Brachat, Karl 

Geburtsdatum/-ort: 24.04.1901;  Gailingen/Kreis Konstanz
Sterbedatum/-ort: 25.05.1971;  Villingen
Beruf/Funktion:
  • Oberschulrat, CDU-Kulturpolitiker
Kurzbiografie: 1907-1912 Volksschule in Gailingen Klasse 1-5
1912-1917 Realschule in Singen a. H. Quinta bis Untersekunda
1917-1920 Lehrerseminar in Ettlingen
1921-1930 Hilfs- bzw. Unterlehrer
1925-1927 Studienurlaub
1930 Hauptlehrer in Niederrimsingen/Kreis Freiburg
1933-1949 Haupt- und Oberlehrer in Pfaffenweiler, Kreis Villingen
1941-1945 Kriegsteilnehmer
1949-1961 Rektor, Schulrat und Oberschulrat in Villingen
1949 Kreisvorsitzender der CDU in Villingen
1952-1953 Mitglied der Verfassunggebenden Landesversammlung Baden-Württemberg
1953-1971 Mitglied des Landtags für den Wahlkreis Villingen
1956-1971 Vorsitzender des Kulturpolitischen Ausschusses des Landtags
1963 Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
1971 Ehrenbürger der Stadt Villingen
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: Lydia, geb. Hößle aus Niederrimsingen/Kreis Freiburg
Eltern: Vater: Augustin Brachat, Oberlehrer in Gailingen
Mutter: Karoline, geb. Rohrer
Geschwister: 3, Stiefgeschwister 10
Kinder: keine
GND-ID: GND/128203390

Biografie: Renate Liessem-Breinlinger (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 2 (1987), 46-48

Brachat „hat sich für die kulturellen und schulischen Belange des Landes tatkräftig eingesetzt“. So lautet ein Satz aus der Pressemitteilung des Staatsministeriums anläßlich der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an ihn. Es folgt eine Liste der schulpolitischen Errungenschaften der 50er und der reformfreudigen 60er Jahre, an deren Zustandekommen er maßgeblich mitgewirkt hat: das Lehrerbildungsgesetz von 1958, das zur Schaffung der Pädagogischen Hochschulen führte, die Einführung des neunten Schuljahres, der Ausbau des zweiten Bildungsweges und das 6. baden-württembergische Besoldungsänderungsgesetz von 1965, das als Kernstück die Anhebung der Volksschullehrerstellen enthält. Ein Anliegen war Brachat auch das Sonderschulwesen. Sein letzter großer Antrag im Landtag galt dem Hausunterricht für dauernd Schulunfähige und längerfristig Behinderte.
Brachat wurde in Gailingen am Bodensee als Lehrersohn geboren. 1921 trat er als Zwanzigjähriger selbst in den badischen Schuldienst ein nach der Mittleren Reife und drei Jahren Seminarausbildung. Wie damals üblich, wurde er als Junglehrer mehrfach versetzt. Konstanz, Ilmensee/Kreis Pfullendorf, Kenzingen und Denzlingen/Kreis Emmendingen waren seine Stationen, bis er sich 1925 auf zwei Jahre zu Studien in Freiburg und Göttingen (Mathematik, Philosophie und Pädagogik) beurlauben ließ. 1927 nahm er in Niederrimsingen/Kreis Freiburg den Volksschuldienst wieder auf. Hier wurde er 1930 Hauptlehrer. Im gleichen Jahr heiratete er auch.
Seit 1927 war Brachat Mitglied der Zentrumspartei. Er gehörte zu einem Kreis engagierter junger Leute um den Prälaten Schofer, zur sogenannten Schoferschar, betätigte sich als Parteiredner und trat auch als Diskussionsredner in Versammlungen der NSDAP auf. Im Juni 1933 kam es zu einem Zwischenfall: Nach einer Rede in Niederrimsingen, in der er die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Regierung Hitler geäußert hatte, wurde er von SA-Leuten offenbar in rüder Weise abgeholt, nach Freiburg verbracht und dort kurzfristig festgehalten. Die NS-Zeitung „Der Alemanne“ berichtete am 9. Juni 1933 über Brachats Rede unter der Überschrift „Schwarze Hetzereien“ mit dem Schlußsatz: „Es ist höchste Zeit, daß dieser Lehrer aus unserem Dorf verschwindet.“ Die Schulbehörde erwog eine „Versetzung ohne Unkostenvergütung wegen politischer Betätigung“ nach Unterbiederbach, Kreis Waldkirch, wies ihm dann aber Pfaffenweiler, Kreis Villingen, als neuen Dienstort zu. Hier, wo ihn damals niemand kannte, ging er in die „innere Emigration“, wie es sein langjähriger Weggenosse, der SPD-Abgeordnete Herbert Holzhauer formuliert.
Wie bei den meisten Lehrern jener Zeit ergab es sich im Lauf der 30er Jahre, daß Brachat Angehöriger etlicher Gliederungen der NSDAP wie z. B. des NS-Lehrerbundes und der NS-Volkswohlfahrt wurde. Auch den Masseneintritt in die Partei 1937 hat er mitgemacht. Nach dem Kriege, den er als Soldat erlebt hat, widmete er sich aktiv dem Aufbau demokratischen Lebens. Er war im katholischen Männerwerk tätig. Von 1946 an war er Mitglied der Christlich-sozialen Volkspartei, wie die südbadische CDU vor 1947 hieß. 1949 wurde er CDU-Kreisvorsitzender in Villingen. Er gehörte auch zu den maßgeblichen Initiatoren der 1949 gegründeten Kreisorganisation des Siedlungswerkes der Erzdiözese Freiburg, der „Neuen Heimat“, die in jüngster Zeit (1982) in „Familien-gemeinnützige Baugesellschaft“ umbenannt wurde. Er gehörte dem dreiköpfigen Vorstand an.
1952 wurde Brachat in die Verfassunggebende Versammlung des Landes Baden-Württemberg gewählt, aus der 1953 der Landtag hervorging. Er war Verfechter des Südweststaates und nicht „Altbadener“, da er die Landesgrenze zwischen dem badischen Villingen und dem württembergischen Schwenningen immer als hinderlich empfunden hatte. Schulpolitisch vertrat er die in Baden seit 1876 verwirklichte Simultanschule, was ihn in den schulpolitischen Debatten bis zum Schulgesetz 1967, das die Simultanschule endgültig für das ganze Land einführte, oft in Gegensatz zu konservativen Kräften in seiner eigenen Partei brachte. Von 1956 bis zu seinem Tode 1971 war Brachat Vorsitzender des Kulturpolitischen Ausschusses des Landtags, angesichts der Kulturhoheit der Länder und der wichtigen schulpolitischen Entscheidungen, die anstanden, eine Aufgabe von beachtlichem Gewicht. Es gelang ihm immer wieder, die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Fraktionen zu überbrücken. Sein SPD-Kollege Holzhauer, der gleichfalls an der Kulturpolitik interessiert war, erinnert sich anerkennend an Brachats Fähigkeit, die Argumente anderer zu hören und die eigene Meinung gegebenenfalls zu revidieren. Bei Charakterisierungen Brachats durch Zeitgenossen tauchen regelmäßig Wendungen wie liberal, tolerant, lauter, uneigennützig, volksverbunden oder von gewinnender Herzlichkeit auf. In diese Richtung weist auch die Würdigung des Landtagspräsidenten Camill Wurz am 24. Juni im Parlament, kurz nach Brachats Tod 1971: „Im übrigen beruhte die Wirkung, die von seiner Persönlichkeit ausging, weniger auf den von ihm wahrgenommenen Funktionen als vielmehr auf der Ausstrahlungskraft einer in sich ruhenden überlegenen Persönlichkeit.“ (Prot. Bd. VII, 6311).
Quellen: Auf Presseartikeln beruhende Persönlichkeitsdokumentation des LandtagsA über K. Brachat, Kopien im StAF, Personalakten K. Brachat, 2. Faszikel, StAF.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos in Q.

Literatur: Amtsblatt Kultus und Unterricht Nr. 3, 1960, 47 (nichtamtlicher Teil): „Wir stellen vor: Rektor K. Brachat MdL, Vorsitzender des Kulturpolitischen Ausschusses.“; Helmut Heinrich, Ansprache zu K. Brachats 65. Geburtstag. Masch.schr. K. Brachats Personalakten beigefügt.
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