Klaiber, Rudolf 

Geburtsdatum/-ort: 30.05.1873;  Künzelsau
Sterbedatum/-ort: 08.06.1957;  Stuttgart
Beruf/Funktion:
  • Verwaltungsjurist, Polizeifachmann
Kurzbiografie: 1882-1891 Lyceum Ludwigsburg und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Stuttgart. Abitur
1891-1895 Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen und Berlin. Staatsprüfungen 1895 und 1897
1896-1910 Regierungsreferendar und -assessor bei württembergischen Oberämtern
1897-1912 Einjährig-Freiwilliger und Reserveoffizier im Grenadier-Regiment 119
1910-1923 Dozent für öffentliches Recht an der TH Stuttgart
1911-1913 Amtmann und Oberamtmann, Stellvertreter des Stadtdirektors in Stuttgart
1914-1922 Leiter der Königlich Württembergischen Landespolizeizentralstelle, ab 1917 als Landespolizeiamt bezeichnet
1917-1918 Leiter der militärischen Zentralpolizeistelle Württemberg als Hauptmann der Reserve
1919-1922 Vorstand des Landespolizeiamts
1920 Ernennung zum Oberregierungsrat
1923 Ehrensenator der TH Stuttgart
1923-1938 Polizeipräsident in Stuttgart und Leiter des Württembergischen Landeskriminalpolizeiamts
1923-1938 Mitglied der Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission
1931-1935 Preisüberwachungskommissar für Württemberg
1936-1938 Mitglied des Strafprozeßausschusses der Akademie für Deutsches Recht
1938-1945 Kreisführer des Roten Kreuzes in Stuttgart
Weitere Angaben zur Person: Religion: evangelisch
Verheiratet: 1899 Stuttgart, Gertrud, geb. Camerer (1875-1956)
Eltern: Gustav Ludwig Klaiber (1829-1912), Oberamtmann, später Stadtdirektor in Stuttgart
Berta, geb. Glock (1852-1911)
Geschwister: 3
Kinder: 2
GND-ID: GND/129435260

Biografie: Friedrich Wilhelm (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 2 (1999), 268-270

Mit der Übertragung des Polizeireferats bei der Stadtdirektion Stuttgart war dem damaligen Oberamtmann Klaiber schon 1911 der Weg für seine eigentliche Lebensaufgabe gewiesen worden. Von dem bekannten bayerischen Kriminalisten Regierungsassessor Dr. Harster mit den Münchener Einrichtungen des kriminalistischen Erkennungsdienstes vertraut gemacht, konnte Klaiber im November 1914 die Position des Amtsvorstands der kurz vor Ausbruch des Weltkriegs geschaffenen „Königlich Württembergischen Landespolizeizentralstelle“ antreten.
Die neue Polizeianstalt konzentrierte sich auf die Fortentwicklung der erkennungsdienstlichen Methodik. Als im Verlauf des Krieges die Spionageabwehr und der Schutz kriegswichtiger Einrichtungen in den Vordergrund traten, wurde zum 1. April 1917 eine „Militärische Zentralpolizeistelle“ errichtet, deren Leitung ebenfalls Regierungsrat Klaiber als Reserveoffizier in Personalunion übertragen bekam. Um Verwechslungen auszuschließen, nahm die zivile Behörde von diesem Zeitpunkt an die Bezeichnung „Landespolizeiamt“ an.
Mit Kriegsende wurde die Zentralpolizeistelle aufgelöst. Das Landespolizeiamt erhielt erweiterte Kompetenzen, doch blieb die personelle Kontinuität gewahrt; sein Vorstand Klaiber wurde mit Wirkung vom 1. April 1920 zum Oberregierungsrat ernannt.
Schon im Juli 1919 hatte er in einer Denkschrift die Vereinheitlichung der württembergischen Polizei empfohlen, die in Zukunft aus drei Gliedern bestehen sollte: einer Sicherheitstruppe, dem Landjägerkorps und dem Landeskriminalpolizeiamt.
Das württembergische Gesetz über die staatliche Polizeiverwaltung vom 16. Dezember 1921 sah die Bildung des Polizeipräsidiums Stuttgart aus dem Landespolizeiamt, der Stadtdirektion Stuttgart und der Städtischen Polizeidirektion Stuttgart vor.
Um die Person des Polizeipräsidenten entbrannte in der Linkspresse zwar eine heiße Diskussion, doch konnte der durch sein erfolgreiches Wirken bei der Leitung des Landespolizeiamts im In- und Ausland anerkannte Fachmann Klaiber nicht umgangen werden.
In Würdigung seiner 14 Jahre lang ausgeübten Vorlesungstätigkeit über Verwaltungs- und Staatsrecht, die er mit seinem Amtsantritt beendete, ernannte ihn die TH Stuttgart im gleichen Jahr zum Ehrensenator.
Nach der Ermordung eines Kriminalbeamten durch einen kommunistischen Funktionär im November 1923 war die Stuttgarter Polizei verständlicherweise intensiv bemüht, politische Gewalttäter jeglicher Couleur aufzuspüren und dingfest zu machen. So gelang ihr im Jahr 1924 die Festnahme einer ganzen kommunistischen Terrorgruppe aus Berlin auf einen Schlag.
Dank des Ansehens, das die Stuttgarter Kriminalpolizei aufgrund ihrer Erfolge auch im Ausland genoß, wurde Klaiber in die 1923 in Wien gegründete „Internationale Kriminalpolizeiliche Kommission“ berufen.
Durch die von der Interalliierten Militärkontrollkommission verlangte Aufhebung der zentralen Leitung der kasernierten Bereitschaftspolizei und deren Unterstellung unter die örtlichen Polizeileiter gewann die Position des Stuttgarter Polizeipräsidenten im Jahr 1926 erheblich an Bedeutung.
In den politisch bewegten Zeiten der Weimarer Republik konnte es nicht ausbleiben, daß der für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einer Großstadt verantwortliche Polizeichef immer wieder Angriffen ausgesetzt war. Die sozialdemokratische Landtagsfraktion hatte im Frühjahr 1931 auf der Einberufung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses bestanden, der das angeblich einseitige Vorgehen der Stuttgarter Polizei gegen die Sozialdemokraten beweisen sollte. Die Vorwürfe gegen den Polizeipräsidenten konnten im Februar 1932 abschließend jedoch als unbegründet zurückgewiesen werden.
Auf dem Gebiet des Verkehrswesens hat der Polizeipräsident schon in den frühen dreißiger Jahren neue Wege beschritten: Mit der Verhängung eines generellen Hupverbots ging er sehr erfolgreich gegen den Verkehrslärm vor. Stuttgart galt lange Zeit als einzige „hupfreie“ Stadt Deutschlands.
Im Sommer des Jahres 1931 war Klaiber vom Reichskommissar für die Preisüberwachung, dem Leipziger Oberbürgermeister Dr. Goerdeler, zu seinem Beauftragten für Württemberg bestellt worden. Der bald nach dem Machtantritt Hitlers, am 8. März 1933, von Reichsinnenminister Dr. Frick als Reichskommissar für das Polizeiwesen des Landes Württemberg eingesetzte SA-Gruppenführer von Jagow ersuchte zwar den Stuttgarter Polizeipräsidenten, sein Amt weiterzuführen, doch mußte dieser bereits Ende April die Herauslösung der politischen Polizei aus seiner Behörde hinnehmen. Obwohl der Polizeipräsident noch vor der zum 1. Mai 1933 verhängten Aufnahmesperre der NSDAP beigetreten war, veranlaßte er keinen seiner Mitarbeiter zu diesem Schritt. Im Gegenteil: Er zögerte nicht, andernorts der Partei mißliebig gewordene Polizeiamtsvorstände in sein Amt aufzunehmen und über von Parteifunktionären angegriffene Mitarbeiter seine schützende Hand zu halten. Bis zu seiner Zurruhesetzung im Jahr 1938 wurde ihm kein SA- oder SS-Rang angetragen. Im Ruhestand widmete er sich als ehrenamtlicher Leiter des Kreisverbands Stuttgart des Roten Kreuzes noch sozialen Aufgaben.
In den Jahren seines Wirkens hat sich Polizeipräsident Klaiber ausgiebig als Fachschriftsteller betätigt. Zahlreiche Veröffentlichungen über polizeiliche Organisationsfragen in juristischen („Der Gerichtssaal“) und kriminalistischen („Kriminalistische Monatshefte“) Zeitschriften wie auch erhalten gebliebene Vortragsmanuskripte zeugen von seinem überragenden Sachverstand.
Sein Verbleiben im Amt unter dem nationalsozialistischen Regime wurde dem Polizeipräsidenten von mancher Seite zum Vorwurf gemacht. Von dem Willen durchdrungen, rechtsstaatliche Grundsätze auch gegen den Widerstand örtlicher Parteiführer durchzusetzen, hat er aber ohne Zweifel manch radikale Entwicklung zu verhüten vermocht. In seinem Spruchkammerverfahren wurden denn auch keine Tatsachen vorgebracht, die den Verdacht einer Unterstützung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft hätten erwecken können. Es fand mit der Einstufung als „Mitläufer“ im Dezember 1948 seinen Abschluß.
Polizeipräsident Klaiber war in der Zeit der Weimarer Republik und in den ersten Jahren des „Dritten Reiches“ die markanteste Persönlichkeit innerhalb der württembergischen Polizei.
Quellen: HStAS Nachlaß Rudolf Klaiber, Rep. Q 1/50
Werke: Die 5. Tagung der Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission, in: Kriminalistische Monatshefte, Zeitschrift für die gesamte kriminalistische Wissenschaft und Praxis, 2. Jg. (1928), 218; Die internationale Zusammenarbeit im Kampfe gegen das Verbrechertum, in: ebd. 9. Jg. (1933), 2; Internationale kriminalpolizeiliche Verbrechensbekämpfung, in: Der Gerichtssaal, Zeitschrift für Zivil- und Militär-Strafrecht und Strafprozeßrecht sowie die ergänzenden Disziplinen, Band 106 (1935), Heft 4/5; Ausbildung der Kriminalpolizeibeamten, in: ebd., Band 108 (1936), Heft 5/6; Neuordnung der deutschen Kriminalpolizei, in: ebd., Band 110 (1937), Heft 3/5
Nachweis: Bildnachweise: Zahlreiche Fotografien im Nachlaß (Bestand Q 1/50 HStS)

Literatur: Martin Fetzer, Biographie eines Polizeipräsidenten. Erinnerungen an Rudolf Klaiber zum hundertsten Geburtstag, in: Staatsanzeiger für Württemberg Nr. 43/44 vom 30.05.1973
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