Fikentscher, Jenny 

Andere Namensformen:
  • geb. Nottebohm
Geburtsdatum/-ort: 01.06.1869; Kattowitz (Oberschlesien)
Sterbedatum/-ort: 26.04.1959;  Gernsbach
Beruf/Funktion:
  • Zeichnerin, Lithographin
Weitere Angaben zur Person: Religion: ev.
Verheiratet: 1891 Otto Fikentscher
Eltern: Vater: August Nottebohm, Regierungsbaumeister
Mutter: Elisabeth, geb. Schmitz; in erster Ehe mit Wilhelm Kampmann (gest. 1860) verheiratet. Aus dieser Ehe stammt der Maler Gustav Kampmann (1859-1917)
Geschwister: Hans und Gustav Kampmann (Halbgeschwister mütterlicherseits), Anna, Laura, Selma, Johanna und Georg (Halbgeschwister väterlicherseits)
Kinder: 5 (3 Töchter, 2 Söhne):
Gerta (1892-1953)
Dorothee (1894-1981)
Wolfgang (1897-1917?)
Henning (1900)
Rosemarie (1907-1962)
GND-ID: GND/135983061

Biografie: Rudolf Theilmann (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 85-86

Fikentschers Kunst wurzelt in der reformerischen Bildsprache des Jugendstils. Als Graphikerin entwickelte sie eine eigenwillige Formensyntax von berückender Klarheit und hohem ästhetischem Reiz. Während der knappen Zeitspanne ihres Schaffens – wenige Jahre vor und nach der Jahrhundertwende – gelang ihr eine Reihe von Aquarellen, Farblithographien und Zeichnungen, deren innovatorische Kraft an die kühne, unkonventionelle Natursicht ihres Stiefbruders Gustav Kampmann denken läßt. Ihre Thematik konzentrierte sich vornehmlich auf Blüten und Blumen, die sie jedoch nicht, traditionelle Kompositionsformeln der Stillebenmalerei aufgreifend, zu geschickt arrangierten Sträußen und Gestecken bündelte, sondern zu raffiniert gewählten Landschafts- und Architekturausschnitten in eine kunstvolle Beziehung setzte bzw. sie als flächenhaftes Ornament stilisierte (z. B. „Feuerlilien mit Blick auf Grötzingen“, „Der Südturm von Schloß Augustenburg in Grötzingen“, „Taglilien“). Sie bevorzugte Motive, deren äußeres Erscheinungsbild in Form und Farbigkeit ihrem abstrahierenden und dekorativ ausdeutenden Gestaltungswillen entgegenkam: Schwert- und Feuerlilien, Tulpen, Geranien, Schierling, Mohn, Löwenzahn, Disteln, Feuerbohnen, Weidenröschen. Bewußt werden komplementäre Kontrastpaare kombiniert – z. B. das leuchtend-satte Rot der Feuerlilien mit dem nuancenreich abgestuften Grün der Stengel und Blätter –, wobei die Flächigkeit der Farbfelder durch ein spannungsreiches Liniengerüst, das die vom Gegenstand vorgegebenen Umrisse scharf akzentuiert und die Binnenzeichnung auf ein graphisches Gerippe reduziert, gegliedert wird. Eine häufig wiederholte Stileigentümlichkeit ist das nahe Heranholen des dominierenden Motivs in die vorderste Ebene, was seiner sinnlichen Präsenz eine fast magische Anziehungskraft verleiht. Das klassische Prinzip raumschaffender, stark fluchtender Diagonalbewegungen wurde verworfen zugunsten einer flächenhaften, engen Staffelung der Bildgründe, die eine gewollte Reduzierung der Tiefensuggestion bewirkt. Die spielerisch anmutende Zusammenstellung der Sujets, die stets nur in höchst effektvoll angeschnittenen Teilaspekten wiedergegeben werden, ist das Ergebnis eines genau kalkulierten Programms und zeugt von einem überlegenen Formempfinden. Zweifellos verdankt Fikentscher der japanischen Holzschnittkunst manche wichtige Anregung, die sie auch in ihrem Bestreben nach Vereinfachung der künstlerischen Mittel im Hinblick auf die lithographische Vervielfältigung bestärkte.
Als sich Fikentscher, die – wie eine Tochter des Malerfreundes Karl Biese bemerkte – „den Jugendstil lebte“, nach der Jahrhundertwende dem 1896 in Berlin gegründeten „Wandervogel“ anschloß (ihr Mann Otto Fikentscher hatte sich im Badischen Landtag offiziell für diese schwärmerische Naturbegeisterung eingesetzt), kam ihre künstlerische Tätigkeit langsam zum Erliegen. Ihr aktives Engagement für die Ideen und Ziele dieser Jugendbewegung lenkte ihr Interesse auf andere Bereiche. In späteren Jahren verkaufte sie regelmäßig selbst gezogenes Obst und Gemüse aus ihrem Grötzinger Garten auf dem Karlsruher Wochenmarkt und war wegen ihres unkonventionell-individuellen Lebensstils bald eine stadtbekannte Persönlichkeit.
Werke: Das künstlerische Schaffen J. Fikentschers beschränkt sich auf die Zeit um die Jahrhundertwende, was den vergleichsweise bescheidenen Umfang ihres hinterlassenen Œuvres erklärt. Einige Farblithographien in der Staatl. Kunsthalle und in der Städtischen Galerie im Prinz Max-Palais zu Karlsruhe; weitere graphische Blätter und Aquarelle in Privatbesitz. J. Fikentscher arbeitete für den Karlsruher Künstlerbund, dessen Mitglied sie war.
Nachweis: Bildnachweise: Akat., Die Grötzinger Malerkolonie ..., Abb. 22, 24.

Literatur: Akat., Die Grötzinger Malerkolonie. Die erste Generation, Staatl. Kunsthalle Karlsruhe, 1975/76, 16, 24 ff., 30, 31, 39/40, 75-77, 113, 146-150 (mit ausführlichen Angaben der bis 1975 erschienenen wichtigsten Literatur (S. 76); Akat., Kunst in Karlsruhe 1900-1950, Staatl. Kunsthalle Karlsruhe, 1981, 22, 25, 151, Kat. Nr. 76 mit Abb. 45.
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