Wolf, Franz Theodor 

Geburtsdatum/-ort: 13.02.1841;  Bartholomä
Sterbedatum/-ort: 22.06.1924; Dresden-Plauen
Beruf/Funktion:
  • Jesuit, später Staatsgeologe in Ecuador
Kurzbiografie: 1848 Elementarschule in Bartholomä
1854 Eintritt in die Lateinschule in Gmünd
1857 Eintritt in den Jesuitenorden als Novize im Kloster Gorheim
1860/61 Ausbildung in Münster/Westfalen und Aachen
1862 Immatrikulation an der Univ. Bonn, Studium der Naturwiss.
1864 Berufung als Dozent der Naturgeschichte an die ordensinterne Hochschule in Maria Laach
1868 Aufnahme des Studiums der Theologie
1870 Ruf als Prof. für Geologie und Mineralogie nach Quito an die Polytechnische Hochschule, Empfang der Priesterweihe
1874 Austritt aus dem Jesuitenorden
1875 Ernennung zum Staatsgeologen von Ecuador
1877 Ernennung zum Ehrendoktor durch die Univ. Bonn
1885/89 Generaldirektor der Gas- und Wasserwerke von Guayaquil
1891 Rückkehr nach Deutschland
1892 Sein Haupt- und Lebenswerk „Geografía y Geología del Ecuador“ erscheint
1892 Zusammenarbeit mit dem Vulkanologen Alfons Stübel in Dresden
1904 Privatgelehrter in Dresden
1921 Ernennung zum Ehrenbürger Ecuadors mit Ehrensold
1924 Tod am 22.6.1924 in Dresden-Plauen
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk., ab 1887 ev.
Verheiratet: 6.8.1888 Berta, geb. Weber aus Rostock
Eltern: Vater: Franz Josef Wolf (1809−1885), Dorfschullehrer
Mutter: Marianne, geb. Baur (1808−1881)
Geschwister: 6
Kinder: 5: Berta (geboren 1891); Theodora (geboren 1893); Carl Alfons (geboren 1894); Oscar Eugen (geboren 1897); Felix (geboren 1899)
GND-ID: GND/117445924

Biografie: Werner K. Mayer (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 3 (2017), 257-260

Franz Theodor Wolf blieb in Deutschland lange Jahre nahezu unbekannt. In Ecuador hingegen ist die Erinnerung an den Naturforscher noch heute sehr lebendig. Er war Ehrenbürger des südamerikanischen Landes. Eine der Galápagos-Inseln wie auch ein Vulkan trägt seinen Namen: Isla Wolf und Volcán Wolf. Ein Gletscher am Chimborazo ist nach dem „um die Kartographie Ecuadors verdientesten Mannes“ benannt. Sein Hauptwerk, die „Geografia y Geologia del Ecuador“ von 1891 war Jahrzehnte lang das Standardwerk des kleinen Pazifikstaates.
Der am 13. Februar 1841 in Bartholomä auf der Rauen Alb geborene Wolf war das dritte von sieben Kindern des Schulmeisters Franz Josef Wolf. Er wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Vater Wolf weckte in ihm die Liebe zur Natur, die er auf dem Albuch der Schwäbischen Alb so reichlich vorfand. Vom Pfarrer, der ihn schon mit 13 Jahren in Latein und Griechisch unterrichtete, wurde er auf den geistlichen Stand vorbereitet. Er sollte, auch dem Wunsch der Mutter entsprechend, Pfarrer werden.
1854 wurde er auf die Lateinschule in Gmünd geschickt.
In einem der beiden schwäbischen Konvikte fand er keine Aufnahme. Daher trat er als Novize bei den Jesuiten in Gorheim bei Sigmaringen ein. Zuvor hatte er sich durch das Buch „Die Jesuiten in Paraquay“ brennend für die Missionsarbeit und die Societas Jesu begeistert.
Die Jesuiten erkannten seine Begabung und förderten seine Neigungen. Sowohl 1859 in Gorheim wie auch 1860 in Münster und 1861 in Aachen, wo er als Scholastiker ausgebildet wurde, fand er verständnisvolle Lehrer, die seine naturkundlichen Begabungen förderten.
Wo er jeweils studierte, durfte er Herbarien anlegen und die jeweiligen Sammlungen betreuen. Durch einen Preis für eine Arbeit über die Naturgeschichte der Orchideenblüte wurde der Ordensprovinzial Anton Maria Anderledy auf ihn aufmerksam und schickte ihn 1862 zum Studium der Naturwissenschaften auf die Universität nach Bonn. Hier hörte er Geologie, Petrographie, Kristallographie, Botanik, Paläontologie, Mineralogie, Zoologie und Chemie. Neben seiner naturwissenschaftlichen Begabung wurde er auch deshalb zum Studium gesandt, „um die Lehren Darwins in sich aufzunehmen, damit er später erfolgreich gegen diese auftreten könne.“
Bereits nach Ende des vierten Semesters wurde er nach Maria Laach als Dozent der Naturgeschichte berufen. Hier lehrte er am Jesuitenkolleg, dem Collegium maximum, im Rahmen des philosophischen Studiengangs Naturgeschichte mit Botanik, Zoologie, Geologie und Mineralogie.1865 wurde seine wissenschaftliche Arbeit über die Orchideen in Pringsheims Jahrbüchern für wissenschaftliche Botanik veröffentlicht.
In Maria Laach baute er eine mineralogische Klostersammlung über die Auswürflinge des Laacher Vulkans auf. Sie fand große Beachtung auch bei den Dozenten der Bonner Universität. Hermann vom Rath, führender Mineraloge seiner Zeit, besuchte immer wieder die Sammlung. Es entstanden weitere Sammlungsbereiche für Schmetterlinge, Insekten, Muscheln, eine zoologische Sammlung und ein umfangreiches Herbar.
1866/67 veröffentlichte Wolf eine umfangreiche Arbeit über „die Herkunft und Entstehung der so genannten vulkanischen Lesesteine oder Auswürflinge des Sees“ in der Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft. Er lieferte grundlegende Beiträge zur Kenntnis der Natur des Laacher Sees und seiner Umgebung in den Sitzungsberichten der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde.
In einem handverfassten Manuskript für Unterrichtszwecke über die Flora um Laach beschrieb er 1200 Pflanzenarten der Umgebung. Er widmet sie Maria, der Maienkönigin. Reisen führen ihn in die Alpen und nach Belgien.
1870 bereits erhielt er einen Ruf als Professor für Geologie und Mineralogie nach Quito, der Hauptstadt von Ecuador, an die neu gegründete polytechnische Hochschule. Zuvor wurde er in Eile zum Priester geweiht.
Der ecuadorianische Staatspräsident Garcia Moreno versuchte durch die Jesuiten und andere Schulkongregationen, die wirtschaftliche, geistige, sittliche und religiöse Kultur seines Landes zu verbessern. Moreno wollte aus seinem Land einen christlichen Musterstaat machen. Die Gesetzgebung sollte sich an den Enzykliken Pius IX. und vor allem am Syllabus orientieren.
Im Juli 1870 fuhr er mit einem französischen Schiff nach Ecuador. Schon am 1.10.1870 wurde der Unterricht in Quito eröffnet. Bereits im August lernte er die beiden deutschen Vulkanologen Wilhelm Reiss und Alfons Stübel kennen. Auf Grund der geringen Schülerzahl hatte Wolf Zeit für ausgedehnte Studien- und Forschungsreisen. Oft traf er sich mit den beiden protestantischen Wissenschaftlern.
Während sich in Deutschland der Kulturkampf zuspitzte, forschte Wolf in den Provinzen Imbabura und Chimborazo. Im Tal von Tumbaco in der Provinz Pichincha, untersuchte er die Quarz-Andesite im Hochland von Quito und am Antisana.
1872 litt er unter einer schweren Ruhrerkrankung. Er kurierte sich im Baños unterhalb des noch heute aktiven Vulkans Tungurahua. Kaum genesen führte ihn sein Weg durchs Durchbruchtal des Rio Pastaza in den Oriente, den ecuadorianischen Teil des Amazonasgebiets.
Er veröffentlichte seine Erkenntnisse über den Vulkanismus und Ausbrüche in Ecuador vom 16. bis 18. Jahrhundert und ergänzte damit beträchtlich die Forschungen Alexander von Humboldts.
Vom Staatspräsidenten wurde er gefördert und im Rahmen von Regierungsaufträgen untersuchte er Lagerstätten von Rohstoffen. Im interandinen Hochland beschrieb er noch unbekannte Quarz führende Andesite und Laven und stellte ihre Verbreitung fest.
Im westlichen Tiefland gliederte er die Provinzen Quayas und Manabi geologisch. Bei Santa Elena veranlassten ihn Reste von Mastodonten, Vorläufern der heutigen Elefanten, zu Grabungen. Für die dortigen Salzgärten machte er Verbesserungsvorschläge Er beschrieb das ganz oberflächliche Vorkommen von großen Petroleum-Massen in dieser Gegend.
Wolfs sehnlichster Wunsch war es, die zum Staatsgebiet Ecuadors gehörenden Galápagos-Inseln zu besuchen. Hier wollte er auf Darwins Spuren das, was an der Bonner Universität gelehrt wurde, selbst untersuchen. Die Lage spitzte sich zu, als Wolf im Rahmen seiner Tätigkeit zusammen mit den Vulkanologen W. Reiss und A. Stübel eine Expedition auf die Galápagos-Inseln durchführen wollte. Obwohl der Staatspräsident davon begeistert war und sogar ein Schiff zur Verfügung stellen wollte, wurde der Wunsch durch die spanischen Jesuiten- Oberen unterbunden. Immer wieder hielten sie ihm vor, die Seelsorge und den Predigtdienst durch die einseitige Pflege der Naturwissenschaften zu vernachlässigen. Er bekam deren Missgunst und Verärgerung wegen der „Bevorzugung“ der deutschen Professoren durch den Staatspräsidenten zu spüren. Auch tadelten sie seine intensive wissenschaftliche und freundschaftliche Verbindung mit den beiden protestantischen Vulkanologen. Außerdem klagten sie die Verpflichtung zu den großen einmonatlichen Exerzitien ein, denen sich die Jesuiten vor Ablegung des letzten, ewigen Gelübdes unterziehen mussten.
Bei dieser letzten großen Geistesübung im Jahre 1874 entschloss sich Pater Wolf, seine Entlassung aus dem Orden einzureichen. Sie wurde nach ernstlichem Widerstand des deutschen Ordensprovinzials Anderledy und des Ordensgenerals am 17. November 1874 bewilligt.
Er war damit nicht nur seiner Professor verlustig sondern jeglicher Einkünfte.
Mit Austritt und Säkularisation wurde er nicht nur von der Kirche ausgeschlossen, sondern verlor auch die Gunst des Staatspräsidenten.
Ende des Jahres verließen Reiss und Stübel Ecuador.
Wolf war wieder an einer schweren Ruhr erkrankt. Mit wenigen Pesos in der Tasche, die gerade zur Reise an die Küste ausreichten, kam er in Guayaquil schwerkrank bei Freunden an. Hier fand er liebevolle Aufnahme bei einem deutschen Kaufmann, der ihm gleichzeitig eröffnete, dass A. Stübel eine namhafte Summe Geld für ihn deponiert habe – für gewisse Fälle, die er fast mit Sicherheit voraussähe.
Ohne drückende Sorgen konnte er zunächst seine zerrüttete Gesundheit wieder herstellen. Von der Dysenterie wurde er durch einen indianischen Arzt nach wenigen Tagen geheilt.
Im August 1875 erforschte er für dreieinhalb Monate die Galápagos-Inseln. Bei der Hinfahrt machte er trigonometrische Vermessungen, Karten und Aufnahmen. Er entdeckte die Zweiteilungen des Humboldt-Stromes an der südamerikanischen Westküste.
Nach der Ermordung des Präsidenten und früheren Gönners Garcia Moreno brach er seine Reise ab und kam am 15. November wieder am Festland an.
Zuhause lag bereits ein Schreiben von Gerhard vom Rath vor, der ihn als außerordentlichen Professor nach Bonn berufen wollte. Wolf lehnte jedoch ab.
Nur eine Woche später wurde er vom neuen Präsidenten Cortázar zum Staatsgeologen von Ecuador berufen. Er führte kartographische und geologische Landesaufnahmen und Untersuchungen in der Provinz Loja nach nutzbaren Mineralien und Erzen durch. 1877 wurde er zum Ehrendoktor durch die Universität Bonn ernannt.
Im September 1877 bestieg er den Cotopaxi, der höchsten tätigen Vulkan der Anden nach einem verheerenden Ausbruch, bei dem die Stadt Latacunga zerstört wurde. Geognostische Mitteilungen aus Ecuador wurden in deutschen wissenschaftlichen Zeitungen veröffentlicht.
1878 fuhr er zum zweiten Mal auf die Galápagos-Inseln. Darüber erschien 1879 eine 44-seitige Schrift über die Forschungsergebnisse auch in deutscher Sprache.
Er diente unter weiteren Staatspräsidenten, die ihren vertraglichen Vereinbarungen nicht nachkamen. So erhielt er zwar 1884 den Auftrag der Regierung für sein geplantes Hauptwerk, aber kein Geld.
Wolf war gezwungen, als Vermesser für Hacienderos zu arbeiten, zumal er ein stattliches Haus mit Büro und Labor errichtet hatte. Von 1885 bis 1889 erarbeitete er einen exakten Stadtplan für Guayaquil sowie einen Plan zur Wasserversorgung der Stadt aus den Anden und zur Anlage einer Gasfabrik. Auf Wunsch des Gemeinderats wurde er Generaldirektor der Gas- und Wasserwerke von Guayaquil. 1887 setzte ihm anstelle des bisherigen einheimischen Bischofs von Guayaquil ein fanatischer spanischer Verweser zu und es kommt zu offenen Drohungen.
Um aus dieser Einflusssphäre auszubrechen, blieb ihm nichts anderes übrig, als in Lima zum Protestantismus überzutreten.
Er lernte die Hauslehrerin einer deutschen Familie in Guayaquil kennen und heiratete am 6. August 1888 in der protestantischen Kirche in Lima Bertha Weber aus Rostock. Den Auftrag der fast fertigen Wasserleitung gab er an zwei französische Ingenieure ab und erhielt wenigstens den Rest der vertraglich zugesicherten Summe.
Auf Grund von Machenschaften eines Beziehungsgeflechts unehrlicher Geschäftsleute gab er 1890 auch seinen Posten bei den Gaswerken auf.
1889 besann sich eine neue ecuadorianische Regierung ihres fünf Jahre zuvor geschlossenen Vertrags über das geographisch-geologische Werk über Ecuador. Wolf wies nach, dass die Regierung schon kurz nach Vertragsschluss ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Er selbst aber arbeitete an seinem Werk bisher auf eigene Kosten weiter.
Der alte Vertrag wurde Ende 1890 annulliert und ein neuer zu besseren Bedingungen geschlossen. Darin verpflichtete sich Wolf, ab 1891 innerhalb von 18 Monaten das Werk einschließlich seiner Karten fertig zu stellen. Für die bereits getätigten Arbeiten erhielt er einen finanziellen Ausgleich. Die Erstellung der Karten und die Herstellung des Werkes sollte in Deutschland erfolgen.
Kurz nach seinem 50. Geburtstag kehrte er nach 21 Jahren nach Deutschland zurück. In Dresden-Plauen erwarb er ein geräumiges Wohnhaus und erfüllte 1892 seine Vereinbarung. Im Brockhaus-Verlag erschien sein Hauptwerk, die „Geografia y Geologia del Ecuador“. Er arbeitete für den Vulkanologen Alphons Stübel zwölf Jahre lang dessen umfangreiche Südamerika-Sammlung auf. Sie fand ihren Platz in der Abteilung für vergleichende Länderkunde im Museum für Völkerkunde in Leipzig. Daneben widmete er sich der Pflanzengattung der Fingerkräuter. Auf zahlreichen Reisen besuchte er die wichtigsten Herbare und hielt Vorträge. In seiner umfangreichen Potentillen-Monographie untersuchte und beschrieb er alle damals bekannten Arten. Sie gilt noch heute als ein Beispiel ungemein exakter Arbeit und deutschen Forscherfleißes.
Wolf war durch den Weltkrieg und seine Folgen in größte Not geraten. Er musste alle seine wissenschaftlichen Sammlungen und einen großen Teil seiner Bibliothek, besonders die wertvollen „Americana“ verkaufen. Da kam Hilfe aus Ecuador: Der Nationalkongress bewilligte im Jahre 1921 einen Ehrensold, der ihm noch einen sorgenfreien Lebensabend ermöglichte. An Arteriosklerose erkrankt und völlig erblindet starb er am 27. Juni 1924.
In einer späten Würdigung schrieb der Laacher Benediktinerpater Häussling: „Doktrinäre Schwierigkeiten, näherhin das Problem, die von Darwin und anderen Naturwissenschaftlern angeführten Fakten und Interpretationen mit dem traditionell gepflegten Lehrsystem der Philosophie und Theologie zu vereinbaren, führten schließlich zu Wolfs Ausscheiden aus Orden und Kirche. Es scheint, als sei es erst ein Menschenalter später der intuitiven Genialität von Wolfs Mitbruder Pierre Teilhard de Chardin möglich geworden, beiden Vorgaben gerecht zu werden. So entbehrte die Lebensgeschichte des Theologen und leidenschaftlichen Naturwissenschaftlers Theodor Wolf nicht der persönlichen Tragik“.
Quellen: Institut für Länderkunde, Leipzig, Karte von Ecuador von David Rumsey Map Collection.
Werke: 37 Publikationen, darunter: Die Auswürflinge des Laacher-Sees, 1867/68, Viajes cientifícos por la república del Ecuador, verificados y publicados por órden del Supremo Gobierno de la misma República, 1879, Geografía y Geología del Ecuador, 1892, Die Vulkanberge von Colombia, 1906, Monographie der Gattung Potentilla, 1908.

Literatur: Alwin Schade, † Theodor Wolf, in: Sitzungsberichte und Abhandl. der Naturwiss. Gesellschaft Isis in Dresden, 1925; Werner K. Mayer, Zwischen Offenbarungsglaube und Evolutionstheorie: Theodor Wolf 1841−1924, in: Unterm Stein, Lauterner Schriften 12 (2009).
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