von Hohenzollern, Ferdinand 

Geburtsdatum/-ort: 24.08.1865;  Sigmaringen
Sterbedatum/-ort: 20.07.1927; Sinaia
Beruf/Funktion:
  • Prinz von Hohenzollern, König von Rumänien („der Treue“)
Kurzbiografie: 1880 Proklamation zum Thronfolger
3.8.1914 Rumäniens Neutralitätserklärung
10.10.1914 Tod von König Carol I.
11.10.1914 Ferdinand wird rumänischer König
17.8.1916 Vertrag mit den Ententemächten verspricht territorialen Gewinn
27.8.1916 Rumänische Kriegserklärung an Österreich-Ungarn
3.12.1916 Flucht nach Jassy
6.12.1916 Einnahme Bukarests durch die Truppen der Mittelmächte
5.4.1917 Ankündigung einer Agrarreform
1917 Verfassungsreform
7.5.1918 Separatfrieden von Bukarest mit den Mittelmächten
10.11.1918 Wiederaufnahme der Kriegshandlungen gegen die Mittelmächte
Juli 1919 Rumänischer Einmarsch in Ungarn
11.11.1918 Waffenstillstand von Compiègne
1919/1920 Pariser Vorortverträge, Vertrag von Trianon schafft Großrumänien
1921 Kleine Entente mit der Tschechoslowakei und Polen
14.10.1922 Krönung Ferdinands zum König aller Rumänen
29.3.1923 Die neue rumänische Verfassung tritt in Kraft.
12.12.1925 Thronverzicht Carols
1926 Große Entente unter Einbeziehung Frankreichs
10.5.1927 Konkordat mit dem Vatikan
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1893 (Sigmaringen) Prinzessin Marie von Sachsen-Coburg und Gotha (1875–1938)
Eltern: Vater: Leopold, Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen (1835–1905)
Mutter: Antonia Maria, geb. von Portugal (1845–1913)
Geschwister: 2: Wilhelm (1864–1927); Karl Anton (1868–1919)
Kinder: 6: Carol II. (1893–1953), König von Rumänien; Elisabeth (1894–1956), verh. mit König Georg II. von Griechenland; Maria (1899–1961), verh. mit König Alexander I. von Jugoslawien; Nicolai (1903–1978); Ileana (1908–1991), verh. mit Anton von Österreich (1901–1987); Mircea (1913–1916)
GND-ID: GND/119346397

Biografie: Manfred Huber (Autor)
Aus: Württembergische Biographien 2 (2011), 139-141

Für den zweiten Sohn des Fürsten Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen und seiner Gemahlin Antonia war wie in Adelskreisen üblich eine militärische Karriere im preußischen Heer bestimmt gewesen. Seit seiner Jugend liebte der bescheidene, schüchterne, ja gehemmte Ferdinand die Zurückgezogenheit, entwickelte aber, obwohl wenig sportlich und eher zu Bequemlichkeit neigend, als Leutnant im 1. Garderegiment eine gewisse Vorliebe für das Militärische. Als die Kinderlosigkeit seines Onkels, König Carol I. von Rumänien eine Regelung der Nachfolge verlangte, fiel die Wahl auf den jungen Hohenzollernprinzen, der 1880 zum Thronfolger proklamiert wurde. Nach dem Tod seines Vorgängers trat Ferdinand im Oktober 1914 ein schweres Erbe an. Er besaß nicht die politische Statur seines Onkels, es fehlte ihm an Entscheidungskraft und Durchsetzungsvermögen, um seine Vorstellungen in einem von Intrigen bestimmten Umfeld zu verwirklichen. Ferdinand hatte lange im Schatten seines energischen und erfolgreichen Onkels gestanden, der ihm lediglich im militärischen Bereich einigen Freiraum ließ, den er auch gerne ausfüllte. Der Thronfolger erscheint uns als eine friedfertige, auf Harmonie bedachte Figur, ein Mensch, der sich gerne zu seinen botanischen Liebhabereien zurückzog, seinen repräsentativen Verpflichtungen zwar gewissenhaft, aber ohne Enthusiasmus und wegen seiner Öffentlichkeitsscheu nur mit geringem Geschick nachkam. Das politische Betätigungsfeld überließ Ferdinand bereitwillig seiner tatkräftigen, im diplomatischen Intrigenspiel versierteren Gattin, deren englische Abstammung sie im Ersten Weltkrieg für ein Bündnis mit der Entente eintreten ließ. Als Ferdinand wenige Monate nach Kriegsbeginn die Nachfolge Carols I. antrat, hätte er gerne die Neutralitätspolitik seines Vorgängers beibehalten, hatte aber einen schweren Stand gegenüber der Entschlossenheit der Kriegspartei, die angesichts der ententefreundlichen öffentlichen Meinung in Rumänien und wegen der verlockenden Aussichten auf territoriale Gewinne den Kriegseintritt betrieb und die Königin auf ihre Seite ziehen konnte. König Ferdinand stand wie sein Onkel Carol im Zwiespalt seiner sentimentalen Anhänglichkeit gegenüber Deutschland und der Notwendigkeit, die rumänischen Interessen zu wahren. Schließlich stimmte er der Kriegserklärung an Österreich-Ungarn zu, litt aber sehr unter dem daraus folgenden Bruch mit seinen deutschen Verwandten. Der Erste Weltkrieg verlief für Rumänien sehr wechselhaft. Nach einigen Anfangserfolgen geriet das rumänische Heer sehr bald in die Defensive und konnte die Eroberung Bukarests nicht verhindern. Die Oktoberrevolution zog nicht nur den Verlust des russischen Bündnispartners nach sich, sie gefährdete auch den Bestand der rumänischen Monarchie. Angesichts der Kriegsmüdigkeit versetzten die revolutionären Vorgänge beim nördlichen Nachbarn auch die rumänischen Bauern in erhebliche Unruhe und Aufruhr. König Ferdinand sah sich daher schon im April 1917, noch vor der Oktoberrevolution, genötigt, eine Agrarreform mit umfassender Landzuteilung anzukündigen, um ein Übergreifen der sowjetischen Revolution auf das rumänische Bauerntum zu verhindern. Dadurch gelang es dann auch tatsächlich, die rebellierenden Bauernsoldaten bis zum Ende des Krieges weitgehend zu beruhigen.
Wenige Tage vor der Eroberung der Hauptstadt durch die Truppen der Mittelmächte mussten König Ferdinand und seine Regierung nach Jassy an der Moldau fliehen und im Dezember 1916 sich zu einem Waffenstillstand bereit finden. Die Unterzeichnung des Diktatfriedens von Bukarest konnte Ferdinand so lange hinauszögern, bis er mit seinen für Rumänien ruinösen Bedingungen durch die endgültige Niederlage der Mittelmächte obsolet geworden war.
Am 1. Dezember 1918 konnte dann die Königsfamilie im Triumph nach Bukarest zurückkehren. Durch das Ende der K. u. K. Monarchie und die Oktoberrevolution war im südöstlichen Europa ein Machtvakuum entstanden und Rumänien fiel auf der Pariser Friedenskonferenz bei der Neuregelung und Stabilisierung eine Schlüsselstellung zu als möglicher Alliierter gegen die drohende kommunistische Gefahr, die von Russland ausgehend, die ehemaligen Länder Österreich-Ungarns zu erfassen drohte. Rumänien schien dieser Rolle gerecht zu werden, als es die noch ungeklärte Lage ausnützte, ganz Siebenbürgen besetzte und im Kampf gegen die Räterepublik Bela Kuns im Juli 1919 Budapest eroberte. Die territorialen Gewinne, die Rumänien im Vertrag von Trianon aus der Konkursmasse Österreich-Ungarns erhielt, waren enorm. Mit dem Erwerb von Siebenbürgen, Bessarabien, der Bukowina, dem Banat und der Dobrudscha gingen die kühnsten Träume von Großrumänien in Erfüllung. Ferdinand herrschte nun über ein Land, das um mehr als die Hälfte des ursprünglichen Gebiets angewachsen war und abgesehen von einigen Splittergruppen in Jugoslawien alle Rumänen einschloss, darüber hinaus aber eine Reihe von Minderheiten, deren erfolgreiche Eingliederung für den inneren Frieden und das Wohlergehen des Landes unerlässlich war. Die Zukunft der Hohenzollerndynastie schien durch die außenpolitischen Erfolge ebenso gesichert wie durch die zahlreiche Kinderschar des Königpaares. Innenpolitisch verlangten jedoch schwierige Probleme eine rasche Lösung. Unter diesen war die ungelöste Bauernfrage nach wie vor das wichtigste von allen. Die im Krieg angekündigte Landreform harrte der Verwirklichung. Seit dem großen Bauernaufstand von 1907 hatte sich die seit eh und je prekäre Lage der Kleinbauern durch den hohen Geburtenüberschuss in Rumänien erheblich verschärft. Der Zeitpunkt war günstig, denn durch die Vorgänge in der Sowjetunion war bei den rumänischen Agrarmagnaten und bei den Parteien die Bereitschaft zu größeren Zugeständnissen gestiegen aus Furcht vor einer neuen Radikalisierung der Bauern. Obwohl durch die nun in die Wege geleitete Agrarreform ca. 30 % des nutzbaren Bodens in die Hände von Kleinbauern gelangten, waren die Strukturprobleme des Landes nicht beseitigt, denn es fehlte eine aufnahmefähige Industrie, die der wachsenden Bevölkerung hätte Beschäftigung bieten können. Immerhin war wenigstens vorübergehend sozialer Zündstoff entschärft. Dies war auch bitter nötig angesichts der riesigen Aufgabe, die hinzugewonnenen, sehr heterogenen Landesteile mit ihren zahlreichen ethnischen Minderheiten zu einem stabilen Staat zusammenzufügen. Die feierliche Krönung Ferdinands zum König aller Rumänen in Alba lulia (Karlsburg) sollte mit einer symbolträchtigen Zeremonie die nationale Einheit festigen. In Karlsburg hatte einst der rumänische Nationalheld Michael der Tapfere kurze Zeit über ein vereintes Rumänien geherrscht. In seiner Nachfolge konnte sich 1922 Ferdinand, Abkömmling eines schwäbischen Geschlechts, die vom Patriarchen geweihte, eiserne Krone aufs Haupt setzen und sich als Einiger und Retter Rumäniens feiern lassen.
Damit erreichte die Hohenzollerndynastie den Höhepunkt und zugleich die Peripetie ihrer Herrschaft in Rumänien. Die neue rumänische Verfassung von 1923 verlieh dem König innerhalb der parlamentarischen Monarchie mindestens auf dem Papier eine starke Stellung. Ohne seine Zustimmung können Gesetze nicht wirksam werden, er beruft und entlässt die Regierungen nach seinem Gutdünken, kann Neuwahlen ansetzen etc. Rumänien war durch den Trianon-Vertrag territorial saturiert und Ferdinand hatte ein großes Interesse daran, den Frieden zu sichern, den Machtzuwachs und den Besitzstand seines Landes zu erhalten, wozu die Kleine Entente mit Polen und der Tschechoslowakei unter der Ägide Frankreichs beitragen sollte. Die letzten Lebensjahre Ferdinands waren überschattet durch persönliche und politische Probleme von erheblicher Sprengkraft, die das mühsam Erreichte gefährdeten. Im neuen Vielvölkerstaat Rumänien wurden die ethnischen Minderheiten trotz der Zusicherung rechtlicher Gleichstellung und kulturellen Eigenlebens einer rigorosen Rumänisierung unterworfen, wodurch die notwendige Integration scheiterte. Zudem belasteten den kranken König in seinen letzten Lebensjahren die Eskapaden seines Sohnes Carol sehr, der wegen seiner skandalösen Mésalliance mit Madame Lupescu Rumänien verließ und mehrfach auf die Thronfolge verzichtete. Durch die Berufung einer Regentschaft für seinen minderjährigen Enkel Michael wollte Friedrich den Fortbestand der Dynastie sichern. Letzten Endes vergeblich, da wenige Jahre nach seinem Tod die Rückkehr seines Erstgeborenen als König Carol II. das Land von neuem in Unruhe versetzte. Durch den Abschluss eines Konkordats gelang es dem krebskranken Ferdinand kurz vor seinem Tod, den Frieden mit dem Vatikan zu finden und als gläubiger Katholik mit seiner Kirche und seinem Gewissen ins Reine zu kommen. Die Taufe und Erziehung seiner Kinder im griechisch-orthodoxen Glauben hatte Rom scharf missbilligt und die daraus folgende Entfremdung mit dem Papst hatte den gewissenhaften Ferdinand sehr belastet. Mit seinen deutschen Verwandten hatte er schon vorher die ersehnte Versöhnung erlangt. Als der König 1927 stirbt, hinterlässt er trotz seiner Bemühungen nur scheinbar ein geordnetes, fest gefügtes Haus. Die Weltwirtschaftskrise, das ungelöste Nationalitätenproblem und das Anwachsen radikaler politischer Kräfte werden es im Zweiten Weltkrieg unter seinem unfähigen Nachfolger Carol II. zerstören und die kommunistische Machtübernahme wird schließlich im Dezember 1947 das Ende der Hohenzollernherrschaft in Rumänien besiegeln.
Nachweis: Bildnachweise: Hohenzollerisches Haus- und DomänenA im StA Sigmaringen.

Literatur: Stefan Metes, Ferdinand Regele, 1924; J. Lupas, Ferdinand Regele, 1929; Manfred Huber, Grundzüge der Geschichte Rumäniens, 1973; Hannah Pakula, The Last Romantic – A biography of Queen Marie of Roumania, 1984; Ekkehard Völkl, Rumänien vom 19. Jh. bis zur Gegenwart, 1995; Nicolae Iorga, Regele Ferdinand, 1996.
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