Hachenburg, Max 

Geburtsdatum/-ort: 01.10.1860;  Mannheim
Sterbedatum/-ort: 23.11.1951; Berkeley (Kalifornien)
Beruf/Funktion:
  • Rechtsanwalt, Handels- und Gesellschaftsrechtler
Kurzbiografie: 1869-1878 Mannheimer Gymnasium mit Abitur
1878 Beginn des Jurastudiums in Heidelberg; Fortsetzung in Leipzig und Straßburg
1882 Erstes juristisches Staatsexamen und Promotion zum Dr. iur.
1885 Zweites juristisches Staatsexamen, Zulassung als Rechtsanwalt in Mannheim
1895 Berichterstatter der Verfassungskommission für die Synodalverfassung
1896 Wahl in den Vorstand der badischen Anwaltskammer
1898 Präsident der Synode in Baden
1901 Mitglied des jüdischen Oberrats
1909 Wahl in den Vorstand des Deutschen Anwaltsvereins
1912 Wahl in den Vorstand des Deutschen Juristentags
1919-1925 Tätigkeit als Prüfer im zweiten juristischen Staatsexamen
1919 Vorsitzender des Mannheimer Anwaltsvereins
1920-1926 Mitglied im Reichswirtschaftsrat
1930 Auszeichnung mit der Goldenen Bürgermedaille der Stadt Mannheim
1938 Miterleben der barbarischen „Reichskristallnacht“ in Heidelberg, Verwüstung von Wohnung und Mannheimer Kanzlei, Sohn Hans für Wochen in das Konzentrationslager Dachau verschleppt: Ende der Zulassung als Rechtsanwalt
1939 Auswanderung nach Zürich
1940-1946 Aufenthalt nahe der walisischen Grenze in dem nordenglischen Landstädtchen Oswestry
1942 Ermordung der ältesten Tochter, deren Ehemanns und ihres Sohnes in Auschwitz
1943 Ermordung der zweiten Tochter in Auschwitz
1946 Übersiedlung nach Berkeley (Kalifornien)
1949 Ehrenbürger der Stadt Mannheim
Weitere Angaben zur Person: Religion: isr.
Verheiratet: 1889 Lucie Gudula, geb. Simons (1868-1933)
Eltern: Vater: Heinrich (1807-1878), Kaufmann
Mutter: Johanna, geb. Präger (1819-1895)
Geschwister: 1
Kinder: 3:
Margarethe Augusta Martha (1890-1942)
Elisabeth Luise Pauline (1892-1943)
Hans Heinrich (1897-1975)
GND-ID: GND/118544241

Biografie: Adolf Laufs (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 113-115

Der Sohn eines jüdischen Kaufmanns und einer Rabbinertochter wuchs in Mannheim auf, besuchte dort die Volksschule und das bedeutende Gymnasium. Der jüdische Kaufmannsmittelstand, der seit den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts zunahm und mit dem Aufschwung des Industriekapitalismus Wohlstand erreichte, sandte nach der Emanzipation von 1862 in wachsender Zahl seine Kinder auf das Gymnasium. Nach dem Abitur begann Hachenburg im benachbarten Heidelberg mit dem Studium der Rechtswissenschaft, das ihn auch nach Leipzig und Straßburg führte und ließ sich nach erfolgreichem Examen in seiner Vaterstadt als Rechtsanwalt nieder. Fest blieb er mit ihr verbunden; das mehrmalige, in späteren Jahren erfolgte Angebot der Rechtsanwaltschaft beim Reichsgericht in Leipzig, dorthin zu wechseln, lehnte er ab.
Hachenburg, geprägt durch Liberalismus und Historismus, dachte und fühlte bis zu seinem Tod als Deutscher jüdischen Bekenntnisses. Er praktizierte freilich seine angestammte Religion nicht; sein weiter, freiheitlicher und toleranter Geist nahm auch christliche Gedanken auf. Dennoch wirkte er für die jüdische Gemeinde in Baden; auch wählte er seine Ehefrau und die Mitarbeiter seiner Anwaltskanzlei aus der jüdischen Gesellschaft Mannheims. Auch in seiner Einstellung zum Antisemitismus tritt als einer seiner wesentlichen Charakterzüge eine große Duldsamkeit hervor und das Bemühen, zu verstehen. Hachenburg suchte den Antisemitismus als historischen Vorgang zu begreifen. Er warb bei seinen jüdischen Mitbürgern darum, sich ihrer Heimat Deutschland anzupassen und sich nicht in den Vordergrund zu drängen, um nicht alte Vorurteile zu bestätigen. Er selbst gab, stets um Assimilation bemüht, dafür ein Vorbild, stellte sich nie ins Rampenlicht und blieb – bis auf seine Tätigkeit als parteiloses Mitglied im Reichswirtschaftsrat – der Politik fern.
Als kenntnisreicher, hilfsbereiter und loyaler Rechtsanwalt machte sich Hachenburg bald einen Namen. Seine noble Gesinnung spricht auch aus seinen zeitgeschichtlich wertvollen Lebenserinnerungen, die 1927 erschienen und – zusammen mit Briefen aus der Emigration – in einer wertvollen Bearbeitung als Band 5 der Veröffentlichungen des Stadtarchivs Mannheim 1978 noch einmal herauskamen. Durch seine erfolgreiche wirtschaftsjuristische Arbeit als Prozeß- und Konsiliaranwalt trug er zum Ansehen und zur Entfaltung der Handels- und Industriestadt Mannheim bei. Das Vertrauen seiner Kollegen berief ihn in führende Positionen der anwaltlichen Standesorganisationen.
Ansehen gewann der Mannheimer Anwalt auch durch seine rechtswissenschaftliche Arbeit. Bereits 1887 erschien sein Buch: „Das Badische Landrecht unter Berücksichtigung des Rheinischen Rechts annotirt nach der Rechtsprechung der Deutschen Gerichte“. Die Entstehung und das Inkrafttreten des BGB, des kodifikatorischen Jahrhundertwerkes, begleitete der Mannheimer Anwalt, dessen rechtlichen Beistand auch wiederholt der Landesfürst suchte, mit kritischen und wegweisenden Vorträgen und Publikationen, je und je unter Bedachtnahme auf wirtschaftliche Bewandtnisse, Rechtsgefühl und Lebenserfahrung. Erfolgreiche Aufnahme in zwei Auflagen fand die Schrift: „Das Bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche Reich“. Zu Autorenruhm gelangte Hachenburg durch sein handels- und gesellschaftsrechtliches Werk. In Zusammenarbeit mit dem renommierten badischen Juristen und Politiker Adelbert Düringer, mit dem ihn bald eine tiefe Freundschaft verband, schuf Hachenburg den mehrbändigen Kommentar zum Handelsgesetzbuch, ein Lehr- und Erläuterungsbuch zugleich, auf der Grundlage des allgemeinen Zivilrechts und mit starkem Bezug zur Praxis des Wirtschaftslebens. Bald kam eine weitere ähnliche Aufgabe hinzu, die Neubearbeitung des Staubschen Kommentars zum GmbH-Gesetz, woraus ein eigenes neues Werk erwuchs, das ebenso kundige Nachfolger bis in die Gegenwart fortführten. „Aus der Durchdringung des Gesetzes mit der Anschauung des lebendigen Verkehrs, aus der hierdurch bedingten Wiedererlösung des Geistes eines Gesetzes aus der Starrheit der Buchstaben ergibt sich ... das für den Laien oft unverständliche Wesen der Rechtswissenschaft“.
Als Autor und Kommentator, als Mitherausgeber und Mitarbeiter führender juristischer Fachzeitschriften, als Mitgestalter des Deutschen Juristentages an prominenter Stelle, als Ratgeber und als Schiedsrichter, als hervorragender Lehrer und Prüfer gehörte der Ehrendoktor der Heidelberger Ruperto Carola und der Wirtschaftshochschule Mannheim jahrzehntelang zu den angesehensten badischen wie deutschen Rechtsgelehrten.
Die nationalsozialistische Judenverfolgung zwang den schon Betagten ins Exil. Die beiden Töchter, der Schwiegersohn, ein Enkelkind sowie der Schwager verloren ihr Leben in Auschwitz. Trotz des Schmerzes und der Bitterkeit des Schicksals blieb Hachenburg dem Land, in dessen Namen die Verbrechen geschahen, verbunden. „Haß ist immer häßlich, am häßlichsten aber, wenn er sich gegen das frühere Vaterland bei dessen Unglück äußert“, schrieb er 1946 an seine Ärztin Marie Clauß. Seine Asche ruht auf dem jüdischen Friedhof Mannheims. Eine Schule und eine Straße tragen dort seinen Namen.
Werke: (Auswahl)
Das HGB vom 10.5.1897 auf der Grundlage des BGB (Kommentar), 1898, 2. Aufl. 1908, 3. Aufl. 1930; Kommentar zum GmbHG, 1903, 2. Aufl. 1906, 5. Aufl. 1926; Das Bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche Reich, 1898, 2. Aufl. 1900; Das Französisch-Badische Recht und der Entwurf des Deutschen BGB, 1888/89; Das Badische Landrecht unter Berücksichtigung des Rheinischen Rechts annotirt nach der Rechtsprechung der Deutschen Gerichte, 1887; 2. Aufl. mit Erg.-Bd. 1896; Lebenserinnerungen eines Rechtsanwalts, 1927, 2. Aufl. hg. u. bearb. v. Jörg Schadt, 1978.
Nachweis: Bildnachweise: Mehrere Portraits in den „Lebenserinnerungen“; Ölportrait von Heinz Schifferdecker in der Mannheimer Kunsthalle.

Literatur: Walter Lewald, in: NJW 1952,41; Eugen Ulmer, in: Ruperto Carola 6, 1952, 28 f.; Ernst Wolff, in: Juristenzeitung 1952, 57 f.; Jörg Schadt, Einleitung zu den Lebenserinnerungen, 1978; Karl Otto Watzinger, Geschichte der Juden in Mannheim 1650-1945, 2. Aufl. 1987, 95-97.
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