Matzerath, Otto Paul 

Geburtsdatum/-ort: 26.10.1914; Düsseldorf
Sterbedatum/-ort: 21.11.1963; Zama bei Tokyo (Japan)
Beruf/Funktion:
  • Dirigent
Kurzbiografie: 1934 Abitur am Humanistischen Gymnasium Düsseldorf, 28. 11. 1934 Abschlußprüfung (Klavier, Geige)
am Butz-Neitzel-Konservatorium Düsseldorf
1935 Korrepetitor am Stadttheater Mönchengladbach
1936/37 Korrepetitor/Kapellmeister am Stadttheater Krefeld
1937/40 Musikalischer Oberleiter am Stadttheater Würzburg
1940/45 Musikalischer Oberleiter am Badischen Staatstheater Karlsruhe
1941 Erste Einberufung zur Wehrmacht, Freistellung auf Betreiben Wilhelm Furtwänglers; neben der Tätigkeit in Karlsruhe Gastspiele in Berlin (Philharmoniker), Dresden, Venedig, Budapest
1944 (9. 7.) Letztes Dirigat am Theater am Schloßplatz („Figaros Hochzeit“)
1944 (27. 9.) Zerstörung des Theaters; zweite Einberufung zur Wehrmacht
1945 (Frühjahr) Kriegsgefangenschaft, Juli 1945 Flucht nach Karlsruhe, Wiederaufnahme der Tätigkeit am Badischen Staatstheater
1945 (31. 8.) Erstes Symphoniekonzert im Konzerthaus
1945-1955 Generalmusikdirektor (9. 9. 1946-1. 1. 1947 und 30. 10. 1947-17. 8. 1948 kommissarischer Intendant)
1947 Ehrenbürger der Technischen Hochschule Karlsruhe
1949 (5. 7.) Gastspiel in Paris, in den folgenden Jahren zahlreiche Gastspiele im In- und Ausland
1955 Chefdirigent des Symphonieorchesters des Hessischen Rundfunks in Frankfurt
1962 Chefdirigent des Türkischen Staatsorchesters in Ankara
1963 Chefdirigent des Yomiuri Nippon Symphonieorchesters in Tokyo
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1944 Lore Matzerath, geb. Bohner
Eltern: Vater: Josef Matzerath, Bankangestellter
Mutter: Anna Matzerath, geb. Garding
Geschwister: 2
Kinder: 5
GND-ID: GND/131353616

Biografie: Horst Ferdinand (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 180-181

„Man steht halt 'nauf und kann's“ – Felix Mottl, einer der großen Vorgänger Matzeraths in Karlsruhe, hat dieses Wort geprägt, und es kann auch als Lebensmaxime von Matzerath selbst gelten. Dem Gymnasiasten fliegt die Musik nur so zu; schon als Sechzehnjähriger kann er die Aufführung einer Schuloper („Der Jasager“ von Brecht/Weill) leiten. Allerdings wird der Abiturient „nur mit Bedenken und auf eigene Verantwortung“ zu der staatlichen Privatmusiklehrerprüfung zugelassen, da er „den größten Teil seiner Ausbildung ... während der Schulzeit erledigt“ habe. Ergebnis der Prüfung: „Mit Auszeichnung bestanden.“
Der geradlinige Weg des Hochtalentierten führt jedoch ans Dirigentenpult. Auf Anfängerengagements im Rheinland folgt eine erste verantwortliche Kapellmeisterstellung in Würzburg. Dort erwirbt sich der junge Dirigent, der Orchester und Sänger „mit Feuer und mit Bedacht zugleich“ zu lenken weiß, schnell hohes Ansehen. Die ehrenvolle Berufung des 26jährigen nach Karlsruhe als Nachfolger Joseph Keilberths markiert den Beginn seines eigentlichen Lebenswerks. Trotz der Kriegsereignisse floriert das von Matzerath neu inspirierte Karlsruher Musikleben, getragen von einem hochleistungsfähigen Orchester, der Badischen Staatskapelle, und einem überdurchschnittlichen Sängerensemble, bis das Theater am Schloßplatz, eines der schönsten in Deutschland, im Jahre 1944 in Schutt und Asche sinkt.
Nach schlimmen Kriegs- und Gefangenschaftsmonaten stürzt sich Matzerath in den Wiederaufbau. Jetzt erst, 1945, wird er Generalmusikdirektor (der jüngste Deutschlands) – eine Würde, die die NS-Machthaber dem Nicht-Parteigänger und „militanten Katholiken“, als den ihn seine Frau beschreibt, vorenthielten. Aus den Ruinen erblüht neues musikalisches Leben; neue Talente mit später berühmten Namen – Erika Köth, Marcel Cordes – erleben unter Matzerath ihren Durchbruch auf den weltbedeutenden Brettern. Matzerath leitet am 26. 3. 1949 das erste Auslandsgastspiel einer deutschen Bühne nach dem Krieg („Fidelio“ in Basel, mit Paula Baumann in der Titelrolle) und erzielt, unter den schwierigen Nachkriegsverhältnissen, Leistungen so hohen Ranges, daß sich auf diese Periode der Karlsruher Musikgeschichte das Brahms-Wort aus der Mottl-Zeit anwenden läßt, wonach „ein anständiger Mensch schon wegen des klassischen Repertoires alljährlich einige Monate in Karlsruhe bleiben müsse“. Matzerath zeichnet in zehn Jahren für 90 Opernproduktionen verantwortlich; die Hälfte davon leitet er persönlich. Das Symphoniekonzertprogramm ist ähnlich umfangreich und anspruchsvoll.
Mit Überraschung und Bedauern wird im Jahre 1955 in Karlsruhe der Wechsel Matzeraths nach Frankfurt aufgenommen. Aber auch Keilberth und Mottl hatten sich nach langen Karlsruher Jahren größeren Aufgaben gestellt. Glänzende Erfolge während der siebenjährigen Tätigkeit in Frankfurt bestätigen die Richtigkeit des Entschlusses zum Wechsel. Einem Zwischenspiel in Ankara folgt die mit vielen Erwartungen verbundene Übernahme des Chefpostens im fernen Tokyo – da zerstört eine heimtücksiche Infektion alle Hoffnungen. Matzerath stirbt in Japan; in Karlsruhe wird er beigesetzt.
Matzerath war ein „kompromißloser Wahrheitsfanatiker mit geradezu kämpferischer Zivilcourage“ (Lore Matzerath), aber auch ein treuer Freund und Pater familias. Als Dirigent war er – erstaunlicherweise – Autodidakt, keines Meisters Schüler. Sicher hatte er Vorbilder, und sicher gehörte Furtwängler zu ihnen; aber seiner geschlossenen, integren Persönlichkeit war die Rolle der Zentralkraft des Orchesters wie angeboren, ohne daß er, bei aller Souveränität der musikalischen Direktion, mit eigenem Geltungsanspruch hervortrat. Seine frisch zupackende Art, die „blitzsaubere Stabtechnik“ (H. H. Stuckenschmidt) wurden von der Kritik gerühmt. Sein Temperament loderte in der Musik, und er verstand es intuitiv, dies auf Sänger, Orchester und Auditorium zu übertragen. Dabei blieb er stets beherrscht und gezügelt, der „inkarnierte Rhythmus“. Er war berufen, das große Erbe der Furtwängler, Knappertsbusch, Böhm anzutreten; ein tragischer allzufrüher Tod hat dies vereitelt.
Werke: Schallplatten u. a. bei Elektrola, Deutsche Grammophon.
Nachweis: Bildnachweise: in Karlsruhe 1945 (s. o.).

Literatur: W. Kappler, Fünfzehn Jahre Großes Haus des Badischen Staatstheaters am Festplatz, Karlsruhe 1960; Ein musikalisches Talent, in: FAZ vom 23.11.1963; Auch der Musica sacra gedient – Generalmusikdirektor O. Matzerath bekannte in der Nazizeit seinen Glauben, in: Fränkisches Volksblatt Würzburg vom 28. 11. 1963; W. Kappler, Das Badische Staatstheater nach dem Kriege, Karlsruhe 1971; Karlsruher Theatergeschichte, bearb. von G. Haass, W. Kappler, B. Müller, M. Salaba, H. Schwarzmaier, Karlsruhe 1982; J. Werner, Karlsruhe 1945 – unter Hakenkreuz, Trikolore und Sternenbanner, Karlsruhe 1985.
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