Oechsler, Joseph 

Geburtsdatum/-ort: 28.03.1885;  Kirrlach
Sterbedatum/-ort: 23.01.1975;  Freiburg i. Br.
Beruf/Funktion:
  • Dompräbendar, Superior, Pfarrer von St. Martin in Freiburg i. Br.
Kurzbiografie: 1899-1901 Fabrikarbeit
1907 Abitur Rastatt
1907-1911 Studium Theologie Freiburg und St. Peter
1911 Priesterweihe St. Peter
1911-1913 Vikar Karlsruhe-St. Bonifatius
1913-1914 Kooperator Freiburg-St. Martin
1914-1915 Studium Philosophie Rom
1915-1918 Diözesan-Missionar am Erzbischöflichen Missionsinstitut Freiburg
1918-1923 Spiritual am Theologischen Konvikt in Freiburg
1923-1934 Dompräbendar Freiburg
1925 Mitgründung der St. Elisabeth-Schwesternschaft in Freiburg; deren Superior bis 1970
1934-1956 Pfarrer Freiburg-St. Martin
1941 Erzbischöflicher Geistlicher Rat ad honorem
1965 Bundesverdienstkreuz I. Klasse
1971 Ehrenbürger Kirrlach
Weitere Angaben zur Person: Religion: römisch-katholisch
Eltern: Vater: Karl Friedrich Oechsler, Landwirt
Mutter: Katharina, geb. Sand
Geschwister: Philipp, Hermann, Anna, Karl
GND-ID: GND/126596263

Biografie: Hans-Josef Wollasch (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 1 (1994), 257-259

Materiell waren es ausgesprochen ärmliche Verhältnisse, in denen Oechsler als Zweitältester mit seinen Geschwistern aufwuchs. So mußte er nach Beendigung der Volksschulzeit als Vierzehnjähriger in einer Fabrik am Ort Zigarren wickeln, neun Stunden täglich für einen Wochenlohn von neun bis zehn Mark; vor Aufnahme des Studiums ließ er sich und den unversorgten Geschwistern vom Gemeinderat Kirrlach einen „Dürftigkeits-Nachweis“ ausstellen. Geistig aber hat er aus dieser Arbeits- und Lernzeit fruchtbringende Einsichten gewonnen. In der Fabrik kam er zu dem Entschluß, sich für die Seelsorge ausbilden zu lassen, gegen das Echo seiner Umgebung, er sei arbeitsscheu und gehöre in die Nervenheilanstalt. Mit Hilfe eines geistlichen Vetters, Pfarrer Lorenz Oechsler in Konstanz, holte Oechsler in Privatunterricht die Anfangsjahre des Gymnasiums nach, besuchte die Lendersche Schule in Sasbach und das Gymnasium in Rastatt, wo er 1907 das Abitur bestand. Zum Theologiestudium ging er nach Freiburg an das Theologische Konvikt „Collegium Borromaeum“, dessen Rektor Jakob Bilz ihm ein väterlicher Freund wurde, und in das Priesterseminar St. Peter im Schwarzwald, wo er am 5. Juli 1911 die Priesterweihe erhielt.
Gleich die erste Vikarstelle, St. Bonifatius in Karlsruhe, zog den Neupriester Oechsler in das „Großstadtseelsorgegetriebe“, was ihm nach eigenem Verspüren und nach der höchst anerkennenden Beurteilung durch Pfarrer Andreas Link alle Kraft abforderte. Und doch wurde er gerade durch sein Sich-Engagieren hier so heimisch, daß er es als „keine Freudenbotschaft“ empfand, als er nach 2 Jahren, im Juni 1913, an die Freiburger St. Martins-Pfarrei versetzt wurde, als jüngster und letzter Kooperator des Pfarrers Heinrich Hansjakob. Neben der Mitarbeit in der eigentlichen Seelsorge unterstützte er auch die katholische Vereinstätigkeit – Arbeiterverein, Elisabethverein –, lernte dabei Mathilde Otto kennen, die er als Beichtvater und Förderer ihrer familienpflegerischen Aktivitäten ein Leben lang begleiten sollte.
Bei Kriegsausbruch 1914 ließ sich Oechsler auf Anraten der Kirchenbehörde Krankheitsurlaub vom Militär geben und ging zum Studium der Philosophie an die Gregoriana nach Rom, ein knappes Jahr, das ihm dennoch „ein unschätzbarer Gewinn“ war. Anfang Mai 1915 wurde er Diözesan-Missionar am Erzbischöflichen Missionsinstitut in Freiburg, hielt Exerzitien und religiöse Wochen für alle Stände in den Städten Badens. Im Dezember 1918 schloß sich eine neue Aufgabe an: Spiritual am „Collegium Borromaeum“, Wegeleitung für viele Priesteramtskandidaten, vor allem für die heimkehrenden Kriegstheologen; fünf Jahre, die Oechsler „zu den schönsten meines priesterlichen Lebens“ rechnete.
Der 1923 zum Dompräbendar Ernannte konnte sich einen eigenen Hausstand leisten, in welchem er auch Mutter und Schwester versorgen konnte. Zur Mitwirkung in der ordentlichen Seelsorge am Münster nebst Religionsunterricht kam das Amt des Zeremoniars auf den anstrengenden Firmungs- und Konsekrationsreisen mit Weihbischof Wilhelm Burger. Ein alles überlagerndes Anliegen jedoch war ihm in dieser Phase die Verdichtung und Stärkung sozialcaritativer Einrichtungen und Hilfeangebote in Freiburg. Oechsler war Bezirkspräses des im Stadtbereich 600 Mitglieder zählenden Vereins katholischer Hausgehilfinnen; er leitete und erweiterte das Altersheim Marienhaus, die Haushaltsschule St. Agnes, das neuerworbene Notburgaheim, das 1929 z. B. 1 400 Stellung suchenden Mädchen Unterkunft und Beratung bot; er arbeitete als geistlicher Beirat im Katholischen Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder mit, der im genannten Jahr über 1 300 Gefährdete betreute, u. a. in einem eigenen Obdachlosenheim sowie im Augustinusheim für alleinstehende Mütter mit Kindern, das auf 140 Betten erweitert wurde; und ebenfalls 1929 richtete er mit Mathilde Otto ein „Wöchnerinnenheim für mittellose Mütter des Mittelstandes und des Arbeiterstandes“ ein, angegliedert an das Mutterhaus der St. Elisabeth-Schwesternschaft, die von beiden an Weihnachten 1925 ins Leben gerufen worden war (Oechsler war Spiritual und ab 1937 Superior der Schwesternschaft).
„Ein Auge für die Not und der starke Drang, einer bekannten Not nach Kräften zu steuern“ – so sah der Seelsorger Oechsler rückschauend den Beweggrund für seine 11 Jahre überspannende sozialcaritative Tätigkeit als Dompräbendar. Die ehrende Ernennung zum Geistlichen Rat (21. November 1941) durch Erzbischof Conrad Gröber fußte denn auch weniger auf 30 Dienstjahren als auf den skizzierten getanen Diensten.
Nachdem Oechsler aus Rücksicht auf die schwere Krankheit Mathilde Ottos und die Entwicklung der St. Elisabeth-Schwesternschaft auf die ihn sehr lockende Übernahme der Pfarrei St. Bonifatius in Karlsruhe verzichtet hatte, wurde er am 22. Januar 1934 zum Pfarrer von Freiburg-St. Martin bestellt.
Er, der sich grundsätzlich nie um Stellen beworben, sondern stets die Entscheidung der Kirchenbehörde abgewartet und angenommen hatte, hatte in diesem Falle auf Geheiß des Erzbischofs um diesen Posten eingegeben. Er übernahm nun, assistiert von drei Kooperatoren, die älteste und größte Pfarrei Freiburgs (rund 10 000 Katholiken). Er wurde zum rastlosen und lenkenden Förderer der caritativen Einrichtungen und Vereine in der Gemeinde, vor allem aber ein Seelsorger von unerschöpflicher Güte und Hilfsbereitschaft. Gerade diese Eigenschaften brauchte er in vielfachem Maße, als die Bombennacht des Luftangriffs vom 27. November 1944 etwa 1100 Gemeindemitgliedern den Tod brachte und Kirche, Pfarrhaus, Gemeindehaus in Trümmer legte. Mit Beharrlichkeit und Zuversicht sammelte Pfarrer Oechsler die zersprengte Gemeinde, bewirkte über vielerlei Provisorien hinweg den Wiederaufbau der alten Pfarrkirche (1951), ebenso des Pfarrkindergartens, schließlich des Pfarrhauses. Und erst danach, zum 1. Oktober 1956, gab er die Führung der Pfarrei in jüngere Hände. Seine zweite Aufgabe, die des Superiors und geistlichen Beraters der Schwesternschaft St. Elisabeth, nahm er noch bis ins 85. Lebensjahr wahr.
Oechsler war ein vorbildlicher Priester, von gemütvollem, „beinahe zu ruhigem Naturell“, mit einer Neigung zu einer etwas umständlichen Feierlichkeit. Aber darüber hinaus war er ein Seelsorger von grenzenlosem Eifer, Klugheit und Korrektheit, von ausgleichendem Wesen; ausgestattet mit einem angenehmen Organ in Sprache und Gesang, obwohl seit Jugendzeiten von katarrhbedingten Stimmbeeinträchtigungen bedroht; ein beliebter Exerzitienmeister und viel gefragter Beichtvater; im katholischen Vereinswesen und auf sozialcaritativem Felde praktisch-organisatorisch begabt, ein einsichtiger, zupackender Helfer. „Hat zwei Ämter: Pfarrer und Superior“ – diese Bewertung vom Jahre 1937 deutet die Pole an, zwischen denen Oechsler als ein hingebender und frommer Geistlicher seine Kraft verbraucht hat. Am 27. Januar 1975 fand er auf dem Freiburger Hauptfriedhof, auf dem Gräberfeld der St. Elisabethschwestern, neben der Gründerin Mathilde Otto, seine letzte Ruhestätte.
Quellen: Briefwechsel und Predigtskizzen; Kurze Geschichte der Schwesternschaft St. Elisabeth. Oberachern 29. III. 1952; Kurze Selbstbiographie, undatiert [1953 ff.] – alles im Archiv der Schwesternschaft St. Elisabeth, Freiburg; Personalakte im EAF; Archiv des DCV CA I 186
Werke: Zum 150jährigen Jubiläum der Pfarrei St. Martin Freiburg i. Br. 1785-1935, hg. vom Erzbischöflichen Pfarramt St. Martin [Joseph Oechsler], Freiburg o. J. [1935]; Die Geschichte des Wiederaufbaues von Sankt Martin zu Freiburg i. Br., Freiburg 1957; Ein reich erfülltes Leben im Dienste der Familie. Mathilde Otto und ihr Werk, Freiburg 1963
Nachweis: Bildnachweise: Archiv der Schwesternschaft St. Elisabeth, Freiburg; Archiv des DCV

Literatur: Max Müller, In memoriam Joseph Oechsler, in: Hansjakob-Jahrbuch V, 1975, 132 f. – Necrologium Friburgense, in: FDA 97 (1977), 547 ff.
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