Frick, Gottlob Reinhold 

Geburtsdatum/-ort: 28.07.1906;  Ölbronn
Sterbedatum/-ort: 18.08.1994;  Mühlacker
Beruf/Funktion:
  • Sänger
Kurzbiografie: 1913-1920 Volksschule in Ölbronn, 1920-1923 Gewerbeschule in Pforzheim
1923-1926 Volontär (Einweisung in Schlosserei, Dreherei und Gießerei) in der Firma Händle in Mühlacker
1927-1934 Chorsänger in der Stuttgarter Oper, 1927-1931 Gesangs- und szenischer Unterricht bei Fritz Windgassen und Julius Neudörffer-Opitz
1934-1935 Solist an den Stadttheatern Coburg, Freiburg i. Br. (1935-1937) und Königsberg (1937-1938)
1939-1950 Staatsoper Dresden, 1941 Kammersänger, 1944-April 1945 Kriegsdienst
1950-1953 Staatsoper Berlin
1951-1964 Mitwirkung bei den Bayreuther Festspielen, 1951, 1957, 1967, 1971 Gast an der Covent Garden Opera London
1953-1971 Ständige Engagements (20-25 Aufführungen pro Jahr) an den Staatsopern Wien, München und Hamburg, Gast auf allen bedeutenden europäischen Opernbühnen; 1953 österreichischer, 1954 bayerischer Kammersänger
1962 Gastspiel an der Metropolitan Opera in New York (Mitwirkung bei vier Aufführungen des Rings der Nibelungen)
1970 Abschiedsvorstellungen in der Staatsoper Stuttgart (Falstaff in den „Lustigen Weibern von Windsor“) und in der Münchner Staatsoper als Hagen; Rückkehr nach Ölbronn, in der Folge gelegentliche Gastspiele in Wien, München und Stuttgart und auf anderen Opernbühnen
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Auszeichnungen: 1950 Ehrenbürger von Ölbronn
1963 Richard-Wagner-Medaille von Bayreuth
1966 Bayerischer Verdienstorden
1969 Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
1974 Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland
1970 Österreichisches Ehrenkreuz I. Klasse für Wissenschaft und Kunst
Verheiratet: 1929 Stuttgart, Margaretha, geb. Beyen (geb. 1900), Sängerin
Eltern: Ludwig, Waldschütz und Forstwart (1863-1936)
Katharina, geb. Schilling (1865-1946)
Geschwister: 11 Brüder, 1 Schwester (Gottlob Frick war das jüngste Kind)
Kinder: keine
GND-ID: GND/124270352

Biografie: Horst Ferdinand (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 3 (2002), 90-92

Der jüngste Sohn eines armen Waldschützen hätte es sich in seinen kühnsten Träumen nicht einfallen lassen, daß er einmal der führende Wagnerbassist seiner Generation werden würde. In der Familie wurde viel gesungen. Schon mit sechzehn Jahren trat Frick dem örtlichen Gesangverein bei. Als es um die Berufswahl ging, schien den Eltern und ihm selbst ein technischer Beruf das Nächstliegende. So besuchte er drei Jahre lang die Gewerbeschule und wurde anschließend in einer Firma in Mühlacker in die Anfangsgründe des erstrebten Berufs eingewiesen. Die musikalische Betätigung wurde aber immer fortgesetzt. Einer der älteren Brüder hatte nach dem I. Weltkrieg eine (aus sechs Brüdern der Familie gebildete) Blaskapelle gegründet, in der G. Frick das Tenorhorn I blies. Dabei lernte er Notenlesen und Musizieren in einem Ensemble, worin sich der geborene Musikus schnell zurechtfand. „Entdeckt“ wurde er durch einen Zufall: als ein Jagdpächter im Jahre 1926 die bei einer Treibjagd mitwirkenden Vater und Söhne Eugen und Gottlob Frick nach getanem Waidwerk einlud, wurde dabei gesungen. Vater und Söhne waren wie alle Brüder stimmgewaltige Bässe, aber die Stimme des zwanzigjährigen Gottlob trat so hervor, daß der anwesende Verwaltungsdirektor des Stuttgarter Landestheaters Otto Paul ihn zu einem Vorsingen einlud. Nur der Vortrag von „Am Brunnen vor dem Tore“ veranlaßte den Intendanten Albert Kehm, Frick sofort als „Eleven“ im Opernchor einzustellen, und nun hatte er in mehrfacher Hinsicht Glück: Er lernte im Chor der Stuttgarter Oper seine Kollegin Margaretha Beyen kennen, die in 65jähriger Ehe seine treueste Gefährtin und Beraterin wurde. Ausgezeichnete Lehrer führten ihn sowohl in die Gesangskunst – der Bariton Julius Neudörffer-Opitz (1871-1942) – wie in die szenische Darstellung – der Heldentenor Fritz Windgassen (1883-1963), der Vater Wolfgangs – ein. Die Stunden bezahlte Frick aus seiner kleinen Gage als Chorsänger. In sieben Jahren lernte er als Mitglied des Opernchors das Opernrepertoire von der Pike auf kennen, eine der Voraussetzungen für die spätere glanzvolle Karriere. Noch Siegfried Wagner selbst engagierte ihn als Chorbaß für die Bayreuther Festspiele, wo er später Triumphe feiern sollte. Dem kontinuierlichen Aufbau der Laufbahn in Stuttgart schlossen sich erste Solistenjahre an mittleren Bühnen an – Coburg, Freiburg, Königsberg –, und in dem letzteren Opernhaus wurde er 1939 das zweite Mal entdeckt, von dem damals schon berühmten Dirigenten Karl Böhm, der zum großen Mentor Fricks wurde. Böhms unnachsichtiger Strenge, nur wenig gemildert durch seinen wienerischen Charme, verdankte er viel. Ein zweites Mal war es ihm vergönnt, Jahr für Jahr zu wachsen. Bei den Nationalsozialisten stand er nicht in besonderer Gunst: er ist weder in der Liste der „gottbegnadeten“ Künstler zu finden – die nicht zum Wehrdienst eingezogen wurden – noch in jener der Steuerprivilegierten, die 40 % ihrer Einnahmen nicht zu versteuern brauchten. Nach der Schließung der Theater im Jahre 1944 wurde er sogar noch zur Wehrmacht eingezogen; von Fronteinsätzen blieb er verschont. Als sich im Sommer 1945 Mitglieder des Dresdener Ensembles wieder zusammenfanden – unter der Leitung Joseph Keilberths – war Frick von vornherein eine der Säulen des neuen Ensembles. 1950 folgte er einem Ruf an die Berliner Staatsoper, 1953 begann die große internationale Karriere.
Zwanzig Jahre sang er in allen bedeutenden europäischen Musikzentren. Mit Wien, München und Hamburg verknüpften ihn langjährige Verträge, und für Neu-Bayreuth war er einer der wichtigsten Protagonisten. Der Londoner Covent Garden, die Mailänder Scala, die Grand Opera in Paris, die Opernbühnen in Brüssel und Amsterdam luden ihn ein, vor allem seine Wagnerrollen zu singen. In den Jahren zwischen 1950 und 1970 war er der erste Repräsentant des Wagner-Baßfachs. In Salzburg sang er unter Wilhelm Furtwängler den Caspar im Freischütz; der Dirigent nannte ihn den „schwärzesten Baß“, 1962 stand der frühere Waldhüterbub auf der Bühne der Metropolitan Opera in New York und wurde stürmisch gefeiert. Unter allen bedeutenden Dirigenten der Zeit hat er gesungen: neben Furtwängler und Böhm unter Herbert von Karajan, Ferenc Fricsay, Sir Thomas Beecham, Erich Kleiber, Sir Georg Solti, Bruno Walter, Leo Blech. 1970 begann er, sich von der Bühne zurückzuziehen, sang aber noch immer bei gelegentlichen Gastspielen. Er war schon fast 70, als er noch einmal den Parsifal-Gurnemanz gab.
Was war nun das Einmalige in Stimme und Darstellung dieses Sängers? Karl Schumann beschrieb dies am treffendsten: „Die Kraft einer Tuba war in seine Kehle gefahren“. Gleichzeitig zeigte sich die aus dem Gesang herrührende dramatische und komödiantische Ausdruckskraft, in den verschiedensten Rollen, unterstrichen durch seine massige und achtunggebietende Erscheinung. Die Majestas des Verdi-Philipp („Don Carlos“), des „Lohengrin“-Königs und des „Tannhäuser“-Landgrafen, die finstere Dämonie Hagens („Ring“), die grausame Tücke Osmins („Entführung“), die Erhabenheit Sarastros („Zauberflöte“), das ängstliche Beben Roccos („Fidelio“) standen ihm in gleicher Weise zu Gebote wie die drastische Komik des Baculus („Wildschütz“), die Aufgeblasenheit des Bürgermeisters van Bett („Zar und Zimmermann“), die etwas hausbackene Biederkeit des Meisters Staudinger („Waffenschmied“), die lyrische Wärme des Wasserfürsten Kühleborn („Undine“) und die joviale Durchtriebenheit des Kezal („Verkaufte Braut“). Beim „Freischütz“ wunderten sich seine Kollegen des öfteren über die Vertrautheit Fricks mit dem Jägermilieu. Zwei Rollen, die viele gerne von ihm gehört hätten, sang er nicht: vom „Rosenkavalier“-Ochs sagte er, „ich fühle die Rolle nicht“, und auch auf den Hans Sachs verzichtete er, obwohl ihm mit seinem Stimmumfang – zweieinhalb Oktaven – keinerlei Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Riesenrolle entstanden wären. Dafür sang er einen bürgerstolzen Pogner. Gelegentlich leistete er sich Ausflüge in das zeitgenössische Repertoire (Heinrich Sutermeister, „Die Zauberinsel“, 1942, Joseph Haas, „Die Hochzeit des Jobs“, 1944, Carl Orff, „Die Kluge“, 1956), dies blieb aber Episode. Ganz feinhörige Musikkritiker wollen sogar aus seiner Aussprache die schwäbische Mundart herausgehört haben – wenn dies zutreffen sollte, wäre es nur ein weiteres Zeichen für die Heimatverbundenheit des Sängers, der auch während seiner Weltkarriere nie die Verbindung zu seinem Heimatdörfchen verloren hatte. 1957 erwarb er dort ein Waldgrundstück, auf dem er sein Landhaus „Waldfrieden“ baute. Von 1970 an wurde dieses Haus immer mehr zu seinem ständigen Wohnort. Selbstverständlich erwarb er dort auch eine Jagdpacht, in der er der erste Heger und Pfleger des Wilds war. Einem übervollen Lebenstag folgte ein harmonischer Lebensabend in der Stille und Abgeschiedenheit der heimatlichen Wälder.
Hohe Auszeichnungen wurden dem berühmten Sänger zuteil. Die Glücksfälle in seinem Leben dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich der Künstler alles, was er zu bieten hatte – und das war in seinem Fach vielfach das Beste seiner Epoche –, in entsagungsreicher Arbeit selbst erworben hatte.
Quellen: Mitteilungen von Edelgard Säuberlich und Ruth Wessel, Ölbronn-Dürrn
Nachweis: Bildnachweise: in: Joh. Haßpacher, Chronik von Ölbronn (Literatur)

Literatur: Hans Schnoor, Dresden, Vierhundert Jahre Deutsche Musikkultur, o. J. (ca. 1948); Hans Schnoor/Karl Laux/Irmgard Becker-Glauch, Stichwort Dresden, in: MGG 7, Sp. 757-794, 1954; Gottlob Frick, in: K. J. Kutsch/Leo Riemens, Unvergängliche Stimmen, Sängerlexikon, 1975; Karl Laux, Nachklang, Rückschau auf sechs Jahrzehnte kulturellen Wirkens, 1977; Gottlob Frick, in: Horst Seeger, Das große Lexikon der Oper, 1978; Gottlob Frick, in: Harold Rosenstiel und John Warren, The Concise Oxford Dictionary of Opera, 2. Aufl. 1979; Fred K. Prieberg, Musik im NS-Staat, 1982; Gottlob Frick, in: Jürgen Kesting, Die großen Sänger, 1986; Oliver Rathkolb, Führertreu und gottbegnadet, Künstlereliten im Dritten Reich, 1991; Joh. Haßpacher, Chronik von Ölbronn, 1992; Gottlob Frick, in: Alain Paris, Lexikon der Interpreten klassischer Musik im 20. Jahrhundert, 1992, LB 8
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