Ruf, August 

Geburtsdatum/-ort: 05.11.1869;  Ettenheim
Sterbedatum/-ort: 08.04.1944;  Freiburg
Beruf/Funktion:
  • katholischer Geistlicher, Opfer des NS-Regimes
Kurzbiografie: 1880-1887 Progymnasium in Ettenheim
1887-1889 Gymnasium in Freiburg
1889-1893 Theologiestudium in Freiburg und Aufenthalt im Priesterseminar St. Peter
1893 Priesterweihe (5. Juli)
1893-1905 Vikar und Kaplaneiverweser in Radolfzell
1905-1941 Stadtpfarrer in Singen/Hohentwiel, St. Peter und Paul (Investitur 9. 11. 1905)
1921 Geistlicher Rat
1930 Ehrenbürger der Stadt Singen
1941 Päpstlicher Geheimkämmerer/Monsignore
1941 Pensionierung (29. Oktober)
1943 Dez.-1944 Mär. im Gefängnis Rottenburg am Neckar
Weitere Angaben zur Person: Eltern: Vater: Kaspar Ruf, Küfer und Landwirt (1838-1905)
Mutter: Magdalena, geb. Vögele (1840-1922)
Geschwister: 5
GND-ID: GND/132847051

Biografie: Franz Götz (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 228-230

In den zwölf Jahren seiner Tätigkeit als Vikar und Kaplaneiverweser in Radolfzell vom 10. August 1893 bis Ende August 1905 konnte Ruf unter Anleitung des bekannten, ebenfalls aus Ettenheim stammenden Stadtpfarrers Friedrich Werber reiche pastorale Erfahrungen sammeln. Dabei bewährte er sich nicht nur in der ordentlichen Seelsorge, sondern auch als Leiter mehrerer katholischer Vereine, z. B. des Bürger- und Gesellen-, des Jünglings- und des Volksvereins, einer katholischen Erwachsenenbildungseinrichtung, für die er bald auch regionale Aufgaben übernahm. In Radolfzell schuf Ruf einen katholischen Lesezirkel, gründete eine Jungfrauenkongregation und war der gute Geist im 1897 erworbenen Vereinshaus der Radolfzeller Münsterpfarrei. Besonders lobenswert fand sein Prinzipal Werber, daß Ruf sich auch mit den praktischen Fragen des sozialen Lebens beschäftigte und daß er ein Herz für den kleinen Mann hatte. Für die Mitglieder des ebenfalls von Ruf 1894 gegründeten Arbeitervereins richtete er eine eigene Sparkasse ein, die er selbst leitete, und er versorgte die Arbeiter mit billigen Kartoffeln und Kohlen.
Als der tüchtige und sozial gesinnte Seelsorger Ruf, der schon in Radolfzell großes Vertrauen genoß, im Jahr 1905 Pfarrer der damals noch einzigen katholischen Pfarrgemeinde in Singen wurde, brachte er demnach für die Bewältigung großer Probleme in der schnell wachsenden Industriestadt unterm Hohentwiel das nötige Rüstzeug mit. In einem 1912 an die Kirchenbehörde in Freiburg gerichteten Brief des Dekans Dreher heißt es: „Es gibt vielleicht in der ganzen Diözese keinen Priester, der eine so schwere Stellung hat, auf dem eine so gewaltige Arbeits- und Sorgenlast ruht und der zugleich alle Mittel in Anwendung bringt, um seiner Pfarrgemeinde aufzuhelfen, wie Herr Stadtpfarrer Ruf in Singen.“ 1926 schrieb der nachfolgende Dekan Scheu: „Rufs Verdienst ist es, daß das kirchliche Leben mit der raschen Entwicklung und der rapid wachsenden Bevölkerung in Singen Schritt halten konnte.“
1906 errichtete Ruf in der Theodor-Hanloser-Straße das Elisabethenhaus als Schwesternhaus, Station für ambulante Krankenpflege, Kindergarten und Frauenarbeitsschule (Nähschule). 1971/72 wurde das Gebäude zum Katholischen Gemeindezentrum Singen (Kardinal-Bea-Haus) umgestaltet. Ebenfalls im Jahre 1906 ließ Ruf das noch von seinem Vorgänger Georg Neugart gekaufte Anwesen Schwarzwaldstraße 6 zu einem Katholischen Vereinshaus umbauen, das dann durch drei Jahrzehnte Mittelpunkt des katholischen Vereinslebens in Singen war, 1937 unter dem Druck drohender Enteignung verkauft wurde und seither als Gasthaus „Sternen“ geführt wird.
1908 erfolgte die Errichtung eines Arbeitersekretariates, in dem sich Arbeiter unentgeltlich Rat holen konnten. 1910 gründete der rührige Seelsorger eine Gemüsebaugenossenschaft GmbH und den Vinzentiusverein zur Unterstützung der Armen, ferner die Verlagsgesellschaft „Singener Zeitung“, die 1923 den „Konstanzer Nachrichten“, später der „Deutschen Bodensee-Zeitung“ angegliedert wurde.
In den Bereich der freien Wohlfahrtspflege, dem sich Ruf besonders gewidmet hat, gehörte auch die Gründung des Katholischen Fürsorgevereins für Frauen, Mädchen und Kinder am 14. 7. 1913. Diese Vereinsgründung sollte neben dem bereits bestehenden Elisabethenverein im Gemeinwesen von Singen weiterwirken bis zum heutigen Tag. Die Motivation und Zielsetzung blieben durch mehr als sieben Jahrzehnte hindurch die gleichen. Geändert wurde im Juli 1968 lediglich der Name in „Sozialdienst Katholischer Frauen.“
1919 wurde von Ruf das Haus Zelglestraße 4 gekauft und darin ein Jugendwohnheim eingerichtet (Kolpinghaus, heute Papst-Johannes-Haus mit Katholischem Bildungszentrum, Theologischer Bibliothek und verschiedenen kirchlichen Büros).
1927 richtete er in der Schwarzwaldstraße 7 unter dem Namen Herz-Jesu-Heim ein Waisenhaus ein, das 1969 in der Weiherstraße 1 einen Neubau beziehen konnte (Kinderheim St. Peter und Paul). Es folgten 1928 die Errichtung des Kindergartens St. Josef mit Schwesternstation, 1930 die des Kindergartens Herz Jesu und 1931 die Schaffung des DJK-Sportplatzes am Ziegeleiweiher. Außerdem baute Ruf zwei neue Kirchen: 1909-1911 Herz Jesu und 1927-1928 St. Josef, jeweils mit den dazugehörigen Pfarrhäusern, und er renovierte 1925-1929 die eigene Pfarrkirche St. Peter und Paul.
Trotz dieser überdurchschnittlichen Leistungen auf den verschiedensten Gebieten, insbesondere auf dem Bausektor und im sozialen Bereich, vernachlässigte Ruf keinen Augenblick seine eigentlichen Seelsorgeaufgaben. Dabei legte er – wie zuvor in Radolfzell – besonderen Wert auf die Gründung und Betreuung kirchlicher Vereine. Zusammen mit dem damaligen evangelischen Pfarrer Alexander Rihm (1898-1935) wurde Ruf im Jahr 1930 zum Ehrenbürger der Stadt Singen ernannt.
Daß der populäre Kirchenmann, der in der Zeit des „Dritten Reiches“ christliche Grundsätze und kirchliche Rechte mutig verteidigte, von den braunen Machthabern angefeindet wurde, konnte nicht ausbleiben. Seine Hilfsbereitschaft, zusammen mit Pfarrer Eugen Weiler von Wiechs am Randen der Berliner Jüdin Käthe Meier, geb. Lasker, im Jahre 1942 zur Flucht in die Schweiz verholfen zu haben, wurde dem seit dem 29. Oktober 1941 als Pensionär in Singen lebenden, gesundheitlich geschwächten Prälaten Ruf schließlich zum Verhängnis. Die Gestapo erfuhr von der geglückten Flucht, verhaftete zunächst Pfarrer Weiler und verbrachte ihn nach Verbüßung einer dreimonatigen Gefängnisstrafe ins Konzentrationslager Dachau, wo er bis zum Kriegsende geblieben ist. Erst etwa ein Jahr nach der Verhaftung Weilers kam die Gestapo auch dem Singener Prälaten Ruf auf die Spur. Im November 1943 wurde er wegen Beihilfe zu unerlaubter Grenzüberschreitung zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Am 10. Dezember 1943 mußte der 74-jährige Geistliche, obwohl ihn ein Arzt für haftunfähig erklärt hatte, die Strafe in der Haftanstalt Rottenburg am Neckar antreten. Mit Rücksicht auf seinen äußerst schlechten Gesundheitszustand wurde der Todgeweihte am 29. 3. 1944 vorzeitig entlassen, allerdings nicht nach Singen, sondern ins Vinzentiushaus nach Freiburg, wo er schon 11 Tage danach, am Karsamstag, verstorben ist. Die Beisetzung fand unter großer Beteiligung der Bevölkerung in Singen statt.
Nach Kriegsende hat die Stadt Singen dem an den Folgen der NS-Haft verstorbenen Prälaten Ruf die von den Nazis aberkannte Ehrenbürgerwürde postum zurückgegeben und die bisherige Adolf-Hitler-Straße in August-Ruf-Straße umbenannt. Im Rahmen einer eindrucksvollen Feier wurde am 15. Juli 1981 im Beisein zweier Reisegruppen des Katholischen Bildungswerkes Singen und einer Delegation des jüdischen Nationalfonds eine Spendenaktion des Katholischen Bildungswerkes Singen „Tausend Bäume für einen August-Ruf-Wald in Israel“ abgeschlossen und ein Gedenkstein in einem neu aufgeforsteten Wald bei Zippori (Sepphoris) im nördlichen Israel enthüllt, der Rufs Namen trägt.
Nachweis: Bildnachweise: Abbildungen in den oben genannten Veröffentlichungen von A. Engesser, F. Dutzi, F. Götz und Th. Dees. Ölbild im Nebenzimmer des Gasthauses „Sternen“ in Singen/Hohentwiel.

Literatur: August Käst, Die badischen Martyrerpriester. Karlsruhe 1947, 26-33; Hermann Ginter; A. Ruf (Nachruf), in: FDA 70 (1950), 237 f.; Adolf Engesser, St. Peter und Paul Singen am Hohentwiel, Erolzheim/Württ. 1955, 13-34; Fridolin Dutzi, In Israel an Prälat A. Ruf erinnert, in: Singener Jb. 1981, 38-45; Käte Weick, Widerstand und Verfolgung in Singen und Umgebung. Stuttgart 1982; Franz Götz, Kirche in Singen. Singen/Hohentwiel 1987. Thomas Dees, Monsignore A. Ruf, Märtyrer für Glauben und Menschlichkeit, in: Schicksal und Geschichte der jüdischen Gemeinden Ettenheim, Altdorf, Kippenheim, Schmieheim, Rust, Orschweier. Ettenheim 1988, 58-67.
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