Otto, Mathilde 

Geburtsdatum/-ort: 18.12.1875;  Oberweier bei Friesenheim
Sterbedatum/-ort: 20.08.1933;  Freiburg
Beruf/Funktion:
  • Armen- und Familienfürsorgerin, Ordensgründerin
Kurzbiografie: 1885-1891 Internatserziehung in Freiburg und bei Genf
1891-1907 Häusliche Krankenpflege. Ehrenamtliche Organistin und Chorleiterin
1907 Erste Lehrerinnenprüfung
1910 Höhere Lehrerinnenprüfung; Vorsitzende des St. Elisabethen-Vereins Freiburg-St. Martin
1910-1913 Volkswirtschaftliche Vorlesungen an der Universität Freiburg
1912 Vorsitzende des St. Elisabethen-Vereins Freiburg
1914 Jugendsekretärin beim Diözesan-Präsidium der katholischen weiblichen Jugendvereine in Freiburg (katholisch-soziale Frauenbildung)
1918 Referentin für Armen- und Familienpflege beim Deutschen Caritasverband; Generalsekretärin der deutschen Elisabeth- und Frauenvinzenzvereine
1919 Mitglied des Städtischen Armenrats und Jugendamts in Freiburg
1919/20 Zentrumsabgeordnete in der Badischen Nationalversammlung in Karlsruhe
1922-1926 Mitglied des Freiburger Stadtrats
1924 Päpstliche Auszeichnung „Pro Ecclesia et Pontifice“
1925 Gründung der St. Elisabeth-Schwesternschaft in Freiburg
1929 Eröffnung des Wöchnerinnenheims St. Elisabeth in Freiburg
1931/32 Stellvertretende Vorsitzende der von ihr mitbegründeten Reichsgemeinschaft der Elisabeth- und Frauenvinzenzvereine Deutschland
Weitere Angaben zur Person: Religion: rk.
Eltern: Vater: Julius Otto (1852-1896), Kaufmann
Mutter: Katharina, geb. Himmelsbach (1853-1937)
Geschwister: 1 (Bruder Ernst)
GND-ID: GND/140496203

Biografie: Hans-Josef Wollasch (Autor)
Aus: Badische Biographien NF 3 (1990), 211-213

Otto stammte mütterlicherseits aus der mittelbadischen Fabrikantenfamilie Himmelsbach, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Holzindustrie und Tabakverarbeitung zu Ansehen und Vermögen gelangt war. Mit 10 Jahren wurde sie zur Ausbildung in das „Lehr- und Erziehungs-Institut Waßmer“ in Freiburg geschickt, anschließend in das Schwesternpensionat Veyrier-sous-Salève bei Genf. Nach der Internatszeit kehrte sie nach Oberweier zurück, um in der Pflege des kranken Vaters sowie in der pfarrlichen Gemeindearbeit mitzuhelfen. Der Ortspfarrer Joseph Schulz, ein bekannter Förderer der Kirchenmusik im Erzbistum Freiburg, hat ihre religiöse und soziale Entwicklung in jenen Jahren maßgeblich beeinflußt. Durch Privatstudium bereitete sich Otto erfolgreich auf die Erste (1907) und auf die Höhere Lehrerinnenprüfung (1910) vor, ursprünglich mit der Absicht, in das Dominikanerinnenkloster und Lehrinstitut Zoffingen in Konstanz einzutreten.
1910 siedelte sie mit ihrer erkrankten Mutter nach Freiburg über, wo sie an der Universität volkswirtschaftliche Vorlesungen hörte und dann als Jugendsekretärin beim Diözesan-Präsidium der katholischen weiblichen Jugendvereine (1914) in der sozialen Frauenbildung arbeitete. Vor allem aber engagierte sie sich in der häuslichen Familienpflege. Als Mitglied (und 1910 Vorsitzende) des St. Elisabethen-Vereins in Freiburg-St. Martin, später auch als städtische Armenfürsorgerin, besuchte sie Familien, die durch Wohnungsenge, Kinderreichtum, Arbeitslosigkeit des Vaters in Not lebten. Sie organisierte die Helferinnenarbeit der Elisabethkonferenzen in den katholischen Pfarrgemeinden der Stadt Freiburg und übernahm 1912 den Vorsitz eines übergreifenden St. Elisabethen-Vereins.
Im Januar 1919 wurde Otto als Kandidatin des Zentrums im Wahlkreis II (Freiburg) in die Badische Nationalversammlung gewählt, als eine der neun Frauen unter 107 Abgeordneten. Schon ein Jahr später allerdings gab sie ihr Mandat wieder zurück, um sich die Zeit und die Kraft für die praktisch-soziale Arbeit zu bewahren. Sozialpolitisch blieb sie im kommunalen Bereich aktiv, als Mitglied des Städtischen Armenrats und Jugendamts (1919), ferner des Stadtrats (1922-1926) mit dem Schwerpunkt auf der Trinker- und Kleinrentnerfürsorge. Diese Verbindungen Ottos zur Stadtverwaltung ermöglichten manche Unterstützung ihrer caritativen Tätigkeit und hoben das Ansehen des St. Elisabethen-Vereins, „die hier wohl am meisten bekannte katholische Frauenorganisation, die in der offenen und geschlossenen Fürsorge ungemein segensreich arbeitet.“
Über die Elisabethkonferenz in St. Martin war Otto früh mit Förderern und Mitarbeitern des Deutschen Caritasverbandes in Kontakt gekommen. Auf Wunsch des Gründers und ersten Präsidenten Lorenz Werthmann trat sie 1918 in den Dienst des Deutschen Caritasverbandes ein, um die Leitung des neu eingerichteten Referates „Armen- und Familienpflege“ zu übernehmen. Diese Stelle war zugleich Generalsekretariat für die deutschen Elisabeth- und Frauenvinzenzvereine, für welche ein reichsweiter Zusammenschluß angestrebt wurde. Mit Beiträgen in der Zeitschrift „Caritas“ und in den seit 1925 von ihrer Dienststelle herausgegebenen „Elisabeth-Briefen“ hat Otto, ebenso wie durch zahlreiche Vorträge und Schulungen, für die Stärkung der Elisabethbewegung durch straffere Organisation geworben. Aus ihren eigenen fürsorgerischen Erfahrungen hatte sie die Erkenntnis gewonnen, daß zur Bekämpfung des sozialen Notstandes in ungezählten Familien der persönliche Einsatz durch eine an Einfluß und Mitteln gut ausgestattete Organisation ergänzt werden mußte. 1931 wurde mit der „Reichsgemeinschaft der Elisabeth- und Frauenvinzenzvereine Deutschlands“ dieses Ziel erreicht, in der Otto für ein Jahr noch stellvertretende Vorsitzende wurde.
Ansonsten aber gab sie in eben dieser Zeit 1931/32 sämtliche Verpflichtungen in Beruf und Ehrenamt ab, um sich mit ihren von der Krebskrankheit mehr und mehr aufgezehrten Kräften nur noch einer selbstgewählten Lebensaufgabe zu widmen: 1925, ein Jahr nach der Auszeichnung mit dem päpstlichen Orden „Pro Ecclesia et Pontifice“, hatte sie die für den St. Elisabethen-Verein Freiburg arbeitenden Haus- und Familienpflegerinnen zu einer religiösen Gemeinschaft zusammengeschlossen, der St. Elisabeth-Schwesternschaft. Als geistlichem Berater vertraute sie sich Dompräbendar Joseph Oechsler an, der bis 1970 auch Superior der Schwesternschaft blieb.
In Anlehnung an den Caritasverband, unter Einsatz all ihrer Energie wie auch ihres und ihrer Mutter Vermögens baute sie als Stifterin und Oberin die Schwesternschaft auf, deren kanonische Errichtung (1937) sie nicht mehr erlebte. Im Mutterhaus in der Dreisamstraße 15 in Freiburg eröffnete sie 1929 ein „Wöchnerinnenheim für mittellose Mütter des Mittelstandes und des Arbeiterstandes“ Vorläufer des heutigen St. Elisabeth-Krankenhauses. Bald übten Elisabethschwestern die Wochenpflege auch in Außenstationen aus (Tiengen/Hochrhein, Waldshut, Mannheim). Als Otto nach mehrfacher Operation und quälendem Niedergang ihrer Gesundheit mit 58 Jahren starb, kamen neben einer großen Zahl von Caritasangestellten – Präsident Benedict Kreutz hielt die Beerdigungsansprache – an die 60 Schwestern und Kandidatinnen von „St. Elisabeth“ zur Beisetzung auf dem Freiburger Hauptfriedhof (22. August 1933).
„Mutter Mathilde Otto“, wie sie sich gerne nannte, war, geprägt durch Herkunft und Ausbildung, verfolgt von der fortschreitenden Krankheit, eine Oberin von herber Strenge, „keine für ihre Umgebung leicht zu verkraftende Natur“. Und doch wollte diese ihrer Sache sichere, durchsetzungsfreudige und couragierte Frau den Menschen um sie herum nur das abverlangen, was sie sich selbst zur Auflage gemacht hatte: In völliger Unterordnung unter den Willen Gottes dem Nächsten in Not bedingungslos zu helfen. In all ihren vielfältigen Aktivitäten war Otto stets ein „Caritas“ praktizierender Mensch. Sie hat Frauen vorbereitet, geschult und eingesetzt für den Dienst an der gefährdeten Familie. Besonders den oft hoffnungslos überlasteten Müttern der einfachen Stände hat sie das Angebot der Wochenpflege, Erziehungshilfe, Familienfürsorge und Erholung zugedacht. Sie hat die Entwicklung zur organisierten caritativen Haus- und Familienpflege eingeleitet und für lange Zeit beeinflußt. Das sechzigjährige Bestehen von St. Elisabeth-Schwesternschaft und-Krankenhaus hat Otto vor dem Beinahe-Vergessenwerden bewahrt.
Werke: Zahlreiche praxisnahe Veröffentlichungen über Hausarmen- und Familienpflege in den Zs. „Caritas“ und „Elisabeth-Briefe“; Neuorientierung unserer weiblichen Vereine für Familienpflege, Freiburg 1919; Elisabethgeist und Elisabetharbeit. Zum VII. Centenarium den deutschen Elisabeth- und Frauen-Vinzenzvereinen gewidmet von Mathilde Otto, Oberin der Schwesternschaft St. Elisabeth, Freiburg 1931.
Nachweis: Bildnachweise: Fotos im A der St. Elisabeth-Schwesternschaft und im A des Deutschen Caritasverbandes.

Literatur: Angela Rozumek, M. Otto (1875-1933), in: Elisabeth-Brief 7 (1956), 54-59; Joseph Oechsler, Ein reich erfülltes Leben im Dienste der Familie. M. Otto und ihr Werk, Freiburg 1963; H.-J. Wollasch, M. Otto (1875-1933), „Armenfürsorgerin“. Eine (fast) vergessene Frau der Caritas, in: Caritas '89, Jb. des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg 1988, 297-324.
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