Brentano di Tremezzo, Clemens von Friedrich Gustav Franz Leo Maria 

Geburtsdatum/-ort: 20.07.1886; Friedberg/Hessen
Sterbedatum/-ort: 20.06.1965; Meran
Beruf/Funktion:
  • Chef der (Süd-) Badischen Staatskanzlei, Deutscher Botschafter in Italien
Kurzbiografie: Gymnasium in Offenbach, Abitur 1904
1904-1908 Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Grenoble, Freiburg im Br., Kiel und München
1908-1911 Referendar im bayerischen Justizdienst
1912 Assessorexamen und Tätigkeit im bayerischen Auswärtigen Dienst
1914 bayerische Gesandtschaft in Berlin
1914-1918 abgeordnet zur Zivilverwaltung des Generalgouvernements für Belgien, Brüssel
1919 Sachreferent in der deutschen Waffenstillstandskommission und Übernahme in den Auswärtigen Reichsdienst
1921 Gesandtschaftsrat in Athen
1922-1925 im Auswärtigen Amt in Berlin, 1923 Legationsrat, 1924 Vortragender Legationsrat
1925-1929 Botschaft beim Heiligen Stuhl in Rom, ab 1926 Botschaftsrat
1929 Versetzung in den einstweiligen Ruhestand
1937 Versetzung in den Ruhestand
1943-1946 Dienstleistung bei der Internationalen Handelskammer in Freiburg im Br., ab 1945 Leiter der Internationalen Handelskammer Freiburg im Br.
1946-1950 Chef der Badischen Staatskanzlei in Freiburg im Br., Ministerialrat, 1950 Ministerialdirektor
1947-1950 Präsident des Badischen Roten Kreuzes
1950-1957 Generalkonsul, ab 1951 Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Italien
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Verheiratet: 1. 1916 (Berlin-Charlottenburg) Dorothea, geb. von Loehr (1895-1946)
2. 1949 Maria-Agnes Maximiliane, geb. Freiin von Biegeleben (geb. 1892)
Eltern: Vater: Otto (1855-1927), Jurist, Mitglied des Landtags (Hessen) und Mitglied des Reichstags – Zentrum, hessischer Justiz- und Innenminister
Mutter: Lilla Beata, geb. Schwerdt (1863-1948)
Geschwister: 5:
Franz (1888-1956)
Peter Anton (1891-1949)
Maria (geb. 1894), Ordensschwester
Bernard (1901-1964), Schriftsteller
Heinrich (1904-1964), Bundesaußenminister
Kinder: 6:
Karl Kiendl, voreheliches Kind von Brentano
aus 1. Ehe Lilla (geb. 1917), Guido (1918-1943 gefallen an der Ostfront), Erhard (geb. 1921), Margherita (1922-1995), Philosophieprofessorin, Maria Victoria (geb. 1923)
GND-ID: GND/133298779

Biografie: Tobias Wöhrle (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 4 (2007), 33-35

Brentanos Vorfahren entstammten einem norditalienischen Adelsgeschlecht und waren zu Beginn des 18. Jahrhunderts ins Rhein-Main-Gebiet übersiedelt und dort zu einer angesehenen Kaufmanns- und Beamtenfamilie aufgestiegen, die mit den Schriftstellern Clemens Brentano und dessen Schwester Bettina von Arnim bedeutende Intellektuelle hervorbrachte. Seine Eltern waren weitläufig verwandt, denn auch Brentanos Großmutter mütterlicherseits war eine geborene Brentano. Der erste Sohn wurde nach dem bekannten Literaten genannt.
Nur wenige Jahre nach Brentanos Geburt hatte das Großherzogtum Hessen den Adelstitel der katholischen Familie anerkannt. Den Großteil seiner Kindheit und Jugend verbrachte Brentano in Offenbach. Sein Vater Otto gehörte von 1897 bis 1927 dem hessischen Landtag an, von 1918 bis 1927 war er hessischer Justizminister und 1921 hatte er zusätzlich das Amt des Innenministers übernommen. Außerdem gehörte der Vater ab 1919 der Weimarer Nationalversammlung und von 1920 bis 1924 dem Reichstag an.
Brentano studierte Jura und begann seine Karriere im bayerischen Landesdienst. 1912 trat er in den Auswärtigen Dienst Bayerns ein und war im Staatsministerium in München beschäftigt, bevor er 1914 an die bayerische Gesandtschaft in Berlin wechselte. Ab Herbst 1914 war er für die Dauer des I. Weltkrieges zur Zivilverwaltung des Generalgouvernements für Belgien nach Brüssel abgeordnet. Zurück in Berlin arbeitete Brentano ab Anfang 1919 für einige Monate als Sachreferent der deutschen Waffenstillstandskommission, dann in verschiedenen Abteilungen des Auswärtigen Amts, kehrte aber dann noch einmal für wenige Monate in den bayerischen Landesdienst zurück. Im Frühjahr 1921 wurde Brentano für kurze Zeit vom Auswärtigen Amt an die Gesandtschaft in Athen geschickt und zum Gesandtschaftsrat ernannt, kehrte aber noch im gleichen Jahr ins Außenamt zurück. Anfang 1923 erfolgte seine Beförderung zum Legationsrat. Im gleichen Jahr wurde er als Sonderreferent zu einem engen Mitarbeiter von Reichsaußenminister Gustav Stresemann. Die Kontakte des Vaters waren dabei durchaus hilfreich. So lernten auch Brentanos Brüder Bernard und Heinrich Stresemann kennen. Sein Schwiegervater Joseph von Loehr war ebenfalls Diplomat und in den Jahren nach dem I. Weltkrieg deutscher Gesandter in Luxemburg.
1925 wechselte Brentano von Berlin an die Botschaft beim Heiligen Stuhl in Rom. Als Stresemann 1929 starb, wurde der inzwischen zum Botschaftsrat Beförderte in den einstweiligen Ruhestand versetzt und über viele Jahre nicht verwendet, bis er schließlich 1937 aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in den dauerhaften Ruhestand versetzt wurde. Infolge der Sauckel-Verordnung wurde Brentano 1943 zum Arbeitseinsatz dienstverpflichtet und der Industrie- und Handelskammer in Freiburg im Br., wohin die Familie Brentano 1941 von Berlin umgezogen war, zur Dienstleistung zugeordnet. Später wurde Brentano die Leitung der Internationalen Handelskammer Freiburg übertragen, die er bis 1946 innehatte. Durch seine Nähe zu Stresemann und dessen Außenpolitik und seine Zugehörigkeit zum Zentrumslager galt Brentano im „Dritten Reich“ als Gegner des Nationalsozialismus. In Freiburg hatte er vor allem Kontakte im katholischen Milieu und wurde so auch mit Erzbischof Conrad Gröber bekannt.
Nach der französischen Besetzung Freiburgs Ende April 1945 gehörte Brentano zu einem kleinen Kreis ehemaliger Zentrumsmitglieder, die sich um Prälat Ernst Föhr sammelten. Das Ziel dieser Gruppe war die Wiedergründung der katholischen Partei. Dort lernte Brentano den Richter Paul Zürcher kennen, der neben Gröber und Föhr in Freiburg auf deutscher Seite zu den einflussreichsten Personen in den ersten Monaten der Besatzungszeit zählte.
Nach Kriegsende wurde das ehemalige Zentrumsmitglied Brentano im Juni 1945 als politisch unbelastet und Repräsentant der örtlichen Industrie- und Handelskammer von Gröber und Föhr für das aus sieben Männern bestehende Beratergremium des von der französischen Besatzungsmacht eingesetzten Freiburger Oberbürgermeisters Max Keller empfohlen und damit Mitglied eines vorläufigen Stadtrates. Im Herbst 1945 mit Einsetzung von Wolfgang Hoffmann als neuem Oberbürgermeister wurde dieses Gremium auf zwölf Personen vergrößert und amtierte bis zur ersten freien Kommunalwahl im September 1946.
Als im Laufe des Jahres 1945 die Aktivitäten zur Bildung von Parteien sich verstärkten, war auch Brentano an verschiedenen Gesprächskreisen beteiligt, die über die Wiedergründung der Zentrumspartei oder die Neugründung einer überkonfessionellen christlichen Partei diskutierten. Die überkonfessionelle Idee setzte sich schließlich vor allem auf Druck von Erzbischof Gröber durch. Im Dezember 1945 erlaubte die französische Besatzungsmacht die Bildung von Parteien, und als am 20. Dezember in Freiburg die Badisch Christlich-Soziale Volkspartei (BCSV), ab 1947 CDU Baden, gegründet wurde, war Brentano neben Leo Wohleb und Paul Zürcher einer der zwölf Gründer, hatte danach aber keine Parteiämter inne.
Brentano unterhielt stets gute Kontakte zu seinem Bruder Heinrich, der sich in Hessen für die überkonfessionelle christliche Richtung einsetzte und dort Gründungsmitglied der CDU war. Dieser engagierte sich später auch in der Arbeitsgemeinschaft der CDU/CSU der britischen und amerikanischen Zone, so dass Brentano stets bestens über die Entwicklung dieser politischen Richtung außerhalb der anfänglich teilweise abgeschotteten französischen Zone informiert war.
1946 bemühte sich Brentano darum, wieder in den bayerischen Landesdienst zurückzukehren. Gleichzeitig beauftragte ihn der anfänglich designierte Präsident der vorläufigen badischen Regierung in Freiburg, Paul Zürcher, im Herbst 1946 in Übereinkunft mit dem amtierenden Leiter der Landesverwaltung, Alfred Bund, mit dem Aufbau und der Leitung einer Staatskanzlei. Als wegen der Tillessen-Affäre nicht Zürcher sondern der BCSV-Vorsitzende Leo Wohleb von der Besatzungsmacht zum Präsidenten des Staatssekretariates bestimmt wurde, hielt dieser an Brentano fest und ernannte ihn Anfang Dezember 1946 zum Chef der Staatskanzlei. Anfangs hatte Brentano sein Büro in seiner Privatwohnung, bevor 1947 das Colombischlössle als Dienstsitz bezogen wurde. Für die Rekrutierung des Personals war fast ausschließlich Brentano zuständig; die gesamte Organisation der Staatskanzlei lag in seiner Verantwortung: er entwarf die Zuständigkeitsrichtlinien der Behörde und schuf die einzelnen Abteilungen. Als Chef der Staatskanzlei war Brentano der innerdienstliche Vertreter des nach der Landtagswahl 1947 gewählten Staatspräsidenten Wohleb.
Auf Wunsch von Bundeskanzler Konrad Adenauer übernahm Brentano Anfang Dezember 1950 den Posten des Generalkonsuls in Rom und ein halbes Jahr später wurde er erster Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Italien. Die Tatsache, dass Brentano italienische Wurzeln und einen italienischen Namen hatte, wurde im Nachkriegsitalien durchaus positiv wahrgenommen. Der Katholik Brentano hatte bereits aus seiner ersten Zeit in Rom enge Kontakte zu hohen Würdenträgern im Vatikan. Sein Bruder Heinrich, ab 1955 sein Vorgesetzter als Bundesaußenminister, weilte häufig zu Besuchen bei ihm in Rom. Die beiden unterhielten ein enges Vertrauensverhältnis.
Obwohl Brentano altersbedingt bereits 1951 in den offiziellen Ruhestand versetzt worden war, blieb er bis 1957 Botschafter in Rom. Danach zog er mit seiner Frau zuerst nach Garmisch, dann nach Meran, wo er auch starb. Brentano ist in Darmstadt beigesetzt.
Quellen: Polit. A des Auswärt. Amtes, Berlin, PA-AA 46.348; StAF C 5/2 Nr. 25 Personalakte; Archives de l'occupation française en Allemagne et en Autriche, Colmar, Bade 1176, Entnazifizierungsakte.
Nachweis: Bildnachweise: Biograph. Handb. des Auswärt. Dienstes, 2000, 281 (vgl. Lit.).

Literatur: Maria Stirtz, H. v. Brentano di Tremezzo, 1970, 329-331; Biograph. Handb. des dt. Auswärt. Dienstes 1871-1945, Bd. 1, 2000, 281 f.; Eckhart G. Franz, Die hess. Brentanos, in: Roland Koch (Hg.), H. v. Brentano, 2004, 19 f.
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