Röchling, August 

Andere Namensformen:
  • ab 1917 XII. 5: von, bayer. persönl. Adel d. Ritterklasse
Geburtsdatum/-ort: 12.08.1856;  Ludwigshafen am Rhein
Sterbedatum/-ort: 28.08.1937; Aachen, begraben in Mannheim, Hauptfriedhof
Beruf/Funktion:
  • Industrieller
Kurzbiografie: bis 1873 Volksschule in Ludwigshafen u. Mannheim, dann je 4 Jahre Gymnasium u. Realgymnasium Mannheim
1873–1876 Studium am Polytechnikum in Karlsruhe
1876–1877 Einjährig-Freiwilliger beim II. Westfäl. Husarenregiment Nr. 11 in Düsseldorf, danach bis 1896 dort Reserveoffizier
1877 X. Eintritt bei Firma Gebrüder Röchling
1885 IV. geschäftsführender Teilhaber
1888 Übersiedelung nach Mannheim
1890 Mitglied des Verwaltungsrates d. Pfälz. Eisenbahnen
1904 Mitglied des Aufsichtsrates d. Rhein. Kohlenhandel- u. Reederei Gesellschaft
1930 Rückzug aus den Geschäften
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Auszeichnungen: Ehrungen: Bayer. Kommerzienrat (1896), Geheimer Kommerzienrat (1910); Ritterkreuz I. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen (1910); Preuß. Kronenorden II. Klasse (1914); Ritterkreuz des Verdienstordens d. Bayer. Krone (1917); Ehrensenator d. Univ. Heidelberg (1922).
Verheiratet: 1885 (Mannheim) Helene, geb. Lanz, Tochter des Heinrich Lanz (1838–1905)
Eltern: Vater: Ernst Christian (1825–1877), Industrieller
Mutter: Anna Karoline, geb. Schultz (1831–1908), Tochter des Kaufmanns August Schultz aus Mainz
Geschwister: 4; Emma Charlotte (1854–1911), Mathilde (1858–1945), Rudolf (1860–1928) u. Heinrich (1862–1931)
Kinder: 3; Hedwig (* 1885), verh. mit Bankdirektor Carl Arthur Pastor, Ernst (* 1888), Generaldirektor d. Lanzwerke in Mannheim, u. Heinrich (* 1898), Gesellschafter d. Gebr. Röchling, Ludwigshafen
GND-ID: GND/117533963

Biografie: Angelika Dreißigacker/Fred Ludwig Sepaintner (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 6 (2011), S. 330-332

Die Familie Röchling stammt aus der Umgebung von Dortmund und war über Nassau-Saarbrücken und Pfalz-Zweibrücken nach Ludwigshafen gekommen. Das Unternehmen, aus einem 1822 gegründeten Kohlenhandel entstanden, expandierte im Zuge des Bahnbaus um die Mitte des 19. Jh.s, betrieb seither auch Bankgeschäfte, engagierte sich aber vor allem in der aufkommenden Montanindustrie, seit 1860 außerdem in Ludwigshafen und von dort aus international im Eisenhandel. Nach dem Erwerb und Ausbau des Völklinger Puddelwerkes 1881 war das Familienunternehmen in den Kreis der großen Stahlproduzenten eingetreten, bald in einer Reihe zu nennen mit Firmen wie Krupp und Haniel. Röchlings Vater war Teilhaber der Firma Gebrüder Röchling und von Ludwigshafen aus hauptsächlich im Großhandel für Eisen und Kohle tätig. Wie ihre Verbindungen zeigen, gehörte die Familie Röchling im ausgehenden 19. Jh. auch im Rhein-Neckar-Raum zum engeren Kreis der Wirtschaftsnobilität.
Röchling wurde als der älteste Sohn des Ludwigshafener Zweigs der Familie geboren und wuchs anfangs keineswegs in großbürgerlichen Verhältnissen auf, wie die Lebenserinnerungen seiner Mutter erkennen lassen. Der in seinen jungen Jahren eher kränkliche, zurückhaltend stille Junge ging erst in Ludwigshafen, dann in Mannheim, wo die Großmutter mütterlicherseits wohnte, in die Volksschule. Dann besuchte er erst das Mannheimer Gymnasium, schließlich das Realgymnasium. Vom WS 1873/74 bis 1876 studierte Röchling am Polytechnikum in Karlsruhe Maschinenbau; ein Abschluss mit Diplom ist nicht belegt, was in der damaligen Zeit aber durchaus als nicht außergewöhnlich gelten darf. Anschließend leistete Röchling sein Militärdienstjahr im 2. Westfälischen Husaren-Regiment Nr. 11 in Düsseldorf, dem er später als Reserveoffizier angehörte.
Mit dem Eintritt ins familieneigene Unternehmen Gebrüder Röchling 1877 setzte Röchlings Laufbahn als Kaufmann ein. Er begann seine Ausbildung mit einem Volontariat im Zweiggeschäft Ruhrort des Ludwigshafener Stammhauses, das sein Vater leitete. Danach lernte er in größeren Firmen in Antwerpen und Paris, woran sich, zur Vertiefung seiner Kenntnisse, zwei weitere Jahre in der Eisenbranche anschlossen. Röchling arbeitete damals in den Zweigniederlassungen in Glasgow und Middlesbrough.
1884 kehrte Röchling nach Ludwigshafen zurück, wurde Prokurist und bereits im April 1885 Teilhaber der Firma. Neben seiner Arbeit in der allgemeinen Leitung des Unternehmens war Röchling für die Ludwigshafener Niederlassung zuständig und zeichnete für den Roheisenhandel im In- und Ausland verantwortlich. Vor allem dort und zeitweise auch in der Niederlassung in Basel arbeitete auch sein jüngerer Bruder Heinrich.
Im Jahr 1888 siedelte Röchling von Ludwigshafen nach Mannheim um und ließ sich mit seiner gerade gegründeten Familie in L 9, 10 nieder. In der Öffentlichkeit gestaltete er seine Lebensführung ganz dem Habitus des Großbürgertums dieser Zeit entsprechend: 1910 beteiligte er sich an einer Stiftung von insgesamt 1 Mio. M. für die Handelshochschule Mannheim. Er förderte Kunst und Wissenschaft, indem er 1917 beispielsweise dem Mannheimer Museum für Natur- und Völkerkunde mit 100 000 Mark ermöglichte, eine Sammlung anzukaufen, die er bis 1919 durch Erwerb und Schenkung weiterer altsteinzeitlicher Fundstücke und völkerkundlicher Objekte noch beträchtlich erweiterte. Daneben trat er – wie früher schon seine Mutter in Ludwigshafen – durch soziales Engagement hervor. Er spendete 100 000 Mark an die Stadtverwaltung, zur Speisung bedürftiger Jugendlicher und für die Unterstützung von Wöchnerinnen. Aufgrund „seiner […] Mitwirkung bei der Gründung der Akademie der Wissenschaften, seiner […]Bemühung um den Ausbau der Bibliothek des geologischen Instituts und seiner […] Verdienste um die Gesellschaft der Freunde der Univ. Heidelberg“ wurde er am 1. Juli 1922 zu deren Ehrensenator ernannt.
Der Familientradition gemäß und auch hierin ganz Teil der kleinen, durch Verwandtschaft und Kapitalverquickung zusammengehaltenen bürgerlichen Führungsschicht aus wenigen Familien, war Röchling Anhänger der Nationalliberalen Partei und selbst an deren örtlichem Sprachrohr, dem Mannheimer „General-Anzeiger“, wenn auch mit 1000 M. nur geringfügig, beteiligt. Weltanschaulich stand er im Übrigen, wie seine Frau und deren Familie, den Steinerschen Anthroposophen nahe, die damals in der neu gebauten Christuskirche in Mannheim ihr Zentrum hatten.
Durchaus typisch für das Großbürgertum dieser Zeit begeisterte sich Röchling auch für den Pferde-Rennsport. 1886 trat er in das Direktorium des Bad. Rennvereins ein und erwarb Verdienste um die bauliche und technische Ausgestaltung der Mannheimer Rennbahn, wo er am Bau der Betontribüne beteiligt war. Am 7. Juli 1900 wurde Röchling zweiter Vorsitzender des Direktoriums, im Jahr 1922 dessen erster Präsident. Daneben war „der erste Radfahrer Mannheims“ dem Radsport zugetan und engagierte sich bei der „Allgemeinen Radfahrer-Union“.
Das Fundament seines Tuns freilich blieb immer wirtschaftliches Handeln: Im Zentrum stand seine Tätigkeit als Geschäftsführender Gesellschafter der Firma Gebr. Röchling in Ludwigshafen, der einen der beiden Zentralen der weitverzweigten Unternehmen der Familie. Im anderen Unternehmensschwerpunkt, in Völklingen, gehörte er dem Aufsichtsrat des Edelstahlwerkes und der Eisen- und Stahlwerke an. Daneben war Röchling, wie eigentlich alle Namhaften seines Kreises, gleich in mehreren anderen Aufsichtsräten vertreten, wie früher schon sein Vater seit 1890 im Verwaltungsrat der Pfälzischen Eisenbahnen, die 1908 an das Königreich Bayern übergingen, und seit 1904 im Aufsichtsrat der Rheinischen Kohlenhandel- und Rederei-Gesellschaft (Kohlenkontor) in Mülheim an der Ruhr.
Angesteckt von der Begeisterung seiner Zeit für die Luftschifffahrt machte sich Röchling in Mannheim durch seine Beteiligung am Bau der Schütte-Lanz-Luftschiffe einen Namen. Mit seinem Schwager Karl (➝ V 173) und mit Julia Lanz sowie dem bei Oldenburg gebürtigen Konstrukteur einer zweiten Generation aerodynamisch besser als die Zeppeline konzipierter Luftschiffe, dem Professor der TH Danzig Johann Schütte (1873–1940), wurde Röchling 1909 Gesellschafter der „Luftschiffbau Schütte-Lanz OHG“, deren Einlage von anfangs 350 000 Mark später auf 2 Mio. erhöht wurde. Wie Engagement und Geschäftsinteresse auch hierbei verzahnt waren, wird daran sichtbar, dass die Firma Röchling natürlich den Stahl für die Propeller und Gondeln lieferte. Offensichtlich war Röchling aber auch mit großem Engagement bei diesem Tun, nahm er doch persönlich an den ersten Probefahrten des Luftschiffes teil und verunglückte sogar auf einer Probefahrt 1912, wobei er aber keine größeren Verletzungen erlitt.
Dem arrivierten Industriellen blieben Anerkennungen nicht versagt: Bayern, Baden und Preußen zeichneten ihn aus. Ob Röchling das mit der Verleihung des Verdienstordens der Bayerischen Krone zum Jahresende 1917 verbundene persönliche Adelsprädikat der Ritterklasse tatsächlich, wie in späteren Pressemeldungen mitgeteilt „aufgrund seines Bürgersinnes“ abgelehnt hat, ist aber unsicher. Hat er deshalb um eine Audienz beim König nachgesucht? Andererseits, es existieren durchaus auch amtliche Schreiben an Herrn von Röchling. Sicher ist hingegen, dass es keinen Adelsmatrikeleintrag gibt und dass in der Todesanzeige das Adelsprädikat nicht auftaucht, was annehmen lässt, dass Röchling den Titel „in der Regel“ nicht führte.
1930 zog sich der 74-jährige aus gesundheitlichen Gründen aus den Geschäften zurück und verlegte seinen Wohnsitz nach Aachen, wo seine Tochter Hedwig lebte. Dort verstarb er nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 81 Jahren. Er wurde in Mannheim eingeäschert.
Das bis in die Gegenwart bestehende weltweite Unternehmen der Röchling-Gruppe hatte schon 1920 mit dem Erwerb der Holzveredelung GmbH Berlin einen ersten Schritt in Richtung Mischkonzern getan. Ab 1960 erfolgte schrittweise der Ausstieg aus der Montanindustrie, der mit dem Verkauf der Stahlwerke Röchling-Burbach GmbH 1978 vollzogen war. Der Familienkonzern war dann zunächst vor allem auf den Geschäftsfeldern Kommunikations-, Auto-, Mess-, Steuer- und Regeltechnik tätig, seit den 1980er Jahren verstärkt in der Kunststofftechnik. Mannheim ist Hauptsitz des Konzerns, das bis in die Gegenwart zu den größten Familienunternehmen Deutschlands zählt.
Quellen: UA Karlsruhe 21003, Matrikel 4; UA Heidelberg B–1884/1; Bayer. HStA München MA-Ordensakten 15577 u. MWi 4708; Auskünfte des Bayer. HStA, d. UA Heidelberg, des UA Karlsruhe u. StadtA Ludwigshafen am Rh. vom Dezember 2008 u. Januar 2009.
Nachweis: Bildnachweise: StadtA Mannheim 38687 u. 41198; R. Nutzinger, 1929, 123.

Literatur: „Geheimer Kommerzienrat August Röchling“, in: Neue Mannheimer Ztg. Nr. 366 vom 10. 8. 1926; „Goldenes Berufsjubiläum des Geh. Kommerzienrats August Röchling“, in: Neue Mannheimer Ztg. Nr. 454 vom 1. 10. 1927, 12; Richard Nutzinger, Das Haus Röchling, 1849–1929, Bilder aus d. Familien-, Orts- u. Wirtschaftsgeschichte, 1929; Reichshandbuch d. Dt. Gesellschaft, 2. Bd., 1931, 1539; „Geh. Kommerzienrat August Röchling“, in: Neue Mannheimer Ztg. Nr. 366 vom 10. 8. 1931; R. Nutzinger, H. Boehmer u. O. Johannsen, 50 Jahre Röchling Völklingen, 1931; „Geh. Kommerzienrat August Röchling“ u. Todesanzeige, in: Neue Mannheimer Ztg. Nr. 397 vom 30. 8. 1937, 3 u.10; Anna Röchling-Schultz, Lebenserinnerungen einer alten Mannheimerin, hg. v. D. R. Nutzinger, 1938; Hermann Weisert, Die Ehrenbürger u. Ehrensenatoren d. Univ. Heidelberg, in: Ruperto Carola 67/68, Dez. 1982, 109 ff. bes. 111; Gerhard Seibold, Röchling, Kontinuität im Wandel, 2001; NDB 21, Röchling (Familienartikel), 2003, 702 ff.
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