katholizismus machten.
Die Zuwendung Wirths zu sozialen und demokratischen Grundsätzen fand schon früh in seinem Leben statt. Er wuchs auf in bescheidenen Verhältnissen in einer kleinbürgerlichen, demokratischen Atmosphäre. Später besuchte er die Universität Freiburg, wo er Mathematik, Natur- und Wirtschaftswissenschaften studierte. In dieser Zeit betätigte er sich auch im Vinzenzverein, einer katholischen karitativen Organisation. Obwohl er im Sinne hatte, Lehrer zu werden, und eher an ein sozial-karitatives Wirken dachte, ließ er sich von einigen jüngeren Mitgliedern der Badischen Zentrumspartei dazu überreden, eine politische Laufbahn einzuschlagen. Er entwickelte bald ein beachtliches politisches Fingerspitzengefühl und fiel auf als gewandter Volksredner. Beides waren Merkmale seiner politischen Tätigkeit. Sie trugen ihm schon bald die Beachtung von Parteiführern wie Theodor Wacker und Prälat Josef Schofer ein. Besonders Schofer war der Mentor Wirths in der Badischen Zentrumspartei. Der Wahl ins Freiburger Stadtverordnetenkollegium folgte bald die Wahl in den Badischen Landtag und dann in den Reichstag (Wahlkreis Offenburg). Die letztere erfolgte nach einem harten Kampf gegen einen nationalliberalen Kandidaten, einem Kampf, der teilweise seine Abneigung gegen die „Parteien von Besitz und Bildung“ (spätere Deutsche Volkspartei und Deutschnationale Volkspartei) verursachte.
Wegen seiner Herzbeschwerden wurde Wirth vom Wehrdienst freigestellt. Er diente stattdessen als freiwilliger Rotkreuzhelfer. In der Kontroverse, die sich 1917 um die Kriegsziele, die Friedensresolution des Reichstags, innere Reformen und sogar um das Wilhelminische System selbst entfachte, stand Wirth auf der etwas ungenau als linken Flügel bezeichneten Seite der Zentrumspartei, deren prominentester und meist umstrittener Sprecher Matthias Erzberger war. Wirth kritisierte selbst zunehmend die Politik der kaiserlichen Regierung und forderte innere Reformen. Der Zusammenbruch des deutschen Kaiserreichs und der Ausbruch der Novemberrevolution von 1918 hoben seine Laufbahn auf eine neue dramatische Stufe. Ohne die Revolution und ihre Folgen wäre Wirth nicht so schnell in den politischen Vordergrund gedrängt worden. In dieser Hinsicht unterschied er sich von Erzberger, der sich schon im kaiserlichen Deutschland einen Namen gemacht hatte.
Die Revolution in Baden verlief ziemlich gemäßigt und ohne Anwendung von Gewalt, ein Umstand, der den Entschluß der Badischen Zentrumspartei begünstigte, mit der SPD auf der Basis einer neuen Ordnung zusammenzuarbeiten. Wirths Aufgabe als Finanzminister war hauptsächlich politischer Natur: das Gleichgewicht der neuen badischen Regierung und das Vertrauen in sie aufrechtzuerhalten und eine Radikalisierung der katholischen Arbeiter zu verhindern. Wirth war auch einer der wenigen Zentrumsführer, die sich ohne Rückhalt auf die neue Republik und die parlamentarische Demokratie festlegten. Für einen echten Volksdemokraten wie ihn war diese Feststellung eine Sache der Überzeugung und nicht der Anpassung. Er wurde schnell ein „Herzensrepublikaner“ oder, wie er sich selbst nannte, „ein entschiedener Republikaner“. Er ging noch einen Schritt weiter: Die Zentrumspartei sollte ebenfalls ohne Einschränkung die Konsequenzen aus dem Zusammenbruch von 1918 ziehen, eine starke nationale Führungsrolle übernehmen und eine konsequente demokratische Stellung einnehmen, einschließlich einer festen Zusammenarbeit mit anderen demokratischen republikanischen Kräften, besonders mit der SPD. Für Wirth entsprach solch eine Einstellung nicht nur den sozialen Lehren des Katholizismus und führte somit zur christlichen Demokratie, sie bedeutete auch das unwiderrufliche Ende des kulturellen und politischen Ghettodaseins des Katholizismus und die Eingliederung der Katholiken in das nationalpolitische Leben Deutschlands. Aber die meisten Führer der Zentrumspartei teilten diese Ziele nicht, sondern nahmen eine sehr zurückhaltende und zweideutige Stellung gegenüber der demokratischen Republik ein.
Im März 1920 trat Wirth als eine Folgeentwicklung des Kapp-Putsches in die Reichsregierung ein als Finanzminister im Kabinett Constantin Fehrenbach, eines ebenfalls badischen Zentrumsparteiführers. Wie sein Vorgänger Erzberger benutzte er sein Amt als politische Basis. Er führte Erzbergers Politik der finanziellen Zentralisation fort und, noch bedeutsamer, verteidigte Erzberger, der von der politischen Rechten und von einigen Zentrumsparteimännern selbst angegriffen wurde. Diese Stellungnahmen und die rückhaltlose Art, mit der er sie bezog, machten Wirth zunehmend zu einer umstrittenen Persönlichkeit. Er trat auch in enge Beziehungen zur militärischen Führung und beschaffte als Finanzminister die Mittel für die geheime Wiederaufrüstung Deutschlands und für die Verteidigung der Ostgrenzen. Die besondere Beziehung Wirths zu Walther Rathenau begann 1920. Beide hatten ähnliche Ansichten über die Probleme des Wiederaufbaus, der Reparationen und der Zusammenarbeit mit den Westmächten, besonders mit Frankreich. Diese Beziehung gründete sich ebensosehr auf persönliche Freundschaft wie auf politische Zusammenarbeit und führte zu Rathenaus späterer Ernennung zum Wiederaufbauminister (1921) und schließlich zum Außenminister (1922) in den zwei aufeinanderfolgenden Kabinetten Wirths.
Die Ernennung Wirths zum Reichskanzler folgte dem Sturz des Kabinetts Fehrenbach, das nicht fähig war, die Reparationsfrage einer Lösung näherzubringen. Diese Ernennung war aber sehr umstritten und erfolgte zu einem kritischen Zeitpunkt in der Geschichte der Weimarer Republik. Das Problem, das den Sturz des Kabinetts Fehrenbach verursachte, sollte auch Wirth für die nächsten achtzehn Monate Schwierigkeiten machen. Das Londoner Ultimatum vom Mai 1921 zwang Deutschland, die endgültige Reparationsrechnung anzunehmen. Keine Partei war zunächst bereit, das Stigma der Erfüllung Alliierter Forderungen auf sich zu nehmen, bis sich schließlich die Zentrumspartei bereitfand, den Engpaß zu überwinden und eine neue Regierung zu bilden zusammen mit der SPD und DDP. In seiner eigenen Partei wurde Wirth von denen abgelehnt, die ihn für zu linksstehend hielten, um das notwendige Vertrauen der Wirtschaftsparteien, besonders der rechtsliberalen DVP, zu finden. Aber Wirth war der einzige Kanzlerkandidat, den die SPD akzeptieren konnte, und ohne die Linke war in dieser Krise keine Regierungsbildung möglich. Neben diesen außenpolitischen Schwierigkeiten war auch das innenpolitische Klima der frühen Zwanzigerjahre von starken Spannungen und Gefahren überschattet. Putschversuche, politische Morde (Erzberger 1921, Rathenau 1922) und unablässige Angriffe der nationalistischen Rechten auf die Republik kennzeichneten diese Jahre.
Trotzdem trat Wirth an diese wenig versprechende, fast hoffnungslose Lage mit dem Vertrauen heran, daß ernsthaftes Bemühen und harte Arbeit diese Probleme lösen könnten. Er hatte sich um die Kanzlerschaft nicht beworben und hatte von Führern der Zentrumspartei überredet werden müssen, das Amt zu übernehmen. Aber einmal im Amt, übernahm er die Verantwortung der Regierungsführung mit viel Energie und Zivilcourage. Wirth war sich klar darüber, daß der Versailler Vertrag und insbesondere seine Reparationsbestimmungen nicht erfüllt werden konnten. Aber er glaubte auch, daß Vertragsänderungen nur möglich seien, wenn er mit den Alliierten Mächten zusammenarbeitete anstatt sie zu konfrontieren. Dies war die sogenannte Erfüllungspolitik. Sie brachte einigen Fortschritt, wurde aber stark beeinträchtigt durch den Streit, der sich über den Verlust von Oberschlesien im Oktober 1921 entfachte. Trotz dieser Enttäuschungen führte Wirth zusammen mit Rathenau die Erfüllungspolitik weiter, während er gleichzeitig versuchte, die Initiative und ein gewisses Maß an diplomatischer Bewegungsfreiheit zurückzugewinnen. Diese Politik führte zur Unterzeichnung des Rapallovertrages mit der Sowjetunion im April 1922. Wirth hielt Rapallo für eine der wichtigsten und konstruktivsten Leistungen seiner politischen Laufbahn. Aber die Rapallopolitik war nicht nur ein Erfolg, sondern führte auch zu einem Dilemma. Sie warf ebensoviele Fragen auf, wie sie beantwortete. Sie belastete sein Verhältnis mit der SPD und besonders mit Reichspräsident Ebert, der von Rapallo nicht begeistert war. Noch ungünstiger, die Rapallopolitik brachte Wirth in mehreren Punkten der Außenpolitik in die Nähe der nationalistischen, wiederaufrüstungseifrigen politischen Rechten, deren Ziele in der Innenpolitik seinen eigenen demokratischen Idealen entgegengesetzt waren.
Trotz dieser insgeheimen Zusammenarbeit mit rechtsstehenden militärischen und politischen Gruppen auf außenpolitischem Gebiet bestand Wirth weiterhin auf einem linksdemokratischen Kurs in der Innenpolitik. Dies ist vielleicht nirgends dramatischer dargestellt als in den Schlußworten seiner Reichstagsrede nach der Ermordung Rathenaus: „Dieser Feind steht rechts!“ Die Schwierigkeiten Wirths wurden gesteigert durch die rasch steigende Inflation, die 1923 völlig außer Kontrolle geriet. Die schwierigen Versuche, Wirths linksorientiertes Kabinett nach rechts auszuweiten und die DVP einzuschließen, und die wachsende Abneigung der Zentrumspartei selbst, die Koalition mit der SPD zu unterstützen, führten Ende 1922 zu seinem Sturz.
Die nächsten sechs Jahre hatte Wirth kein Regierungsamt inne, ohne deshalb dem öffentlichen Blickfelde zu entschwinden. Die mittleren Zwanzigerjahre waren Jahre verhältnismäßigen Gleichgewichts für die Weimarer Republik, während deren die Zentrumspartei einen Mittelkurs befolgte, der ihre Rolle als verfassungstreue Partei betonte. In der Praxis bedeutete dies eine wachsende Bereitschaft, einen etwas konservativeren Kurs einzuschlagen und bei Gelegenheit mit der rechtsstehenden Deutschnationalen Volkpartei zusammenzuarbeiten. Parteivorsitzender war während dieser Jahre Wilhelm Marx, ein gemäßigt Konservativer. In der Ära Marx fühlte sich Wirth vom Einfluß auf die Parteipolitik ausgeschlossen, eine für ihn bedrückende Lage, die ihn immer mehr in offene Opposition zum mehr konservativen Trend der Zentrumspartei brachte. Seine Anhänger bestanden aus einer losen Koalition von katholischen Jugendgruppen und Arbeitern, einem kleinen Kreis Linksintellektueller und seinen Freunden in der Badischen Zentrumspartei.
Die oft starke Kritik Wirths an der Zentrumsparteiführung richtete sich vor allem gegen die stillschweigende Aufgabe eines demokratischen und sozial-republikanischen Kurses. Er warnte davor, daß eine Zusammenarbeit mit rechtsstehenden Kräften, die von Natur aus der republikanischen Demokratie gegenüber feindlich gesinnt waren, die Zentrumspartei in eine reaktionäre Sackgasse führen würde. Wirth trug sein Anliegen auch in Kreise außerhalb der Zentrumspartei und ihrer Reichstagsfraktion. Er fand Gehör für seine Ansichten bei den größeren liberalen Zeitungen wie dem Berliner Tageblatt. Er benutzte auch die großen öffentlichen Kundgebungen der republikanischen Schutzorganisation des Reichsbanners als Forum für seine Opposition zur Zentrumsparteipolitik. Als Geste des Protests trat er im August 1925 aus der Zentrumsfraktion aus und schloß sich ihr erst im Juli 1926 wieder an. Schließlich gründete er im August 1926 eine Republikanische Union zusammen mit dem sozialdemokratischen Reichstagspräsidenten Paul Lobe und mit Ludwig Haas von der Badischen DDP. Die Union sollte als Sammelpunkt für die drei Parteien der Weimarer Koalition dienen (Zentrumspartei, SPD, DDP) und als ein Mittel, die Zusammenarbeit zwischen politischen Kräften der Arbeiterklasse und fortschrittlichen demokratischen Elementen des Mittelstandes zu erhalten.
Alle diese Initiativen waren den Zentrumsparteiführern höchst unwillkommen und verursachten einen stürmischen innerparteilichen Streit, der sich 1927-1928 noch mehr zuspitzte, als Wirth sich weigerte, einen Reichsschulgesetzesvorschlag zu Gunsten der Konfessionsschule zu unterstützen, und stattdessen die badische Simultanschule verteidigte. Diese Streitfrage berührte einen besonders wunden Punkt und entfremdete selbst Wirths Freunde in der Badischen Zentrumspartei. Wirth wurde schließlich von seiner Partei gemaßregelt, indem sie seinen Namen von der Badischen Parteiliste für die Reichstagswahlen von 1928 strich und ihn erst auf die Reichsliste der Partei setzte, nachdem er sich einer Anzahl von Bedingungen der Reichspartei unterworfen hatte. Sein Eintreten für die Simultanschule verschlechterte seine Beziehungen zu den badischen Parteiführern, die ihn schon wegen seiner Beteiligung an der „Mologa“ beargwöhnten, einer Holzgewinnungskonzession in der Sowjetunion, zu deren Gewährung er beigetragen hatte mit Unterstützung einiger badischer Industriekreise und Ludwig Haases von der Badischen DDP. Wirth betrachtete das Unternehmen als eine Fortsetzung des Geistes von Rapallo. Aber die badischen Parteiführer befürchteten einen Skandal über diese Verquickung von Geschäft und Politik.
Während der letzten Jahre der Weimarer Republik war Wirth mehr oder weniger versöhnt mit der Zentrumsparteiführung. In der letzten parlamentarischen Regierung der Republik, dem großen Koalitionskabinett des SPD-Kanzlers Hermann Müller (1928-1930), war er Minister für die besetzten Gebiete. In dieser Funktion war er ein Mitglied der deutschen Delegation zur Konferenz über den Young-Plan in Den Haag. Danach war er Innenminister im glücklosen Notverordnungskabinett Heinrich Brünings. Er hatte die undankbare Aufgabe, der wachsenden Gefahr des Nationalsozialismus entgegenzuwirken. Als das Brüningkabinett umgebildet wurde im Oktober 1931, wurde er auf Drängen des Reichspräsidenten Hindenburg und der politischen Rechten entlassen. In diesen Jahren zweifelte Wirth an den Überlebenschancen der republikanischen Demokratie oder des politischen Katholizismus. Er zeigte mehr politische Voraussicht als die meisten seiner Kollegen. Im März 1933, unmittelbar nachdem die Zentrumspartei für das Ermächtigungsgesetz gestimmt hatte (Wirth hatte es ursprünglich nicht unterstützt), verließ er Deutschland und verbrachte die nächsten fünfzehn Jahre im Exil, meistens in der Schweiz.
Wirth war bitter enttäuscht über das Versagen der Weimarer Demokratie. Im Exil hoffte er auf den Sturz der Hitlerdiktatur und unterhielt etwas undurchsichtige Verbindungen mit deutschen Widerstandsgruppen. Er beteiligte sich auch an der Gründung der Arbeitsgemeinschaft demokratisches Deutschland, zusammen mit Otto Braun und Wilhelm Högner von der SPD. Die Arbeitsgemeinschaft sollte zu dem Versuch beitragen, Richtlinien für die Wiederherstellung einer deutschen Demokratie aufzustellen, in der Hoffnung, die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden.
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahre 1948 wurde Wirth noch einmal politisch aktiv. Er lehnte sowohl die Innenpolitik Konrad Adenauers und der CDU/CSU, als auch die westliche Integrationspolitik des Bundeskanzlers ab. Wirth hätte einen mehr linksorientierten und neutralistischen Kurs vorgezogen. Nur eine solche Politik, glaubte er, konnte die Möglichkeit für ein wiedervereinigtes und demokratisches Deutschland offenhalten. Um für diese Ziele zu arbeiten, war er anfangs der Fünfzigerjahre im Bund der Deutschen und in der Gesamtdeutschen Volkspartei tätig, zusammen mit Gustav Heinemann, Helene Wessel und Wilhelm Elfes. Er machte mehrere etwas umstrittene Besuche in der DDR in der Hoffnung, wenigstens eine schmale Brücke zwischen West und Ost zu erhalten. Aber diese Initiativen, die Wirth bis kurz vor seinem Tod weiterbetrieb, blieben in der Peripherie des politischen Lebens der Bundesrepublik stecken. Bis zum Ende jedoch blieb Wirth überzeugt davon, daß der Schlüssel zu einem friedlichen Europa in der Lösung der deutschen Frage liege. Der Angelpunkt der deutschen Frage war für ihn die Lösung des sozialen Problems auf der Grundlage der demokratischen Ideale seines Heimatlandes Baden, derselben Ideale, die den Anfang seiner öffentlichen Laufbahn 45 Jahre zuvor bestimmt hatten.
Werke: Unsere politische Linie im deutschen Volksstaat (Berlin, 1924); Reden während der Kanzlerschaft (Berlin, 1925); Der Aufbruch. Republikanische Flugschriften (Berlin/Frankfurt a. M., 1926); „Die Festigung der Republik“, in: Friedrich Ebert und seine Zeit. Ein Gedenkwerk über den ersten Präsidenten der Deutschen Republik (Charlottenburg, o. J. [1927]), 303-336; „Le Centre allemand dans la nouvelle Europe“, in: L'Esprit International, I, April, 1927, 147-167; [postum]„Die deutsche Neutralitätspolitik der Jahre 1922 bis 1932“, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, V, 1960, 1013-1020.
Nachweis: Bildnachweise: Ullstein Bilderdienst.

Literatur: Becker, Josef, Joseph Wirth und die Krise des Zentrums während des IV. Kabinettes Marx (1927-1928), in: ZGO 109, (1961), 361-482; Ders., Eine Niederschrift Joseph Wirths über seinen Eintritt in das Reichskabinett 1920, in: ZGO 112, (1964), 243-254; Köhler, Heinrich, Lebenserinnerungen des Politikers und Staatsmannes 1878-1949, hrsg. von Josef Becker (Stuttgart, 1964); Morsey, Rudolf, Die Deutsche Zentrumspartei 1917-1923 (Düsseldorf, 1966); Deuerlein, Ernst, Deutsche Kanzler von Bismarck bis Hitler (München, 1968), 306 ff.; Laubach, Ernst, Die Politik der Kabinette Wirth 1921-1922 (Lübeck/Hamburg, 1968).
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