Knapp, Franz Wilhelm 

Geburtsdatum/-ort: 21.02.1881;  Griesheim
Sterbedatum/-ort: 28.06.1973;  Konstanz
Beruf/Funktion:
  • Staatsanwalt, Oberbürgermeister, MdL (Baden)-BCSV/CDU
Kurzbiografie: 1891–1900 Humanist. Gymnasium Offenburg
1901–1902 Einjährig-Freiwilliger beim Freiburger Infanterie-Regiment Nr. 113
1902–1904 Studium d. Rechtswissenschaften in Freiburg im Br., München, Heidelberg u. Straßburg
1904 I. jurist. Staatsexamen, Rechtspraktikant
1908 II. jurist. Staatsexamen
1908–1914 Amtsanwalt u. Jugendstaatsanwalt bei d. Staatsanwaltschaft Karlsruhe
1914–1918 Reserveoffizier an d. Westfront, Kriegsgerichtsrat, ab 1916 als Hauptmann in d. Champagne u. im Oberelsass bei den Infanterie-Regimentern Nr. 111, 169 u. 170
1918–1919 Kriegsgefangenschaft in Frankreich
1919 Amtsrichter in Konstanz
1920–1927 Staatsanwalt bzw. Erster Staatsanwalt beim Landgericht in Konstanz
1927–1933 Bürgermeister in Konstanz-Zentrum
1933–1945 Städtischer Rechtsrat in Konstanz
1939–1940 Bataillonskommandeur als Hauptmann d. Res. beim Landesschützenbataillon XIII/V mit Einsatz im Süden Polens
1946–1947 MdL (Baden)-BCSV/CDU
1946–1957 Oberbürgermeister von Konstanz
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Auszeichnungen: Ehrungen: Eisernes Kreuz I. u. II. Klasse, Zähringer Löwenorden I. Klasse mit Eichenlaub u. Schwertern, Hohenzollern-Orden, Ehrenkreuz d. Frontkämpfer, Kriegsverdienstkreuz II. Klasse (1942), Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens d. Bundesrepublik Deutschland (1952), Dr. iur. h.c. d. Univ. Freiburg im Br. (1955), Ehrenbürger d. Stadt Konstanz (1957)
Verheiratet: 1913 (Kreuzlingen) Julie, geb. Dengler (1888–1971)
Eltern: Vater: Franz (1853–1907), Landwirt
Mutter: Josefine, geb. Bürkle (1855–1937)
Kinder: 2;
Gertrud, verh. Hässig (1916–2007),
Edith (1920–2006)
GND-ID: GND/139418997

Biografie: Jürgen Klöckler (Autor)
Aus: Baden-Württembergische Biographien 5 (2013), 223-224

Der soziale Aufstieg war Knapp nicht in die Wiege gelegt, als er im Februar 1881 als Sohn eines Landwirts in der Ortenau geboren wurde. Früh schon war dem aufgeweckten Buben klar, dass er nur durch Bildung und herausragende Leistungen die kleinbäuerliche, durch Realteilung perspektivlos gewordene Welt seiner Vorfahren verlassen konnte. Er besuchte das Gymnasium in Offenburg, das er 1900 als „Primus omnium“ abschloss, und studierte anschließend Jura, um sich für den höheren Verwaltungsdienst zu qualifizieren. Nach den beiden Staatsexamina trat er 1908 in die badische Verwaltung ein, in der er bis zu seiner Pensionierung als Oberbürgermeister von Konstanz fast 50 Jahre lang Dienst tun sollte.
Seine Verwaltungslaufbahn begann Knapp bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe. Der I. Weltkrieg unterbrach seine Karriere nur unwesentlich, schon 1919 wirkte er zuerst als Amtsrichter, dann als Staatsanwalt beim Landgericht in Konstanz. Die Stadt am Bodensee sollte zu seiner Heimat werden. Hier engagierte sich der aufstrebende Jurist und Katholik im Zentrum, dem er schon 1906 beigetreten war. Im benachbarten Kreuzlingen hatte er seine zukünftige Frau gefunden und verfügte somit über verwandtschaftliche Beziehungen in die Schweiz. Nach seiner Wahl zum Bürgermeister im Mai 1927 war er Teil der auch auf dem Konstanzer Rathaus praktizierten Weimarer Koalition, bestehend aus dem liberalen Oberbürgermeister Otto Moericke und dem sozialdemokratischen Bürgermeister Fritz Arnold. Unbestechlich, pflichtbewusst und korrekt versah er den kommunalen Dienst bis zu seiner erzwungenen Amtsniederlegung am 26. Mai 1933, die ihn brüskiert, irritiert und zutiefst verletzt haben muss. Doch anders als Moericke und Arnold reichte der von Karlsruhe eingesetzte neue Oberbürgermeister Herrmann mit ausdrücklicher Billigung der NSDAP-Stadtratsfraktion und des Reichsstatthalters dem erfahrenen Verwaltungsjuristen die Hand, und Knapp nahm sie an – getrieben vom Berufsethos des höheren Verwaltungsbeamten: „immer treu“. Ob Knapp tatsächlich Forderungen für sein Verbleiben in der Konstanzer Stadtverwaltung gestellt hat – kein Beitritt in die NSDAP und keine Behinderung seiner religiösen Praktiken –, bleibt unklar. Hier könnte es sich auch um einen Rechtfertigungsversuch aus der Nachkriegszeit handeln. Als städtischer Rechtsrat trat Knapp jedenfalls am 19. Juni 1933 wieder in den Dienst der Stadt. Seine neuen Bezüge lagen geringfügig unter dem errechneten Ruhegehalt – der 52-jährige Knapp hätte aus finanziellen Gründen nicht im NS-Staat mitarbeiten müssen. Doch er passte sich wie viele Beamte den neuen Verhältnissen an und verhielt sich absolut loyal. Offene Kritik oder gar Widerstand hat er nicht gewagt, wahrscheinlich nicht einmal in Erwägung gezogen. Beispielsweise trat er wie gefordert 1938 ohne zu zögern aus dem Katholischen Akademikerverband aus. NS-Parteimitglied aber wurde er nicht und es gibt Anzeichen dafür, dass der ausgesprochen pflichtbewusste Knapp sein Amt zumindest zeitweise als Bürde empfand. Als musischer Mensch, der gerne Gedichte verfasste und auch publizierte, hielt er sich von der NSDAP und deren lokalen Repräsentanten fern, fand Halt im katholischen Glauben, was sich im täglichen Besuch der Frühmesse im Münster manifestierte, wo er am Grab Wessenbergs einige Minuten im Gebet zu verharren pflegte.
Mit Kriegsbeginn rückte Knapp zum Heeresdienst ein, doch wurde er schon sehr bald vom geschäftsführenden Bürgermeister Leopold Mager zurückgeholt und „unabkömmlich“ gestellt. Der „alte Kämpfer“ benötigte den Fachmann, und so wurde das Gespann auch in der Konstanzer Bevölkerung bekannt: „mager und knapp“ lautete während des Krieges in Anspielung auf die Verwaltungsspitze die doppeldeutige Antwort auf die Frage nach der Situation in der Grenzstadt. Nach deren kampflosen Besetzung war Knapp klug genug, sich nicht von der französischen Besatzungsmacht als einer von insgesamt fünf Oberbürgermeistern des Jahres 1945 verschleißen zu lassen. In der verworrenen Situation wirkte er als Rechtsrat im Hintergrund und wurde zum örtlichen Gründungsmitglied der BCSV, der späteren CDU. Nach den ersten Kommunalwahlen vom 15. September 1946, aus der die BCSV in Konstanz mit 53,8 Prozent als die bestimmende politische Kraft hervorging, wurde Knapp zum Oberbürgermeister gewählt. Nach außen bescheiden und gütig versah er sein neues Amt, das er als Krönung seiner Verwaltungskarriere empfand. Kraft Amtes war Knapp für die BCSV 1946/47 zugleich in der Beratenden Landesversammlung in Freiburg tätig. Verbesserung der Infrastruktur, Förderung des Wohnungsbaus, Eröffnung einer Spielbank und Intensivierung des Fremdenverkehrs sind seine wesentlichen Verdienste der Nachkriegszeit. Auch für die Belange von Kultur und Wissenschaft hatte er ein offenes Ohr. Bei der Gründung des von Stadtarchivar Otto Feger initiierten „Städtischen Instituts für Landschaftskunde des Bodenseegebiets“ stand er Pate und nahm regelmäßig an Sitzungen des nachfolgenden „Konstanzer Arbeitskreises für mittelalterliche Geschichte“ teil. Außerdem war er Präsident der Wissenschaftlichen Vortragsgemeinschaft Konstanz.
Am 10. Dezember 1957 wurde der mittlerweile 76-Jährige als Oberbürgermeister verabschiedet und erhielt die Ehrenbürgerwürde der Stadt. Knapp selbst hatte darum gebeten „von einer Abschiedsfeier größeren Stils abzusehen“.
Quellen: StadtA Konstanz S II 10321, Personalakte; StAF D 180/2 Nr. 47401, Entnazifizierungsakte (dünn); BA-BDC MfS Parteikorr. I 0284, Aufnahme in die Reichsschrifttumskammer.
Werke: Gedichte in Tageszeitungen ab 1900; eine Novelle in: Deutsche Bodensee-Zeitung vor 1933; Margrit. Eine Heimatgeschichte, Konstanz 1941, 2. Aufl. 1948.
Nachweis: Bildnachweise: Jürgen Klöckler, Vom Kaiserreich zur Bundesrepublik. Aus dem polit. Leben d. Stadt Konstanz von 1918 bis 1960, in: Mager u. knapp. Alltagswelten in d. Grenzstadt Konstanz 1920–1960, 2002, 38.

Literatur: Werner Schenkendorf, Franz Knapp, in: Konstanzer Almanach 1, 1955, 46f.; ders, Dr. Franz Knapp zum 75. Geburtstag, in: Südkurier vom 21.2.1956; Werner Häusler, Oberbürgermeister i. R. Dr. Franz Knapp 90 Jahre alt, in: Hegau 27/28, 1970/71, 384f.; Regine Klett, Er führte die Stadt in schwerer Zeit, in: Südkurier vom 23.8.1976, 9; Paul-Ludwig Weinacht, Ursprung u. Entfaltung christlicher Demokratie in Südbaden, 1982, 50-59; Lothar Burchardt/Dieter Schott/Werner Trapp, Konstanz im 20. Jh. Die Jahre 1914 bis 1945, Geschichte d. Stadt Konstanz 5, 1990, passim; Lothar Burchardt, Konstanz zwischen Kriegsende u. Universitätsgründung, Geschichte d. Stadt Konstanz 6, 1996, bes. 155ff.; Tobias Engelsing, Der Rote Arnold. Eine Lebensgeschichte 1883–1950, 1996, 163-184; Jürgen Klöckler, Selbstbehauptung durch Selbstgleichschaltung. Die Konstanzer Stadtverwaltung im Nationalsozialismus, 2012.
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