Kurz, Isolde Maria Clara 

Geburtsdatum/-ort: 21.12.1853;  Stuttgart
Sterbedatum/-ort: 05.04.1944;  Tübingen
Beruf/Funktion:
  • Schriftstellerin, Übersetzerin
Kurzbiografie: 1853–1863 Kindheit in Stuttgart (1853–1859), Oberesslingen (1859–1862) und Kirchheim/Teck (1862–1863)
1863–1876 Jugendzeit in Tübingen: Reise in die Schweiz (1871), dreimonatiger Aufenthalt in Paris (1872); Tätigkeit als Übersetzerin; Mitarbeit am „Novellenschatz des Auslandes“, hg. von H. Kurz und P. Heyse; erste eigene literarische Texte
1876–1877 Wohnsitz in München: Tätigkeit als Übersetzerin, Sprachlehrerin
1877–1912 Wohnsitz in Florenz: Ferienaufenthalte in Forte dei Marmi (seit 1899), längere Aufenthalte in München (v. a. seit 1905); Tätigkeit als Übersetzerin (1877–1898); Arbeit an einem Führer durch die Renaissance in Florenz (1882–1884); Veröffentlichung lyrischer und Prosawerke (v. a. seit 1888)
1912–1943 Wohnsitz in München: Reisen nach Griechenland (1912), durch Deutschland (1914), nach Griechenland und in die Türkei (1933); regelmäßige Aufenthalte in Forte dei Marmi (1924–1938); Lebenspartner Ernst von Mohl (bis zu dessen Tod 1929); Veröffentlichung lyrischer und Prosawerke; Lesereisen (1920er/1930er Jahre)
1943–1944 Aufenthalt im Tropengenesungsheim Tübingen (seit Nov. 1943); Feierlichkeiten anlässlich des 90. Geburtstags (21.12.1943)
Weitere Angaben zur Person: Religion: dt.-kath.
Auszeichnungen: Auszeichnungen (Auswahl): Große Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft der württ. Krone (1905); Preis des Ebner-Eschenbach-Fonds (1911); Ehrendoktorat der Philosophischen Fakultät der Univ. Tübingen (1913); Ehrenmitgliedschaft des Seminars für Geschichte der Univ. Hamburg (1930); Ehrenmitgliedschaft des Schwäbischen Schillervereins (1934); Isolde-Kurz-Oberschule, Reutlingen (1937; heutiges Isolde-Kurz-Gymnasium); Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft (1943)
Eltern: Vater: Hermann Kurz (1813–1873), Schriftsteller, Journalist, Bibliothekar
Mutter: Marie, geb. von Brunnow (1826–1911)
Geschwister: 4: Edgar; Erwin; Alfred; Garibaldi
GND-ID: GND/118862979

Biografie: Wolfgang Mährle (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 166-171

Isolde Kurz‘ Lebensweg war stark durch ihre familiäre Herkunft geprägt. Die Tochter des aus Reutlingen stammenden, liberalen Journalisten und Schriftstellers Hermann Kurz und seiner radikaldemokratisch-pazifistischen Frau Marie (geb. von Brunnow) wuchs in ihrer Kindheit in eine gesellschaftliche Außenseiterrolle hinein. Die Familie Kurz, die zeitweise unter materieller Not litt, wechselte zum einen zwischen 1859 und 1863 aus verschiedenen Gründen mehrfach den Wohnort, bevor in Tübingen ein längerfristiger Lebensmittelpunkt gefunden werden konnte. Isolde Kurz wurde zum anderen von ihrer Mutter – wie auch die vier Söhne der Familie – areligiös erzogen und mit sozialistischem Gedankengut vertraut gemacht. Der Vater entwickelte nach Kurz‘ eigener Darstellung keine intensive Beziehung zu seinen Kindern. Marie Kurz setzte die Befreiung Isoldes von der Schulpflicht durch und unterwies ihre Tochter selbst in der antiken Geschichte und Mythologie, in der zeitgenössischen Literatur sowie in den modernen Fremdsprachen Italienisch und Französisch. Isolde Kurz erwarb daneben Kenntnisse des Russischen sowie der klassischen Sprachen Latein und Griechisch. Entsprechend ihrer ungewöhnlichen Erziehung zeigte Kurz als Jugendliche einen ausgeprägten Nonkonformismus, etwa indem sie – für ein Mädchen zeituntypisch – sportlich aktiv war. Sie erregte damit in Tübingen vielfach Anstoß. Die Außenseiterrolle, welche die Familie Kurz in der württembergischen Universitätsstadt einnahm, bewirkte einen starken Zusammenhalt der Familienmitglieder.
Isolde Kurz zog 1876 nach München. Hier hatte sie unter anderem Kontakt zum Intellektuellenkreis um Paul Heyse, mit dem ihr Vater in seinen letzten Lebensjahren den „Novellenschatz des Auslandes“ herausgegeben hatte. Kurz schloss Freundschaft mit der Schriftstellerin Rosalie Braun-Artaria, die im Jahr 1886 Redakteurin der Familienzeitschrift „Die Gartenlaube“ wurde. Bereits 1877 übersiedelte Kurz mit ihrer Mutter und ihrem jüngsten Bruder Garibaldi nach Florenz. In der toskanischen Metropole hatte sich der Bruder Edgar erfolgreich als Fremdenarzt niedergelassen. Kurz hatte bis 1912 in Florenz ihren Hauptwohnsitz. Sie verkehrte überwiegend in den Kreisen von Intellektuellen und Künstlern, die aus Deutschland, der Schweiz oder Großbritannien nach Italien emigriert waren. Zu ihren engeren Bekannten zählten der Bildhauer Adolf Ritter von Hildebrand sowie der Maler Arnold Böcklin. Seit 1899 bewohnte Kurz zeitweise ein Ferienhaus in dem von ihrem Bruder Edgar maßgeblich als Badeort entdeckten Forte dei Marmi am Ligurischen Meer. Den Kontakt zu den Bekannten in Württemberg und vor allem in München hielt sie durch private Korrespondenz und wechselseitige Besuche aufrecht.
Im Jahr 1912 ließ sich Isolde Kurz, die unverheiratet blieb, wieder fest in München nieder. Ihr engster Vertrauter wurde im folgenden Lebensabschnitt der Tübinger Jugendfreund Ernst von Mohl. Kurz führte in den Jahrzehnten nach ihrer Rückkehr nach Deutschland regelmäßig Lesereisen durch, lebte jedoch insgesamt zurückgezogen. Nachdem Kurz ihr Ferienhaus in Forte dei Marmi, das während des Ersten Weltkriegs vom italienischen Staat beschlagnahmt worden war, im Mai 1924 zurückerhalten hatte, verbrachte sie immer wieder längere Zeit in Italien. In den letzten Lebensjahren vielfach von Krankheiten gezeichnet, wohnte Isolde Kurz ab November 1943 im Tropengenesungsheim in Tübingen.
Isolde Kurz begann ihre literarische Laufbahn als Übersetzerin. Die Sprachbegabte übertrug in der Mitte der 1870er Jahre u. a. Texte von Stendhal, Gobineau, Karazin und Nievo ins Deutsche. Vom Honorar, das sie für die Übersetzung von Ippolito Nievos „Le confessioni di un ottuagenario“ (1877) erhielt, finanzierte Kurz ein Grabmal für ihren Vater auf dem Tübinger Friedhof. Kurz setzte ihre Tätigkeit als Übersetzerin in München und Florenz bis in die ausgehenden 1890er Jahre fort. Sie übertrug dabei u. a. Texte Giovanni Vergas und Karl Hillebrands ins Deutsche.
Neben den Übersetzungsarbeiten verfasste Kurz bereits in ihrer Tübinger Zeit eigene literarische Texte (Dramen, Gedichte, Prosa). Publikationen Kurz‘ lassen sich seit 1879 nachweisen. Im Jahr 1888 bildete ein Gedichtband die erste selbstständige Buchveröffentlichung. Bereits zwei Jahre später feierte die Schriftstellerin mit den „Florentiner Novellen“ ihren ersten großen Publikumserfolg. Kurz hat in den folgenden Jahrzehnten bis ins hohe Alter regelmäßig und zum Teil in dichter zeitlicher Folge literarische Publikationen vorgelegt, die ihre Leserschaft fanden. Ihre größte Produktivität erreichte sie in den 1920er Jahren, also in vergleichsweise hohem Lebensalter. Das gemessen an der Auflagenzahl erfolgreichste Werk Kurz‘ stellte der Roman „Vanadis. Der Schicksalsweg einer Frau“ dar, den die Schriftstellerin im Jahr 1931 veröffentlichte. Noch zu Lebzeiten Kurz‘ wurden zwei Gesamtausgaben ihrer Werke publiziert (1925, 1935).
Das literarische Repertoire von Isolde Kurz war sehr breit. Kurz veröffentlichte eine große Zahl von kleineren dichterischen Prosawerken (Novellen, Erzählungen, Märchen, Legenden, Parabeln), daneben Romane, Essays, je ein Versepos und einen Reisebericht, Aphorismen sowie lyrische Texte. Hinzu kommen zahlreiche biografische und autobiografische Schriften. Neben den literarischen Werken publizierte Kurz einige Vorträge sowie Zeitschriftenaufsätze zu historischen Themen und zeitgenössischen sozialen und politischen Fragen. Sie fungierte auch als Herausgeberin von Schriften ihres Vaters.
Literaturhistorische Bedeutung erlangte Isolde Kurz vor allem durch ihre dichterischen Prosawerke. In ihren erzählerischen Texten setzte sich Kurz wiederholt mit religiösen und metaphysischen Fragen auseinander; sie thematisierte daneben häufig die Stellung der Frau in der Gesellschaft sowie Probleme der Kunstproduktion. Diese Themenbereiche spielten im Übrigen auch in ihrem essayistischen und in ihrem (auto-)biografischen Werk eine wichtige Rolle. Die Prosadichtungen Kurz‘ sind vor allem aufgrund der zumeist sehr sensiblen psychologischen Charakterisierung der Personen sowie der anschaulichen Darstellung von Zeitumständen und Örtlichkeiten literarhistorisch von Interesse. Hingegen zeigen sich in manchen Texten kompositionelle Schwächen. Kurz siedelte ihre Prosawerke zumeist in der italienischen Staatenwelt der Renaissancezeit oder im zeitgenössischen Italien an. Dominierend sind Schauplätze in der Toskana; insbesondere Florenz, der langjährige Wohnsitz der Dichterin, fungiert häufig als Handlungsort. Das Interesse Kurz‘ an der italienischen Renaissance war maßgeblich durch die Rezeption der Werke Jacob Burckhardts bedingt. Konkret war Kurz zu Studien über die Florentiner Geschichte Anfang der 1880er Jahre angeregt worden. Als Mitherausgeberin hatte sie damals an einem – nicht zustande gekommenen – illustrierten Kunstführer über die toskanische Metropole gearbeitet. Auf die Studien, die in diesem Zusammenhang unternommen wurden, gehen auch einige historische Essays von Kurz zurück, die zum größeren Teil in dem Band „Die Stadt des Lebens. Schilderungen aus der Florentinischen Renaissance“ (1902) vereinigt sind. Von den vergleichsweise wenigen Prosadichtungen Kurz‘, deren Schauplätze nicht ganz oder zumindest teilweise in Italien gelegen waren, ragen einige Erzählungen des Bandes „Von Dazumal“ (1900) hervor. In diesen Texten thematisierte Kurz die dramatischen, durch die Industrialisierung bewirkten Veränderungen in ihrer schwäbischen Heimat.
Neben den Prosadichtungen fand auch ein Versepos Isolde Kurz‘ über die Schöpfungsgeschichte mit dem Titel „Die Kinder der Lilith“ (1908) zeitgenössische Beachtung. Eine noch breitere Rezeption erfuhr die – in Form und Inhalt sehr vielgestaltige – Lyrik der Autorin. Kurz publizierte mehrere Gedichtbände, die Texte von großer Intensität und Wirkungskraft enthalten. Hervorzuheben sind insbesondere mehrere lyrische Totenklagen. Publikumserfolge erzielte Kurz vor allem durch ihre während des Ersten Weltkriegs veröffentlichte und zum Teil vertonte Kriegslyrik. Insbesondere das auf Wunsch des Deutschen Frauenvereins verfasste Gedicht „Die deutsche Mutter“ sowie der 1916 publizierte Sammelband „Schwert aus der Scheide“ fanden erheblichen Widerhall in der deutschen Öffentlichkeit. Kurz schlug in diesen Texten teilweise nationalistische Töne an, verschloss sich jedoch einem ungebrochenen Bellizismus. So fand sie etwa in „Jenseits des Blutstroms“ (1915) bereits während des Ersten Weltkriegs eindringliche Worte des Bedauerns über das Kriegsgeschehen.
Ein Spezifikum des literarischen Schaffens von Isolde Kurz sind zahlreiche von ihr publizierte biografische und autobiografische Schriften. Kurz veröffentlichte Lebensbilder aller Personen ihres engsten persönlichen Umfelds, insbesondere der Angehörigen ihrer Familie. So legte sie Buchpublikationen über das Leben ihres Vaters Hermann, dessen literarischem Erbe Kurz sich zeitlebens verpflichtet sah, sowie über den Lebensweg ihrer Mutter Marie vor. Weitere Biografien waren ihren Brüdern Edgar und Alfred, der langjährigen Freundin Rosalie Braun-Artaria sowie ihrem Lebensgefährten Ernst von Mohl gewidmet. Ferner veröffentlichte Kurz biografische Skizzen von Bekannten und Freunden, wie etwa Adolf Ritter von Hildebrand und Arnold Böcklin. Diese Publikationen werden ergänzt durch zwei größere autobiografische Werke: „Aus meinem Jugendland“ (1918) hat die Zeit vor der Übersiedlung Kurz‘ nach Florenz zum Gegenstand, das Alterswerk „Die Pilgerfahrt nach dem Unerreichlichen“ (1938) stellt eine umfassende „Lebensrückschau“ dar.
Isolde Kurz‘ Werk weist bei allen erkennbaren Veränderungen insgesamt eine hohe thematische und stilistische Kontinuität auf. Frühe literarische Prägungen der Schriftstellerin, insbesondere die Orientierung an der Antike, an der deutschen Klassik sowie an der schwäbischen Romantik, blieben bestimmend. Wichtige zeitgenössische Vorbilder Kurz‘ waren Paul Heyse, der lange Zeit als ihr Mentor fungierte, sowie ihr Vater Hermann Kurz, Guy de Maupassant und – vor allem in der Lyrik – Eduard Mörike. Eine deutliche Nähe besteht zudem zum Werk Conrad Ferdinand Meyers. Kurz publizierte keine Schriften, in denen sie ihre poetologischen Positionen systematisch reflektiert hätte. Sie hielt sich, sieht man von ihrem nur wenige Monate dauernden, ersten Aufenthalt in München ab, vom zeitgenössischen Literaturbetrieb weitgehend fern.
Das Werk Isolde Kurz‘ reflektiert auf verschiedenste Weise die religiösen Überzeugungen sowie die philosophischen Gedanken der Autorin, die insgesamt nicht widerspruchsfrei gewesen sind. Kurz‘ Weltbild blieb auch in späteren Lebensphasen den humanistischen Idealen verpflichtet, die ihr im Elternhaus vermittelt worden waren. Die klassische Antike diente ihr unter anderem als Maßstab bei der Formulierung ästhetischer Positionen; sie bildete gleichzeitig die Grundlage des Bildungs- und Kulturbegriffs von Kurz. Mit dem Christentum setzte Kurz sich zwar intensiv auseinander, blieb jedoch bei einer ablehnenden Haltung. Kurz rezipierte neuplatonische Lehren sowie Glaubensüberzeugungen, die eine Nähe zum Buddhismus und zum Hinduismus aufweisen. Konstitutiv für ihre literarische Arbeit wurden etwa die Ablehnung linearer Zeitvorstellungen sowie die intensive Beschäftigung mit den Problemen der Prädestination und der menschlichen Individuation. Ein Deutungsinstrument des Transzendenten stellten für Kurz insbesondere Träume dar.
Kurz‘ Kunstverständnis war maßgeblich von neuplatonischem Gedankengut inspiriert. Kunstwerke waren nach Auffassung Kurz‘ präexistent; die Aufgabe des Künstlers bestand demzufolge nicht darin, Neues zu schaffen, sondern die bereits vorhandenen, göttlichen Ideen zu finden. Echtes Künstlertum war für Kurz angeboren, wahre Kunst bestand unabhängig von zeitbedingten Einflüssen. Kurz maß der Kunst und speziell der Literatur quasi-religiöse Funktionen bei. Die Kunstauffassung Kurz‘ korrespondierte mit ihrer Selbstsicht als Dichterin. Die Schriftstellerin imaginierte sich als moderne Kassandra.
Die politischen Überzeugungen Kurz‘ waren für ihre literarischen Texte insgesamt nur in wenigen Fällen relevant; sie wirkten sich jedoch maßgeblich auf die Rezeptionsgeschichte des Werks aus. In bewusster Abgrenzung von ihrem Vater Hermann, versuchte Kurz vor dem Ersten Weltkrieg sich als dezidiert unpolitische Dichterin zu profilieren. Erst nach 1914 artikulierte sie in ihren Texten vereinzelt nationalistische Positionen, denen sie ungeachtet ihres liberalen bzw. sozialistischen Elternhauses bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert aufgeschlossen gegenüber gestanden hatte. Kurz bezog in der Umbruchzeit nach dem Ende des Ersten Weltkriegs mehrfach zu aktuellen politischen Fragen öffentlich Stellung. Sie versuchte, die deutsch-italienische Entfremdung in der Vorkriegszeit zu erklären und sprach sich in Zeitungsartikeln gegen die bayerische Räterepublik aus. Deutlich erkennbar ist in diesen Stellungnahmen eine Tendenz zur Überhöhung bzw. psychologischen Interpretation politischer Ereignisse. Das tagespolitische Interesse Kurz‘ nahm nach 1920 ab, verschwand jedoch nicht völlig. Italienischem Faschismus und Nationalsozialismus stand Kurz in vieler Hinsicht aufgeschlossen bzw. zustimmend gegenüber; sie lehnte jedoch die Rassenpolitik Hitlers ab. Da Kurz nach 1933 öffentlich keine Kritik an der Regierung äußerte, wurde sie vom NS-Regime geehrt und mehrfach ausgezeichnet.
Die Positionen Kurz‘ zur gesellschaftlichen Stellung der Frau, die in zahlreichen ihrer Texte eine wichtige Rolle spielen, sind im Wesentlichen durch idealistische Grundüberzeugungen bestimmt. Obwohl Kurz die mangelnde Bildung vieler Frauen im Deutschland des 19. Jahrhunderts scharf verurteilte, stand sie der emanzipatorischen Frauenbewegung ihrer Zeit indifferent bzw. ablehnend gegenüber. An der Stelle sozialpolitischer Forderungen, die in den Augen Kurz‘ zu einer Angleichung der Lebensläufe von Mann und Frau und damit zu einem „Wettbewerb der Geschlechter“ führen mussten, propagierte sie die Förderung spezifisch weiblicher Rollenmuster. In der Frau erblickte Kurz die geborene „Hüterin der geistigen Schätze“; die Aufgabe des weiblichen Geschlechts bestand ihrer Meinung nach vor allem darin, Bildungs- und Kulturgüter an die kommende Generation weiterzugeben. Ihr Frauenideal sah Kurz in einigen Renaissancefürstinnen zumindest näherungsweise verwirklicht, etwa in Isabella d’Este und Elisabetta Gonzaga. In ihrem literarischen Werk tritt es am eindrücklichsten in der Konzeption der Giulia („Julia“) Gonzaga in „Nächte von Fondi. Eine Geschichte aus dem Cinquecento“ hervor.
Das Werk Isolde Kurz‘ wurde von der Kritik und der Literaturwissenschaft lange Zeit sehr einseitig wahrgenommen. Im Mittelpunkt der Rezeption standen zu Lebzeiten der Dichterin zumeist diejenigen Publikationen, die sich mit der italienischen Renaissance auseinandersetzen. Stilistisch wurde Kurz der „Neuklassik“ zugerechnet. Nach 1945 fand das Werk Kurz‘ unter anderem aufgrund der Tatsache, dass die Schriftstellerin sich nicht öffentlich vom nationalsozialistischen Regime distanziert hatte, zeitweise wenig Beachtung. Neuere literaturwissenschaftliche Studien versuchen, die analytische Konzentration auf die Renaissance-Werke Kurz‘ zu durchbrechen und deren literarisches und essayistisches Schaffen auf einer breiteren Textbasis zu würdigen. Vor einigen Jahren wurden die biografischen und autobiografischen Schriften Kurz‘ wiederentdeckt, welche die Lebenswelten der ausländischen Emigranten im Florenz des Fin de siècle zum Gegenstand haben. Kurz gilt seitdem als „Chronistin“ des Florenz um 1900 (B. Roeck, U. Treder); ihre Texte stehen im Mittelpunkt einer überaus lebendigen wissenschaftlichen Debatte.
Quellen: DLA Marbach, NL Isolde Kurz und Autorenbibliothek; StadtA Reutlingen, NL Isolde Kurz; StadtA Stuttgart, NL Isolde Kurz (SO 131); Heimatmuseum Reutlingen.
Werke: 1. Buchpublikationen und bedeutende Einzelveröffentlichungen (Auswahl): Gedichte, 1888; Florentiner Novellen, 1890; Phantasieen [sic!] und Märchen, 1890; Italienische Erzählungen, 1895; Von Dazumal. Erzählungen,1900; Unsere Carlotta, 1901; Frutti di Mare. Zwei Erzählungen, 1902; Die Stadt des Lebens. Schilderungen aus der Florentinischen Renaissance, 1902; Neue Gedichte, 1905; Im Zeichen des Steinbocks. Aphorismen, 1905; Hermann Kurz. Ein Beitrag zu seiner Lebensgeschichte, 1906; Lebensfluten. Novellen, 1907; Die Kinder der Lilith. Ein Gedicht, 1908; Florentinische Erinnerungen, 1910; Wandertage in Hellas, 1913; Die deutsche Mutter (Gedicht, 1915); Cora und andere Erzählungen, 1915; Schwert aus der Scheide. Gedichte, 1916; Aus meinem Jugendland, 1918; Traumland, 1919; Deutsche und Italiener. Ein Vortrag, 1919; Nächte von Fondi. Eine Geschichte aus dem Cinquecento, 1922; Der Caliban. Roman, 1925; Der Despot. Roman, 1925; Meine Mutter, 1926; Die Stunde des Unsichtbaren. Seltsame Geschichten, 1927; Der Ruf des Pan. Zwei Geschichten von Liebe und Tod, 1928; Ein Genie der Liebe. Dem toten Freunde zur Wohnstatt, 1929; Vanadis. Der Schicksalsweg einer Frau. Roman, 1931; Die Nacht im Teppichsaal. Erlebnisse eines Wanderers, 1933; Die Pilgerfahrt nach dem Unerreichlichen. Lebensrückschau, 1938; Das Haus des Atreus. Der griechischen Mythe nacherzählt, 1939.
2. Werkausgaben: Gesammelte Werke, 6 Bde., 1925; Gesammelte Werke, 8 Bde.,1935.
3. Textauswahl: Ein Splitter vom Paradies. Erzählungen und Erinnerungen aus dem Florenz der Jahrhundertwende, hg. und mit einem Nachwort versehen von Gisela Schlientz, 2003; Der Aktiengarten&andere Erzählungen, hg. von Jürgen Schweier, 2003.
Nachweis: Bildnachweise: Zahlreiche Fotografien in den im DLA Marbach sowie im StadtA Reutlingen überlieferten TeilNL.

Literatur: (Auswahl): Gabriele Freiin von Koenig-Warthausen, Isolde Kurz, in: Robert Uhland (Hg.): Lebensbilder aus Schwaben und Franken, Bd. 12, 1972, 329–361; Marion Ònodi, Isolde Kurz. Leben und Prosawerk als Ausdruck zeitgenössischer und menschlich-individueller Situation von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jh.s, 1989; Ulrich Mohl, Isolde Kurz und Ernst von Mohl – eine Lebensfreundschaft, in: Reutlinger Geschichtsblätter N. F. 31 (1992), 191–215; Wilhelm Borth, Isolde Kurz – Biographie und Werk einer Dichterin als Spiegel der Zeitgeschichte, in: Reutlinger Geschichtsblätter N. F. 33 (1994), 363–400; Eva Walter, Isolde Kurz und ihre Familie. Biographie, 1996; Rainer Hillenbrand, Isolde Kurz als Erzählerin. Ein Überblick, 2000; Bernd Roeck, Florenz 1900. Die Suche nach Arkadien, 2001; In der inneren Heimat oder nirgends. Isolde Kurz (1853–1944). Mit Beiträgen von Sibylle Lewitscharoff und Jutta Bendt sowie einer Chronik von Karin Schmidgall, hg. von der Deutschen Schillergesellschaft, 2003; Wilhelm Borth, Isolde Kurz (1853–1944) und Reutlingen. Einblicke in einhundert Jahre städtischer Kulturgeschichte, in: Reutlinger Geschichtsblätter N. F. 44 (2005), 161–279; Maria Chiara Mocali/Claudia Vitale (Hgg.), Cultura tedesca a Firenze. Scrittrici e artiste tra Otto e Novecento, 2005; Inge Jens, Isolde Kurz in Tübingen, in: Sönke Lorenz/Volker Schäfer (Hgg.): Tubingensia. Impulse zur Stadt- und Universitätsgeschichte. FS für Wilfried Setzler zum 65. Geb., 2008, 523–536; Wolfgang Mährle, Ein gescheitertes Frauenleben. Barbara Gonzaga aus der Sicht der Schriftstellerin Isolde Kurz, in: Von Mantua nach Württemberg: Barbara Gonzaga und ihr Hof, bearb. von Peter Rückert, 2011, 191–199.
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