Dill, Ludwig 

Geburtsdatum/-ort: 02.02.1848;  Gernsbach im Murgtal
Sterbedatum/-ort: 31.03.1940;  Karlsruhe
Beruf/Funktion:
  • Maler
Kurzbiografie: 1866-1870 Ingenieur- und Architekturstudium am Polytechnikum Stuttgart
1870-1871 Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg als Reserveoffizier
1872-1874 Studium an der Münchener Kunstakademie bei Raab, Seitz und Piloty
1877 Aufenthalt in Chioggia mit Gustav Schönleber
1892 Mitbegründer des Vereins bildender Künstler Münchens e. V. „Secession“
1894 Übersiedlung nach Dachau. Mitbegründer der Künstlerkolonie „Neu-Dachau“
1894-99 Präsident der Münchener Secession
1896 Ernennung zum Königlich-Bayerischen Prof. e. h.
1899-1919 Prof. an der Akademie der bildenden Künste Karlsruhe
1902 Präsident des Komitees der Jubiläums-Kunst-Ausstellung in Karlsruhe
1907 Leiter der Internationalen Jubiläums-Kunst-Ausstellung in Mannheim
1918 Verleihung des Dr. ing. e. h. durch die Technische Hochschule Karlsruhe
1927 2. Vorsitzender der „Deutschen Kunstgesellschaft Dresden“
1936 Ehrenbürger von Dachau
1938 Ehrenbürger von Gernsbach
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1. 1875 Luise, geb. Kornbeck
2. 1909 Johanna Maria, geb. Pflugmacher, verwitwete Malburg
Eltern: Vater: Ludwig Dill, Amtsrichter
Mutter: Rosa, geb. Dietz
Kinder: aus erster Ehe 1 Sohn, 2 Töchter
GND-ID: GND/118525700

Biografie: Michael Koch (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 59-60

Seine Jugendzeit verbrachte Dill zunächst in Gernsbach und Durlach, bevor die Familie 1862 nach Stuttgart übersiedelte. Nach dem Besuch des Gymnasiums belegte er einige Semester lang die Fächer Architektur und Ingenieurwissenschaften am Stuttgarter Polytechnikum. Die Einberufung zum Militär am Beginn des Deutsch-Französischen Krieges im Juli 1870 bildete wohl nur den äußeren Anlaß zum Abbruch des Studiums, hatte sich Dill doch innerlich längst der Verwirklichung seiner ausgeprägten künstlerischen Interessen verschrieben. Aus Frankreich zurückgekehrt, zog er nach München und besuchte an der Kunstakademie die Klassen von Johann Leonhard Raab und Otto Seitz, anschließend das Meisteratelier des Historienmalers Karl Theodor von Piloty. Für Dills künstlerische Entwicklung entscheidend aber wurde die Begegnung mit dem Kreis um Adolf Lier, dem damals einflußreichsten Vertreter des „paysage intime“ in Süddeutschland, der seit 1869 in München eine private Schule für Landschaftsmalerei unterhielt. Nach dem Vorbild der „École de Barbizon“ hatte sich Lier – wie vor ihm Eduard Schleich der Ältere – von der komponierten, staffagereichen Ideallandschaft herkömmlicher Prägung abgewandt und schuf stimmungshaft-realistische Werke aus der unmittelbaren Anschauung der heimischen Natur. Bevor jedoch Dill erste Proben seiner im Lierkreis gewonnenen Erfahrungen geben konnte, führte ihn ein Illustrationsauftrag der Engelhorn'schen Verlagsanstalt in Stuttgart nach Italien, das ihm für zwei Jahrzehnte zur künstlerischen Heimat werden sollte. Auf zahlreichen Reisen in den Süden bildete sich Dill autodidaktisch weiter und schuf eine Fülle detaillierter Zeichnungen und Aquarelle, zumeist Studien nach landschaftlichen, architektonischen und figuralen Motiven. Den Sommer 1877 verbrachte er in Chioggia gemeinsam mit Liers Schüler Gustav Schönleber, dessen vorimpressionistische See- und Hafenbilder für seine malerische Schaffensperiode große Bedeutung erlangten. Von vereinzelten Reisen nach Belgien und Holland abgesehen, kehrte Dill bis 1892 fast alljährlich an die Küstenlandschaft der Laguna Veneto zurück und hielt das Alltagsleben der Fischer, das bunte Treiben in den Gassen und Winkeln der von Kanälen durchzogenen Hafenstädte in zahlreichen Ölgemälden, Kreide- und Kohlezeichnungen fest. Mit geschärftem Wirklichkeitssinn wußte er die vom Scirocco geprägten atmosphärischen Erscheinungen durch eine fein abgestufte Skala gedämpfter Farbwerte darzustellen, wobei er zumeist kontrastierende Rot- und Brauntöne gegen Grau und Blaugrau setzte. Von den Holländern des 17. Jahrhunderts inspiriert, milderte er die Schärfe der Konturen und tauchte die virtuos behandelten Gruppen der Fischer und Seeleute auf ihren bunten Segelbooten in einen silbergrauen Gesamtton, in dem die dunstige Lagunenatmosphäre ihr malerisches Äquivalent fand (vgl. Trabaccolo, 1881, Kunstmuseum St. Gallen; Venezianische Fischer beim Netzeflicken, um 1884, Landesmuseum Mainz).
Zeigen die nach einer Studienreise an die belgische und holländische Nordseeküste 1888 entstandenen Ölgemälde noch den detailreichen, die Gleichwertigkeit aller Bildelemente wahrenden Charakter der venezianischen Impressionen, so wandelte Dill seinen Stil grundlegend, als er seinen Motivkreis in den 90er Jahren weitgehend auf die reine, staffagefreie Landschaft beschränkte (vgl. Überschwemmte Salbeifelder in der Poebene, um 1893, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe). Der Beginn dieser zweiten, wichtigeren Schaffensphase des Malers fiel zeitlich mit einem kunstpolitischen Ereignis von historischer Bedeutung zusammen: Im April 1892 beteiligte sich Dill mit zahlreichen namhaften Kollegen an der Gründung des Vereins bildender Künstler Münchens e. V. „Secession“, die eine durchgreifende Reform des Ausstellungswesens zum Ziel hatte. 1894 wurde Dill zum Präsidenten dieser Vereinigung gewählt, und noch im selben Jahr siedelte er nach Dachau über, wo er sich hernach mit Adolf Hölzel und Arthur Langhammer zur Künstlerkolonie „Neu-Dachau“ zusammenschloß.
In der von Hügeln gesäumten Moorlandschaft zwischen den Flüssen Amper und Isar fand Dill eine damals noch wenig berührte natürliche Umwelt, die auch nach seiner Berufung an die Karlsruher Kunstakademie 1899 sein bevorzugtes Arbeitsfeld bildete. Im Unterschied zu den Werken der venezianischen ist in denen der Dachauer Periode der Akzent weniger auf topographische Authentizität als vielmehr auf den gleichsam poetischen Stimmungsgehalt der 'reinen' Landschaft gelegt, ein künstlerisches Ideal, das Dill sowohl mit der Schule von Barbizon als auch mit der zeitgenössischen Jugendstilmalerei verbindet (Worpsweder Schule, W. Leistikow, L. von Hofmann). So zeigen die seit etwa 1895 in Dachau entstandenen Ölgemälde, Gouachen und Temperastudien die typische Motivwelt der Moorlandschaft in stets abgewandelten Raumausschnitten und Gruppierungen, doch weist die flächig-ornamentale Stilisierung der Naturvorbilder weit über die konkrete örtliche Situation hinaus. Zu summarischen Flächenformen gefügt und durch parallele Raumschichtung rhythmisiert, stehen Birken, Weiden, Pappeln und Wacholderbüsche silhouettenhaft gegen den wolkenverhangenen Himmel, der sich über den von Gewässern und Torfgräben durchzogenen Sumpfwiesen wölbt. Die mit Grau-, Silber- und Goldtönen kontrastierenden dumpfen Lokalfarben tragen entscheidend zur feierlich-monumentalen Wirkung dieser Landschaften bei (vgl. Am Waldesrand, um 1900, Kunsthalle Bielefeld; Gewitter im Moor bei Dachau, um 1900, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe). Zwar widmete sich Dill ab 1905 gelegentlich wieder der Marinemalerei und schuf während des Ersten Weltkrieges eine Folge skizzenhafter Schlachtenbilder, doch blieb das Dachauer Moos Mittelpunkt seines Schaffens und gab seinem Altersstil das Gepräge.
Wohl durch den neoromantischen, antiimpressionistischen Charakter seiner späteren Landschaftsmalerei bedingt, fand Dill schon vor dem Ersten Weltkrieg besondere Wertschätzung bei deutschtümelnden Heimatkunst-Ideologen wie Paul Schultze-Naumburg und Bettina Feistel-Rohmeder. Nach seiner Zurruhesetzung im Oktober 1919 schloß sich Dill der völkisch-radikalen „Deutschen Kunstgesellschaft“ in Dresden an, einer Keimzelle des nationalsozialistisch gelenkten „Kampfbundes für deutsche Kultur“. Noch 1933 wurde der Maler neben dem späteren badischen Kultusminister Otto Wacker und dem Heidelberger Kunstschriftsteller Josef August Beringer als Mitarbeiter der völkischen Organe „Deutscher Kunstbericht“ und „Deutsche Bildkunst“ genannt, aus denen 1934 die in Karlsruhe herausgegebene Zeitschrift „Das Bild“ hervorging. Auf das künstlerische Alterswerk Dills blieben diese politischen Aktivitäten jedoch ohne Einfluß.
Nachweis: Bildnachweise: Foto in: A. Rößler (vgl. Lit.), S. 44 und in: Einwohnerbuch Gernsbach-Forbach, 1960, 15.

Literatur: Arthur Rößler, Neu-Dachau. Hoelzel, Dill, Langhammer, Bielefeld/Leipzig 1905 (= Knackfuß Künstlermonographien 78); L. van der Veer, in: The Studio 34, 1905, 210 ff.; ThB 9, 1913, 291 f.; Hermann Eßwein, in: Die Rheinlande 25, 1915, 316 ff.; Beringer-Theilmann, 101 ff., 238; Arthur von Schneider, Badische Malerei des 19. Jhs., Karlsruhe 1968 2. Aufl., 143; Vollmer 1, 1976 2. Aufl., 566; AKat. Die Münchner Schule 1850-1914, Bayer. Staatsgemäldesammlungen und Ausstellungsleitung Haus der Kunst, München 1979, 185 f.; Willy Huppert, Ludwig Dill (Maschinenschriftl. Manuskript).
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