Schweizer, Otto Ernst 

Geburtsdatum/-ort: 27.04.1890;  Schramberg im Schwarzwald
Sterbedatum/-ort: 14.11.1965;  Baden-Baden (Grabstätte in Schramberg, Waldfriedhof)
Beruf/Funktion:
  • Architekt
Kurzbiografie: 1906-1913 Lehre und Beruf als Geometer
1913/14 (Wintersemester) Beginn des Architekturstudiums an der TH Stuttgart
1915/16 (Wintersemester) Wechsel an die TH München, prägend Theodor Fischer
1917 (Sommersemester) Diplomhauptprüfung „mit Auszeichnung“ nach nur 6 Semestern Studium
1921-1925 Stadtbaurat in Schwäbisch Gmünd
1925-1929 Oberbaurat in Würzburg
1929-1930 Nach dem Ausscheiden aus dem Beamtenstand Freier Architekt in Nürnberg
1930 Berufung auf einen Lehrstuhl für städtischen Hochbau, Wohnungs- und Siedlungswesen an der TH Karlsruhe
1938 Ruf der türkischen Regierung, in der Türkei zu lehren und zu bauen, den Schweizer ablehnt
1941 Vorschlag Heinrich Tessenows, Schweizer zu seinem Nachfolger als Lehrer an die TH Berlin-Charlottenburg zu berufen, was vom Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung abgelehnt wird
1948 Ernennung zum Mitglied des von der französischen Militärregierung eingesetzten Conseil Supérieur d’Architecture et d’Urbanisme (SAU)
1949 Berufung in einen Planungsrat (gemeinsam mit Hermann Mattern und Hans Schwippert) durch den „Vorbereitenden Ausschuß für die Einrichtung der Stadt Bonn als provisorisches Regierungszentrum“
1950 Dr.-Ing. E. h. der TH Stuttgart
1955 Ordentliches Mitglied der Akademie der Künste in Berlin
1960 Emeritierung; Ehrenbürger von Schramberg; Großes Bundesverdienstkreuz
1965 Dr.-Tech. E. h. der TH Wien
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Verheiratet: 1921 Gertrud, geb. Schlauder (1898-1981)
Eltern: Rudolf, Kürschnermeister
Anna, geb. King
Geschwister: Elsa, Klara, Rudolf, Margarethe
Kinder: Hanspeter (1922-1942, vermißt in Stalingrad)
GND-ID: GND/119372789

Biografie: Immo Boyken (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 3 (2002), 378-380

Als im Jahr 1961 das zweite Kollegiengebäude der Universität Freiburg seiner Bestimmung übergeben wurde, war noch einmal, nach fast dreißigjähriger, von den Nationalsozialisten erzwungener Zäsur, der Architekt Schweizer zum Bauen gekommen, der, hochgerühmt und schnell vergessen, schon in frühen Jahren durch Geradlinigkeit beeindruckt hatte, und der seine Aufgabe und sein Ziel scheinbar unbeeindruckt von den Schwankungen der Zeiten konsequent verfolgt hat.
Nach dem I. Weltkrieg baute er – neben einigen kleineren Aufträgen – in Schramberg die Friedhofskapelle am Waldfriedhof, deren Entwurf im Zusammenhang mit der Lösung einer komplizierten räumlichen Situation weithin Beachtung fand. Nach kurzer Zeit im Stadterweiterungsamt Stuttgart wurde er Stadtbaurat in Schwäbisch Gmünd und nahm an verschiedenen überregionalen Wettbewerben teil – etwa für ein Hochhaus an der Berliner Friedrichstraße oder für die Neugestaltung des Ulmer Münsterplatzes; Entwürfe, die, in expressionistischer Formensprache gehalten, Schweizer selbst später nur gering achtete und als Jugendsünden abtat, die aus heutiger Sicht aber als ein wichtiger Beitrag zur Architektur des deutschen Expressionismus anzusehen sind.
1924 wurde er Oberbaurat in Nürnberg und errichtete in dieser Zeit das Planetarium, das Arbeitsamt, die Hochbauten des Stadions und, nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst, den Milchhof dort sowie nach einem Wettbewerbserfolg das Wiener Stadion – Planungen, die ihn international bekannt machten. 1930 war er an die Karlsruher Architekturfakultät berufen worden und hatte sich, durch die politischen Verhältnisse und seine kompromißlose Haltung sich selbst und seiner Arbeit gegenüber bedingt, ganz auf die Aufgabe als Lehrer zurückgezogen: eine Lehre, die höchsten akademischen Erwartungen entsprach und die an die Studenten höchste Anforderungen stellte.
Mit allen Problemen des Bauens hat er sich in diesen Jahren befaßt. Das Gedachte in die Realität umsetzen konnte er nicht. Er formulierte, ausgehend von seinem „Idealplan einer Großstadt“ aus dem Jahr 1931, Gedanken zu grundlegenden Fragen der Architektur und des Städtebaus, die dann nach 1945 seine Vorschläge zur Neuordnung zerstörter Städte, Stuttgart etwa und Gießen, sowie sein Projekt für die Umgestaltung Bonns als provisorischer Regierungssitz zu einer „Stadt der weiten Freiräume“ bestimmten, und die in seinen Wettbewerbsbeiträgen für die Trierer Gartenstadt Maria-Hof und für die „Neue Stadt Rheinhausen“ Gestalt annahmen. In seinen Entwürfen werden Dimensionen und Proportionen der Wohngebiete sowie der von Bebauung freien innerstädtischen Flächen in Übereinstimmung mit dem menschlichen Maß und der menschlichen Bewegung gestaltet. Schweizer sucht dabei nach grundsätzlichen Lösungen für die moderne Stadt, für die moderne Architektur, nach neuen Lösungen für den Menschen und sein Wohnen, seine Arbeit und seine Erholung.
Wesentliches Ziel war ihm dabei die angemessene Zuordnung des Gebauten zur Natur, seine „architektonische Großform“, die Bildung weiträumiger, dabei aber überschaubarer Freiflächen unter dem Aspekt der Landschaft als städtebaulicher Form- und Ordnungskomponente. Das einzelne Gebäude wird nicht für sich als Einheit gesehen und gestaltet, nicht als Solitär, sondern als ein Element des Freiraumes.
Für bestehende Städte, deren sprunghaftes Anwachsen ihre historischen Mittelpunkte sprengen und damit Urbanität zerstören würde, schlägt er die Anlage neuer Zentren vor, neuer „Foren“, so sein sich an die Antike anlehnender Ausdruck, die die alten städtischen Mittelpunkte entlasten sollten. Neue Form sollte zu neuem Gemeinschaftsleben führen. Der heutige Mensch, so Schweizer, verlange nach einem Ausgleich für das Leben in der streng rationalisierten Industrie- und Arbeitswelt; ein Ausgleich, den die Bewohner der Großstädte finden könnten, wenn ihnen Gelegenheit zu einer Erholung geboten würde, die den ganzen Menschen erfasse, d. h. seinen Körper und seinen Geist, und er weist als Urgrund seiner Idee auf die Baugeschichte, auf die römischen Thermenanlagen, in denen eben jene regenerative Bestätigung aus Sport und Geist gepflegt werden konnte.
Auch dem einzelnen Bauwerk liegen Gedanken zugrunde, Architektur und Landschaft nicht isoliert zu sehen, sondern als räumliches Ganzes, oder, anders umschrieben, Gebautes und Natur immer zu einer Einheit zusammenzuschließen, eine Architektur, die in der großen Form, wie Rudolf Schwarz an Schweizer schreibt, etwas Kostbares und eine letzte Aussage im Geistigen bedeute, die er, Schweizer, zu immer größerer Reinheit gebracht habe.
Im Wiener Stadion, in den Nürnberger Arbeiten oder im Freiburger Kollegiengebäude, diesen klar und unprätentiös gestalteten Bauten ohne jede Unproportionalität von Gefühl und Gestalt, mag man eine solch große gebaute Form, wie Schwarz sie umreißt, erkennen – Bauten, in denen die ganze Lehre Schweizers augenfällig wird: das Suchen nach klarer Form und umfassender Ordnung, die sinnvolle Verbindung von Architektur und Technik, der „Welt der Ratio“ nach Schweizer, mit der man zwar Räume schaffen könne, deren Maß das menschliche Vorstellungsvermögen weit übersteige, womit aber durchaus noch nicht gesagt sei, daß man damit auch dem Menschen einen Dienst erweise, weiter die Bedeutung großer räumlicher Zusammenhänge, und, nicht zuletzt, die Einbindung moderner Architektur in ein historisches Stadtgefüge, die er nicht in direkter Angleichung sah, sondern im Aufgreifen der Ideen vergangener Zeiten und deren gedanklicher Umsetzung in die Gegenwart.
Eine kunstvolle, aber ungekünstelte Architektur, die das Werk Schweizers charakterisiert, in dem man nichts vom – zuweilen vielleicht schönen – Schein allzu eingängiger Eintagsarchitektur findet. Aus der Geschichte könnten wir lernen, so Schweizer 1935, daß gerade diejenigen Bauten, welche auf den Menschen, auf sein Wollen, das Maß seiner Größe, auf die gegebene Reichweite seiner Organe bezogen seien, heute noch lebendige Schöpfungen darstellten, während Einrichtungen, welche auf modische oder vorübergehende Zeitanschauungen abgestellt worden seien, sich überlebt hätten und nicht mehr gebrauchsfähig seien.
Quellen: Der künstlerische Nachlaß wird im „Südwestdeutschen Archiv für Architektur und Ingenieurbau“ in Karlsruhe bewahrt
Werke: Ausführliches Werksverzeichnis in: Boyken, vgl. Literatur
Nachweis: Bildnachweise: zahlreiche Fotos in: Boyken, vgl. Literatur

Literatur: Immo Boyken, Otto Ernst Schweizer, 1890-1965. Bauten und Projekte, 1996
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